Kommentar
20:23 Uhr, 30.05.2014

Draghi eine Spekulation wert?

Der Tag der Wahrheit rückt näher. Am 5.6. ist es soweit. Dann muss der EZB-Chef die Karten auf den Tisch legen.

Erwähnte Instrumente

Anleger haben inzwischen eine ziemlich gute Vorstellung davon entwickel,t wie Draghis Blatt aussieht. Er selbst hat immer wieder angedeutet und verbal Maßnahmen angedroht, sodass das ihm zur Verfügung stehende Arsenal an Möglichkeiten inzwischen bestens bekannt ist: Zinssenkung auf 0,1%, negativer Einlagensatz, neuer Langzeittender für Bankenrefinanzierung. Das ist das, was die EZB aktuell tatsächlich tun kann. Die außerordentlichen Maßnahmen, die die EZB gerne verwenden würde, aber nicht kann bzw. darf, sind Maßnahmen wie sie die Fed umgesetzt hat. Genau damit ist Draghi aber zuletzt hausieren gegangen. Die Erwartungen sind entsprechend hochgeschraubt worden. Wenn Draghi nun nicht irgendwoher einen Joker hervorzaubert, dann dürfte die EZB die Erwartungen kaum erfüllen können.

Auf eine Enttäuschung zu spekulieren macht demnach Sinn. Nachdem aber niemand wirklich weiß, was am 5.6. geschieht, bleibt es eine Spekulation. Sie kann auch ordentlich schiefgehen, denn Notenbanker sind ja dafür bekannt, den Markt auch mal gerne zu überraschen. Wer also auf eine Marktreaktion spekuliert, der sollte sich auch darauf vorbereiten die Position schnell wieder glatt stellen zu können.

Als Spekulationswerte bieten sich vor allem EUR/USD und der 3 Monats-Euribor Zinssatz an. Der Euribor hat sich in den vergangenen Jahren konsequent nach unten bewegt. Die Historie zeigt den Euribor seit 1999. Ein Blick genügt und man weiß wie der Hase läuft. Im Detail wird es dann allerdings recht interessant. In der zweiten Grafik ist wieder der aktuelle 3 Monats-Euribor abgebildet, aber auch die März Futures bis 2020. Hier zeigt sich ein interessantes Bild: der Euribor stieg tendenziell seit Ende 2013 trotz zunehmender Verbalinterventionen der EZB. Etwas absurd ist die Situation im Vergleich zum März 2015 Future. Dieser steht unter dem aktuellen Satz. Die Differenz ist nicht wirklich groß, beträgt aber doch 0,07 Prozentpunkte.

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Das lässt bis zu einem gewissen Grad die Vermutung zu, dass einige Marktteilnehmer nicht einmal mit einer weiteren Zinssenkung im Juni rechnen. Ein Zinsschritt Richtung 0,1 ist noch nicht offensichtlich eingebpreist. Im 2015er Future hingegen schon.

In den vergangenen drei Wochen, in denen sich die Anzeichen für eine weitere Zinssenkung verdichten haben, sind die Future noch einmal ein ordentliches Stück gesunken. Hier könnte eine gewisse Chance liegen. Enttäuscht die EZB kommende Woche, dann könnten die Futures relativ stark nach oben korrigieren. Wie der zweite Chart zeigt sind die näheren Futures sehr viel sensitiver als jene mit langen Restlaufzeiten. Man könnte daher vor dem 5.6. eine Longposition auf den Euribor einnehmen. Der Dezember 2014 oder März 2015 Future könnte von ca. 0,19 auf 0,25 springen. Das wäre ein Anstieg von gut 30% innerhalb kürzester Zeit.

Sehr viel weiter nach unten dürften diese Futures nicht mehr fallen. Hier ist ja bereits eine Zinssenkung eingepreist. Die EZB könnte die Downside für die Spekulation aber durchaus erhöhen. Je nachdem, wie sich Draghi in der Pressekonferenz äußert, könnte es auch hier bis 0,15 nach unten gehen. Das wäre der Fall, wenn er sich z.B. dahingehend äußert, dass er das niedrige Zinsniveau bis etwa 2017 für gerechtfertigt sieht.

Eine gewisse Unsicherheit bleibt, aber das liegt in der Natur der Sache. Ich überlege mir am Wochenende eingehender, ob ich diese Spekulation wage.

Clemens Schmale

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10 Kommentare

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  • McDuck
    McDuck

    Lieber "User", Ihre Frage berührt, wie von Daniel Kühn bereits ausgeführt, ein ursächliches Problem, welches u.a. die Bankenregulierung mit ihren Eigenkapitalrichtlinien für Geschäftsbanken mit sich bringt.

    Wie Sie evtl. bereits wissen, sind auch Ausleihungen im Interbankenmarkt nichts anderes als Kredite.

    Banken sind verpflichtet für ausgelegte Kredite eine bestimmte Quote an Eigenkapital vorzuhalten. Eigenkapital verursacht den Banken jedoch Kosten. Das gibt es nun mal nicht umsonst. Des weiteren bilden die Banken intern eine "Versicherung" gegen Kreditausfälle. Dazu kommt dann noch der Faktor Produktionskosten. Die Kredite müssen in den Systemen der Bank erfasst, abgerechnet, und kontrolliert werden.

    Aktuell können Sie im Interbankenmarkt Bruttorenditen von maximal 0,3% erzielen. Institutsabhängig ist nun zu Ermitteln, ob sich ein solches Geschäft überhaupt lohnt, oder ob das Belassen der Liquidität auf dem Konto bei der EZB sinnvoller ist.

    Aus meiner Sicht wird sich daran auch bei einem negativen Einlagezins (nur für den das Mindestreservesoll überschreitenden Saldo) bei der EZB nicht wesentliches ändern, da der kurzfristige Realzins ebenfalls niedriger tendieren dürfte.

    22:13 Uhr, 31.05. 2014
  • Wolfi 1981
    Wolfi 1981

    Hallo liebe Experten,

    mal eine dumme Frage von einem Naturwissenschaftler:

    Wenn die EZB einen negativen Zins auf Einlagen verlangen würde, warum sollten dann Banken dort Geld parken? Sie könnten das Geld ja auch einfach auf eigenen Konten behalten und eben nicht bei der EZB? Dann würde es eben auch nichts kosten.

    13:52 Uhr, 31.05. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • Jochen Stanzl
    Jochen Stanzl Chefmarktanalyst CMC Markets

    Das würde auch die etwas seltsame Renditeschwäche bei USTs erklären...

    10:49 Uhr, 31.05. 2014
  • Jochen Stanzl
    Jochen Stanzl Chefmarktanalyst CMC Markets

    Phillip Vorndran hat einen möglichen Joker Draghis genannt: Die EZB kauft USTs:

    http://www.brn-ag.de/26643-Boersenradio-Interview-Ernst-gemeinter-Vorschlag---Die-EZB-koennte-US-Staatsanleihen-kaufen-Phillip-vorndran

    10:25 Uhr, 31.05. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • Daniel Kühn
    Daniel Kühn

    Hat jemand mal die Option diskutiert (ich hab es nirgends gefunden), den Zinssatz auf dem Konto für die MIndesteinlage zu erhöhen? Hier zahlt die EZB derzeit 0,25%. Da je 100 Euro vergebenen Kredit 1 EUR auf diesem Konto zwangsweise landen, könnte eine hohe Verzinsung dieser Position möglicherweise einen Anreiz darstellen, Kredite zu vergeben. Aber vermutlich müsste man den Satz dann recht drastisch anziehen.

    09:23 Uhr, 31.05. 2014
  • Daniel Kühn
    Daniel Kühn

    Den negativen Einlagensatz halte ich für nahezu wirkungslos. Reiner Placebo. Die Kosten dafür sind nämlich für die Banken marginal. Man bedenke, wenn die Überschussliquidität auf dem aktuellen NIveau bleiben würde, kostet das die gesamte Bankenbranche in der Eurozone kumuliert 100 Mio. EUR p.a.

    Das sind doch nicht mal Peanuts :)

    In Sachen ABS gab es ja schon mehr als nur Andeutungen in letzter Zeit.

    Wenn man das aber mal durchdenkt, dann muss man sich immer mehr die Frage stellen, ob nicht einfach die EZB gleich direkt Kredite vergeben sollte (sofern sie dürfte natürlich...)

    1. Bei Staatsanleihen trägt die EZB bereits das de facto-Risiko durch die "Draghi-Garantie"

    2.Kommt nun wirklich auch ein großes ABS-Programm, dann übernimmt die EZB auch noch Risiken aus Unternehmensanleihen.

    Mal ganz ehrlich: wozu braucht man dann eigentlich überhaupt noch Geschäftsbanken?

    Mir gefällt diese Entwicklung überhaupt nicht. Das hat mit Marktwirtschaft immer weniger zu tun.

    09:05 Uhr, 31.05. 2014
  • Investor
    Investor

    Ich glaube, keine der genannten Maßnahmen löst das eigentliche Problem:

    Zinssenkung auf 0,1%, - treibt Banken nur noch mehr in Anleihen und Aktien und dort sieht die EZB Blasen

    negativer Einlagensatz, - passt nicht zum Langzeittender

    neuer Langzeittender für Bankenrefinanzierung - widerspricht dem negativen Einlagensatz

    Keine der Maßnamen führt dazu. daß die Wirtschaft in der Eurozone angekurbelt wird und darüber die Schulden inflationiert werden. Wenn die Einlagenzinsen negativ sind, warum soll sich eine Bank an einem Langzeittender beteiligen?

    Soweit teilen wir die gleiche Einschätzung.

    Würde Draghi eine weitere Maßnahme mit aufnehmen:

    - Aufkauf von ABS aus Investionskrediten, die gewisse Voraussetzungen zB Bonität, Laufzeit, usw erfüllen

    Damit nähme er den Banken das Kreditausfallrisiko ab und würde das Geld in Investionen kanalisieren. Gleichzeitig würde dies Geld aus den Anleihemärkten nehmen und die Regierungen in Strukturreformen drängen.

    Folge eine anspringende Wirtschaft und reformierte Staaten.

    Die Märkte würden höchst volatil werden, da die Auswirkungen der unkonventionellen Maßnahme erst verstanden und eingepreist werden müssten.

    Ich rechne mit einer Überraschung seitens Hr Draghi. Ohne eine solche hätte er nie die letzte Ankündigung gemacht. Schauen wir einmal

    22:50 Uhr, 30.05. 2014
  • Harald Weygand
    Harald Weygand Head of Trading

    Exzellenter Beitrag, Clemens ...

    Du steckst so manchen Makro-Okonom so mancher Großbank mit deinem Wissen in die Tasche! :-)

    20:47 Uhr, 30.05. 2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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