Die Türkei ist ein gespaltenes Land
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Istanbul (Godmode-Trader.de) - Der Oberste Wahlausschuss der Türkei teilte am Montag mit, dass er die Bürgermeisterwahlen von Istanbul im März annulliert habe. Die Wahl war von Ekrem Imamoglu, dem Kandidaten der oppositionellen CHP, mit einem Vorsprung von 0,2 Prozentpunkten gewonnen worden. Eine Wiederholung der Wahlen ist nun für den 23. Juni geplant.
Die Entscheidung hat große Kritik hervorgerufen. Der CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu hat die Mitglieder der Wahlbehörde als „Bandenmitglieder“ unter Kontrolle des AKP-Vorsitzenden und türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan degradiert. Die EU forderte Aufklärung darüber, wie die Entscheidung zustande gekommen sei. Der deutsche Außenminister Heiko Maas befand, dass die Entscheidung des Hohen Wahlrates für eine Wiederholung der Wahl „nicht transparent und nicht nachvollziehbar“ sei.
Die Türkei ist ein zerrissenes Land: Zwei Beispiele: Erdogans Sprecher Fahrettin Altun lobte die Annullierungs-Entscheidung als eine Maßnahme, die sicherstelle, dass der Wille der Nation korrekt wiedergegeben werde, und somit einen „Sieg der Demokratie“ darstelle. Dagegen sagte der Vorsitzende der Anwaltsvereinigung in Izmir, in der Türkei sei die Demokratie nun tot.
Die AKP lieferte dem Wahlrat „Belege“ und fasste die Klage in einem Schreiben von 44 Seiten zusammen. Erdogan brachte es zuletzt noch einmal auf den Punkt, indem er von „eindeutigen Unregelmäßigkeiten“ bei der Wahl am 31. März sprach und so den Druck auf den Hohen Wahlrat erhöhte. Demnach sollen in 19.000 der 62.000 Wahllokale der oder die jeweilige Vorsitzende nicht Beamter im Sinne des Beamtengesetzes gewesen sei, wie es das zuletzt im vergangenen Jahr novellierte Wahlgesetz vorschreibt. Die CHP wies darauf hin, dass der AKP und dem Hohen Wahlrat die Namen und Funktionen der Wahlleiter und Wahlhelfer seit dem 2. März bekannt gewesen seien, sie aber keine Einsprüche erhoben hätten.
Am Finanzmarkt fiel die Reaktion dagegen eindeutig aus. Die Lira weitete ihre jüngsten Verluste aus. Seit Anfang April ist die türkische Währung um rund 9 Prozent gegenüber dem Dollar gesunken. Die Investoren befürchten politische Folgen in dem gespaltetenen Land, einschließlich der Gefahr sozialer Unruhen. Knapp sieben Wochen wird der Wahlkampf nun dauern. Ein weiterer Aspekt ist, was die Entscheidung für die Wirtschaftspolitik bedeutet. Der politische Druck auf die Zentralbank, auf Zinserhöhungen zu verzichten, dürfte nun noch größer werden. Darüber hinaus dürfte die Regierung neue fiskalische Impulse setzen, um die Stimuli für die in der Rezession steckende Wirtschaft zu erhöhen.
Angesichts der Schwere der Wirtschaftskrise in der Türkei - das BIP schrumpfte in der zweiten Jahreshälfte 2018 um vier Prozent - gibt es natürlich derzeit gute Gründe für fiskalische Impulse. Die Verschlechterung der Haushaltslage in den letzten Jahren dürfte die Sorgen über die Schuldenlast des Landes aber nicht geringer werden lassen. Eine weitere Lockerung der Finanzpolitik vor den Bürgermeisterwahlen in Istanbul würde aus Sicht von Experten insofern weitere Fragen nach der Glaubwürdigkeit der Regierung aufwerfen. Und wenn die Stimuli nicht abgebaut werden, könnte dies die wirtschaftlichen Schwachstellen verschärfen - einschließlich einer Verschlechterung der Leistungsbilanz.
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