Analyse
08:37 Uhr, 15.09.2015

Die Wahrheit über Alibaba

Vor einem Jahr ging Alibaba an die Börse. Die Aktie begann den Handel 30% über dem Ausgabepreis. Jetzt liegt der Kurs deutlich darunter. Dafür gibt es gute Gründe.

Erwähnte Instrumente

  • Alibaba Group Holding Ltd. Reg.Shs (sp.ADRs)/8 DL-,000025 - WKN: A117ME - ISIN: US01609W1027 - Kurs: 62,60 $ (NYSE)

Am Wochenende wurde von dem in den USA sehr bekannten Finanzmagazin Barron’s eine ausführliche Analyse veröffentlicht. Diese schlägt nun hohe Wellen. Daran ist nicht nur der Titel schuld, der Anleger vor einem weiteren Kursrutsch von 50% warnt.

Ein Kursrutsch von 50% reicht vermutlich aus, um die Leserschaft zu interessieren. Wer tatsächlich den gesamten Artikel liest, der lernt viel über Alibaba und möchte vermutlich bei nächster Gelegenheit seine Aktien verkaufen.

Der Inhalt des Artikels lässt sich gut zusammenfassen. Vereinfacht gesagt ist Alibaba ein Selbstbedienungsladen der chinesischen Gründer und Haupteigentümer. Darüber hinaus wird angezweifelt, ob die vom Unternehmen veröffentlichten Daten alle ihre Richtigkeit haben. Alibaba hat eigenen Angaben zufolge so viele Nutzer wie es Nutzer in China gibt. Alibabas Marktanteil läge bei 100%. Das ist selbst für ein Unternehmen dieser Größe zweifelhaft.

Die Probleme des Online-Händlers sind nicht neu, doch in dieser Ausführlichkeit wurden sie selten beschrieben. Vollkommen überraschen sollten die Erkenntnisse nicht. Einige der Fehlleistungen Alibabas waren auch vor Börsengang bekannt. Dazu zählten auch teils unlautere Praktiken in der Buchhaltung von Tochterunternehmen. Vor einem Jahr hatte ich dieses Thema vor dem Börsengang aufgegriffen (www.godmode-trader.de/artikel/es-kommt-eben-doch-auf-die-groesse-an,3883396).

Viel interessanter als die Probleme Alibabas wiederzukäuen ist die Reaktion des Unternehmens selbst. Nur einen Tag nach der Veröffentlichung der Analyse bei Barron’s reagierte Alibaba gestern ausführlich auf den Inhalt (www.alizila.com/alibaba-responds-barrons-story). Hier fängt es an spannend zu werden, denn es ist selten, dass ein Unternehmen mit so viel Energie und vor allem auch so schnell eine Analyse zu korrigieren versucht.

Bedenkt man, wie viele Hintergrundberichte und Analysen jeden Tag über Unternehmen geschrieben werden, kann man sich kaum vorstellen, dass Firmen die Ressourcen haben all diese zu verfolgen und ggf. richtigzustellen. Ohne Zweifel, wenn Barron’s etwas veröffentlicht, dann lesen es viele Anleger. Dennoch: sofern eine Analyse nicht klar aufgrund falscher Tatsachen in die Irre führt sollte es keinen Grund für eine Reaktion geben.

Alibaba sieht hier genau so einen Fall. Sie beklagen Ungenauigkeit, die selektive Verwendung von Information und behaupten, dass die Schlussfolgerungen der Analyse irreführend sind.

An diesem Punkt lohnt es sich kurz innezuhalten: Es ist das Wesen einer jeden Analyse, dass sie nicht alle Informationen aufführt. Andernfalls müsste jeder Artikel biblische Ausmaße annehmen. Informationen müssen selektiert werden. Auf Basis einer solchen Selektion werden Schlussfolgerungen gezogen. Diese Schlussfolgerungen sind letztlich eine Interpretation und stellen die Meinung des Analysten dar. Eine Interpretation kann man anzweifeln und kritisieren, doch man kann niemanden zu einer bestimmten Interpretation zwingen. Es gilt grundsätzlich so etwas wie Meinungsfreiheit.

Wie dem auch sei, Alibaba räumt auf. Die Analyse vergleicht Alibabas KGV (25) mit dem von Ebay (15). Beide sind in einem ähnlichen Geschäftsfeld, daher wäre eine Angleichung vorstellbar. Alibaba weist den Analysten zurecht, denn Ebay ist nicht in China tätig und daher nicht vergleichbar. Vielmehr müsste man das KGV mit dem von Baidu (24) und Tencent (31) vergleichen. Das ist schon ein starkes Stück. Alibaba schreibt hier dem Analysten indirekt vor, mit welchen Unternehmen Alibaba verglichen werden sollte.

Die Analyse geht auf den Vorgänger von Alibaba ein – eine Online-Plattform für Unternehmen – die von 2007 bis 2012 in Hong Kong gelistet war. Die Aktie ging mit einem Preis von 13,50 an die Börse und wurde 2012 zum gleichen Preis wieder von der Börse genommen. Das sind Fakten, dennoch passt das Alibaba nicht. Es wird darauf hingewiesen, dass die Plattform stark wuchs und der Preis im Vergleich zum Gesamtmarkt wenigstens nicht fiel. Daher ist der Vorgänger von Alibaba auch nicht mit dem heutigen Unternehmen vergleichbar. Wenn Alibaba das so meint...

Alibaba bekräftigt, dass die Geschäftszahlen absolut korrekt sind. Das kann letztlich kaum jemand wirklich nachvollziehen. Es bleibt offen wie realistisch es ist, dass Alibaba von 374 Mio. online Shoppern 367 Mio. zu seinen Kunden zählen kann. Selbst wenn viele Einkäufer auf mehreren Seiten ein Konto eingerichtet haben dürften, ist der Marktanteil von knapp 100% recht hoch.

Die durchschnittlichen Ausgaben der Kunden in einem Jahr liegen bei 1.056 USD. Ein Durchschnittsamerikaner gibt Alibabas Angaben zufolge 1.665 USD im Jahr aus. Die Chinesen sind damit deutlich einkaufswütiger als Amerikaner. Das Pro-Kopf-Einkommen ist in den USA 12 Mal höher als in China, die Einkäufe jedoch nur 60% höher. Alibaba sieht darin keine Ungereimtheit. Vielmehr sind Alibabas Kunden einfach wohlhabender. Nachdem es allerdings 367 Mio. Kunden sein sollen, kann man sich fragen wie viel wohlhabender diese im Vergleich zum Durchschnitt sein können, machen sie doch selbst fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus, die auch Kinder und Menschen ohne Internetzugang beinhaltet.

Alibaba zählt noch weitere Punkte auf, die am besten in einer Korrektur der Analyse auf Barron’s verpackt werden sollten. Es lohnt sich nicht diese hier noch aufzugreifen, denn es geht nicht so sehr um die Inhalte als vielmehr um das, was Alibaba durch seine Replik offenbart. Das Unternehmen fordert einen Analysten auf seine Meinung zu revidieren und zwar auf eine Art und Weise, die an Parteipropaganda erster Güte erinnert. Das ist nicht nur bedenklich, sondern erschreckend.

Alibaba versucht wie die Partei die öffentliche Meinung zu diktieren. Kritik ist weder gefragt noch erwünscht. Kommt Kritik auf, dann versucht man sie durch Gegendarstellungen zu unterbinden. Ein solches Verhalten gibt wenig Vertrauen in die Offenheit und Integrität des Managements.

Alibaba wird zweifelsohne weiter ein hohes Wachstum ausweisen und kann für Anleger auch irgendwann wieder ein Kauf sein, wenn der Kurs noch etwas fällt. Das Beispiel zeigt jedoch, dass Alibaba für Anleger ein hohes politisches Risiko beinhaltet, viel mehr als die meisten vielleicht glauben.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

14 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    die Baustelle bei Tesla ist, dass es kein massenkompatibles Produkt ist. Es ist ein Edelprodukt für reiche Städter in einer von der Mineralöl- und Benzin/Diesel dominierten Umgebung. deren Marktmacht und Lobby ist so stark, dass da ein paar Mrd eines Visionärs nicht ausreichen, um die USA Administration zu bewegen, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, die USA oder andere Länder mit Stromtankstellen vernetzen zu lassen. damit ist das Marktpotential extrem begrenzt.

    Ich vermute, dass die Aktie sich früher oder später irgendwo um die 30-60 USD pendeln wird.

    11:17 Uhr, 16.09.2015
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    warum wird dann Tesla bei gmt immer wieder zum Kauf empfohlen?

    die Wahrheit über tesla ist fundamental gesehen: Heisse Luft und Zukunftsvision für unschlagbare 253 USD pro Aktie, obwohl nur Schulden, die auch nicht kleiner werden, und noch nie Gewinn. Da freuen sich nur die Ur-Anteilseigner und die, die bei 20 USD eingestiegen sind.

    14:10 Uhr, 15.09.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Vadim Jay
    Vadim Jay

    Ich würde sagen, es liegt eher in der Inkompetenz der IR Abteilung von Alibaba und nicht an der "Wahrheit".

    Sieht mal alleine die Produkte bei Amazon oder Ebay an, meiner Meinung sind 10% davon ursprünglich bei Alibaba gekauft worden. Alleine AliPay ist riesig. Alibaba ist und bleibt eine Plattform, die auch für kleine Unternehmen aus westlichen Welt B2C Geschäft mit chinesischen Produkten ermöglichen.

    Also klar investieren:-)

    Ich schätze mal irgendjemand will billig einsteigen und mach eine schlechte PR...

    13:38 Uhr, 15.09.2015
    2 Antworten anzeigen
  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Mir ist eh schleierhaft, wie man in ein chinesisches Unternehmen investieren kann. Das sind und bleiben Schrottbetriebe, weil sie nur mit Zustimmung der dortigen politischen Irrläufer groß werden können. Ein Land das seine Studenten ohne zu zögern abknallt, ist keinen Cent wert. Da kann ich ja direkt nach Somalia gehen.

    12:49 Uhr, 15.09.2015
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Das klingt nach Auftragsarbeit der Konkurenz. Alibaba ist eher unterbewertet. Aber Jedem seine Meinung.

    10:15 Uhr, 15.09.2015
    1 Antwort anzeigen
  • P_44
    P_44

    Der Artikel ist zu lang. Fakten! Kein erhobener Zeigefinger, wie böse Alibaba doch ist.

    10:06 Uhr, 15.09.2015
    1 Antwort anzeigen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten