Die Notenbanken sind im Casino-Modus
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Denver (GodmodeTrader.de) - Eine unverändert offensive Geldpolitik der Notenbanken wird über kurz oder lang zu hoher Inflation, einem Einbruch der Realwirtschaft und stark fallenden Vermögenspreisen führen. Zu dieser Einschätzung kommt Bill Gross, Fondsmanager und Anlagestratege des amerikanischen Asset Manager Janus Capital in seinem aktuellen Investmentausblick. „Derzeit sind die großen Notenbanken mit ihrer Geldpolitik nichts anderes als Casinos“, sagt Gross, „denn sie drucken Geld in einem Tempo, als würden sie endlos viele Chips produzieren, die sie niemals wieder einlösen müssten.“
Für Gross verhalten sich die Notenbanker ähnlich einem Spieler, der zunächst blufft, um an Ende zu versuchen, die Investoren davon zu überzeugen, dass die Zinsen über lange Zeit hinweg niedrig bleiben werden. „Und wenn das nicht funktioniert, setzen sie ihre Quantitative-Easing-Maßnahmen im Stile eines Gamblers ein, der nach der Martingale-Methode spielt.“ Die Martingale-Methode gilt unter Spielern als nahezu „todsichere“ Strategie, bei der nach jedem Verlust der Einsatz unmittelbar verdoppelt wird - bis mit einem Gewinn das bis dahin verloren gegangene Geld wieder eingespielt wird.
„Solange es einen unbegrenzt großen Pool an Chips gibt, führt diese Methode theoretisch nahezu sicher zum Erfolg - und genau darauf verlassen sich die Notenbanken“, sagt der Janus-Experte. Er erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Bank von Japan das Volumen ihrer geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen vor einigen Jahren verdoppelt hat und auch die vor einiger Zeit gemachte Aussage von Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, zur Stabilität des Euro („Whatever it takes“) sei nichts anderes als ein Versprechen im Sinne der Martingale-Methode.
Für Gross liegt die Frage nahe: Wie lange kann das gut gehen? „Theoretisch solange es ausreichend viele Finanztitel, also etwa Anleihen und Aktien, zu kaufen gibt. Praktisch ist das Limit der Wert der eigenen Basiswährung einer Notenbank“, prognostiziert Gross. „Wenn die Investoren das Vertrauen in den Wert einer Währung verlieren, kann die Inflation sehr schnell die angepeilte Zielmarke erreichen - und darüber hinaus schnellen.“ Beispiele dafür seien in der jüngeren Vergangenheit Venezuela, Argentinien und Zimbabwe. „Wenn die Notenbanken der Industrieländer im Einklang handeln und ihre Bemühungen zur richtigen Zeit einstellen, können sie theoretisch ein wenig Inflation produzieren, für ein bisschen Wachstum sorgen und so die Weltwirtschaft vom Scheckgespenst der Deflation befreien“, resümiert Gross. „Aber bislang würde kein vernünftiger Beobachter diese Versuche als Erfolg bezeichnen.“
Für Gross haben die geldpolitischen Bemühungen der Notenbanken etwas von weißen Blutzellen, die anders als rote Blutzellen keinen Sauerstoff in den Körper der schwächelnden Wirtschaft bringen. „Stattdessen halten sie unproduktive Zombie-Unternehmen am Leben, zerstören bewährte Geschäftsmodelle etwa von Versicherungen und Pensionskassen, die wegen der niedrigen Zinsen für ihre Kunden keine Gewinne mehr machen können, und machen Sparer zu finanziellen Eunuchen, die nicht mehr in der Lage sind, genug Kapital für ihren Ruhestand anzusparen“, warnt Gross. „Angesehene Ökonomen wie etwa Kenneth Rogoff und Carmen Rheinhart nennen das eine finanzielle Repression.“
Wie lange geht dieses Spiel noch weiter? Gross zufolge jedenfalls nicht ewig „Jeder Spieler weiß, dass es keinen ewigen Zufluss von Martingale-Chips gibt - auch dann nicht, wenn die Notenbanken als Einheit agieren. Timing ist daher ein entscheidender Faktor“, glaubt der Anlagestratege. Nach seiner Einschätzung wird irgendwann die negative Rückkopplung aus der Realwirtschaft kommen und das wird den Anstieg der Aktien- und Anleihekurse stoppen. „Dann werden sich viele Investoren wundern, wie weit es nach unten gehen kann“, glaubt Gross. „Wann genau dieser Zeitpunkt kommen wird? Ich weiß es nicht. Aber die Zeit bis dahin ist ähnlich relativ wie bei Lichtgeschwindigkeit: Je schneller und öfter die Notenbanker auf den Knopf ihrer Notenpresse drücken, desto größer wird das Risiko für die Besitzer von Finanztiteln.“
Für das kommende Jahr empfiehlt Gross daher den Anlegern, die Risiken in ihren Portfolios zurückzufahren. Bonitätsrisiken bei Anleihen sollten sie ebenso reduzieren wie ihren Aktienanteil. Zudem rät er, stärker auf die Ertragsseite eines Investments zu achten. „Auch in Martingale-Casinos können die Lichter ausgehen“, weiß Gross. „Ihnen gehen zwar vielleicht nicht die Chips aus, aber so wie in Atlantik City machen sich die Spieler irgendwann einfach auf den Weg nach Hause und schließen die Tür hinter sich zu.“
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