Kommentar
06:51 Uhr, 18.08.2016

Die mediale Vernichtung des Donald Trump

Dass Donald Trump in letzter Zeit zunehmend Gegenwind bekommt ist untertrieben, die Medien führen einen offenen Vernichtungskrieg gegen den Politik-Quereinsteiger und halten es dabei mittlerweile sogar für überflüssig, die Fassade des unabhängigen Journalismus zu bemühen.

Ezra Klein (via Vox):

„The media has turned on Trump. He still gets wall-to-wall coverage, but that coverage is overwhelmingly negative. Increasingly, the press doesn’t even pretend to treat Trump like a normal candidate: CNN’s chyrons fact-check him in real time; the Washington Post reacted to being banned from Trump with a shrug; BuzzFeed News published a memo telling reporters it was fine to call Trump "a mendacious racist" on social media; the New York Times published a viral video in which it simply quoted the most vile statements it heard from Trump’s supporters. This is not normal...he really is getting different, harsher treatment than any candidate in memory.

Die Presselandschaft ist tendenziell zwar liberal (weniger als 10 % aller Journalisten bezeichnen sich als Republikaner), aber das war sie schon immer, denn die Newsrooms in den großen Städten wie New York, Washington oder Los Angeles sind Abbild einer offenen, pluralistischen und diversen Gesellschaft, die kaum mehr Berührungspunkte mit traditionellen Werten hat. Kein Grund zur Aufregung.

Dennoch hat auch eine systematisch befangene Presse Interesse an einer grundsätzlich unabhängigen Berichterstattung, denn sie ist aus verschiedenen Gründen längst nicht mehr in der Lage, sich selbständig ein Bild zu machen oder investigativen Journalismus zu betreiben, sondern ist (abgesehen von gelegentlichen Leaks) fast ausschließlich auf den guten Willen der Politik angewiesen, von der sie häppchenweise über Pressekonferenzen oder Interviews mit Informationen versorgt wird.

Wer sich also bisher den Zugang zu beiden Seiten des Spektrums nicht verbauen wollte, musste sich darum stets um eine faire und sachliche Berichterstattung bemühen. So lauteten zumindest die Spielregeln, bevor das Phänomen Trump die USA überrollte und der Journaille im Zuge des Tumults jegliche Sachlichkeit abhanden kam.

Nun mag es einerseits zwar verständlich sein, dass die Presse sich im laufenden Wahlkampf immer stärker genötigt sieht, ihre Standards zugunsten erzieherischer Maßnahmen über Bord zu werfen um die Zivilisation vor der Wildcard Trump zu bewahren, andererseits stellt sich die Frage, warum sie dabei ihre Fähigkeit zur langfristig objektiven Berichterstattung – und damit ihr Geschäftsmodell - riskiert.

Bis 2016 war es allgemein Sitte, die Presse per Liebesentzug zu züchtigen, wenn die Kritik an der eigenen Partei zu eskalieren drohte. Ging beispielsweise die New York Times zu streng mit dem fiktiven republikanischen Senator A ins Gericht, wurde ihr im Gegenzug vom republikanischen Repräsentant B eben das Interview verweigert. Diese korrektive Mechanik funktionierte relativ gut und es herrschte ein oft harter aber dennoch respektvoller Umgang untereinander.

Diese Spielregeln haben sich grundlegend verändert.

Nachdem beispielsweise Ezra Klein, einer der brilliantesten und mächtigsten Journalisten in den USA, im Februar eine vernichtende Polemik über Donald Trump publizierte, war er laut eigenen Angaben nicht wenig überrascht, dass er anstatt feindlichem Feuer freundliche Telefonanrufe von republikanischer Seite empfing und die Anrufer ihrer verschämte Freude über die negative Berichterstattung freien Lauf ließen.

Diese Anekdote ist kein Einzelfall und es ist zu beobachten, dass die Republikanische Partei es zunehmend aufgibt ihren ungeliebten Kandidaten öffentlich zu verteidigen und der gegnerischen Presse damit die implizite Erlaubnis zur Narrenfreiheit erteilt hat.

Während etablierte Republikaner sich zwar noch mehrheitlich hinter „den Nominierten“ (wie er bevorzugt genannt wird um bestmöglich zu distanzieren) stellen, wirkt die Gymnastik von Politikern, die um ihren Sitz im Kongress kämpfen müssen, zunehmend grotesk:

Dave Reichert drückt zwar beispielsweise vollmundig seine Verachtung für Trump aus („I have a family I have raised on certain principles.“), will aber auf genauere Nachfrage dann doch nicht ausschließen, dass der Milliardär seine Stimme erhalten könnte („I never said I wouldn’t vote for him.“).

Die Parteiältesten entziehen sich sowieso jedem Kommentar zu dem Spektakel, beziehungsweise lassen ihre Ehefrauen (zum Beispiel Barbara Bush) von der Leine, um gegen den Emporkömmling zu hetzen.

Persönlich sehe ich in der informellen Allianz zwischen Medien und republikanischem Establishment zwei Gefahren:

Die kleinere: Wer keine eigene Linie findet und sich nicht uneingeschränkt hinter seinen Kandidaten stellen kann, riskiert seine Existenzberechtigung. Im Falle einer Niederlage wird der Partei die Basis entschwinden und im umgekehrten Szenario wird Trump sich rächen. Die Phalanx der Demokraten macht auf der anderen Seite vor, wie man sich schützend vor einen problematischen Parteifreund stellt. Chapeau!

Die größere: Während mir es relativ egal ist, ob die Republikaner sich langfristig selbst marginalisieren, kann ich nicht gleichgültig bleiben gegenüber dem sich bereits im Gang befindenden Glaubwürdigkeitsverlust der „Mainstreampresse“. Selbst wenn die Medien nach erfolgreicher Abwehr von Donald Trump als mächtigstem Mann der Welt wieder zu den alten Spielregeln der Sachlichkeit zurückfinden sollten – wer glaubt ihnen dann noch?

Während der Wahlkampf trotz Vorteil Hillary weiterhin recht offen ist, bin ich mir fast sicher, dass die publikative Garde der größte Verlierer dieses Zirkus sein wird, und ich gehöre nicht zu der Fraktion, die darin einen Grund für Jubel sieht.

Unser Zeitalter eilt in Riesenschritten einem Informationsweltkrieg entgegen, in welchem dunkle Akteure per Hacks, Leaks und Social Media-Infiltration den Informationsfluss steuern, und wir können es uns deshalb schlichtweg nicht leisten, wenn die vierte Gewalt mangels Glaubwürdigkeit vollkommen zusammenklappt und den Rattenfängern das Vakuum überlässt. Der Ausblick wäre regelrecht düster.

Simon Hauser - direkt aus den USA!

Wenn Sie sich für Makrothemen mit Fokus USA interessieren sind Sie bei mir genau richtig. Ich lebe in den Vereinigten Staaten und beobachte dort sehr genau die Börsen-Szene.
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5 Kommentare

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  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Nun, die Strategie ist doch simpel. Wenn Du gewinnen willst, muss sich dein Gegenüber nur so verhalten wie die meisten Menschen es nicht für richtig halten. Wen wählen sie dann? Na... ......?

    23:09 Uhr, 18.08.2016
  • P_44
    P_44

    Da stellt sich mir doch sofort die Frage: WER hatte diese Idee, dass Trump für den Wahlkampf "kandidieren" soll. Wie viel bekommt er dafür? Und wovon soll seine Show ablenken?

    08:18 Uhr, 18.08.2016
  • es-jay
    es-jay

    >> kann ich nicht gleichgültig bleiben gegenüber dem sich bereits im Gang befindenden Glaubwürdigkeitsverlust der „Mainstreampresse“.

    Na, das haben wir doch in Deutschland schon lange. Staatsfernsehen in Nordkorea ist auch nicht unabhängiger bzw. neutraler.

    07:59 Uhr, 18.08.2016

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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