Kommentar
09:24 Uhr, 02.05.2013

Die große Verlust-Falle

Börsenhandel sieht so einfach aus. Um uns herum wimmelt es nur so von Tipps und Ratschlägen. Täglich geben uns zahlreiche Analysten, Redakteure, Gurus - und die, die es sein wollen, Informationen darüber, in welche Richtung sich die Märkte und Aktien entwickeln werden. Und jeder von ihnen hat gute Beweise für seine Annahmen. In Börsenzeitschriften scheint es nur Gewinneraktien zu geben. Und auch die Werbung lässt uns so oft wie möglich, wissen wo wir jetzt unbedingt dabei sein sollten: Holz, Windkraft, Gold...

Es ist zum Verzweifeln: Ob Börsen-Zeitschriften, -Foren, -Websites, oder –Briefe: alle scheinen die Antwort auf die Frage „Wohin geht der Markt“ zu kennen - nur der Laie weiß es nicht und entscheidet sich allzu oft für die einfachste Methode – er rennt unüberlegt einfach mit den anderen mit. Hauptsache man verpasst keine Chance, ist dabei, wenn die Gewinne nur so sprudeln. Das Unglaubliche aber ist - der Laie ist der Einzige, der Recht hat, es aber nicht weiß!

Denn keiner hat eine Ahnung davon, wohin die nächste Bewegung einer Aktie oder Indizes gehen wird. Und genau das können die meisten nicht glauben, deswegen vertrauen sie lieber den „Profis“!

Super Trader müsste man sein.

Es scheint fast so, als würden einige glauben, man müsse sich nur lange genug mit den Märkten beschäftigt haben, und dann hat man die Antwort auf die Frage, was die nächste Kursrakete an der Börse sein wird. Das ist natürlich Unsinn. Ein gut ausgebildeter Trader kann gewisse Vorteile im Kurverlauf erarbeiten. Aber auch die sind nur Wahrscheinlichkeiten, keine Garantien. Wer eine Garantie möchte, der soll sich einen Toaster kaufen. An der Börse gibt es keine Garantie, sondern nur einen Haufen Unsicherheit.

Für Verwirrung kann auch so manche Fachpublikation sorgen, die wieder irgendeinen „Super-Trader“ mit seinem perfekten System vorstellt. Nach dem Lesen eines solchen Artikels kann man leicht in Versuchung kommen sich zu fragen, ob das eigene Handelssystem eigentlich noch eine Daseinsberechtigung hat. Vor allem, wenn es mit dem eigenen System nicht so klappt. Je einfacher die Beschreibungen eines Regelwerkes, desto größer ist Bereitschaft, es nachhandeln zu wollen. Besonders, wenn die Trefferquote hoch ist. Ganz nach dem Prinzip: Hauptsache, man lag mit seiner Entscheidung richtig! Dann kommt der Gedankenzirkus voll in Fahrt: „Immerhin hat der Super-Trader mit seinem Scalp-System im 1 Min-Chart eine Trefferquote von 80%! Vielleicht ist Swing-Trading doch nix für mich - viel zu lahm! Außerdem sollte ich noch ein paar Indikatoren dazu nehmen. Der sagt ja auch - ohne Relative Stärke, Gleitende-Durchschnitte und Volumen - geht gar nix! Und warum handle ich eigentlich Aktien? - im Devisenhandel spielt ja wohl die Musik! Hinter jeder Candle lauert der große Erfolg, aber leider ohne mich – ich glaube, ich habe bisher eine Menge falsch gemacht. Aber mit diesem System werde ich zum Gewinner!“.

Genau das ist oftmals der direkte Weg in die Hoffnungslosigkeit. Warum? Weil das erfolgreiche System eines anderen nicht auch Ihr Erfolgssystem sein muss. Mein Maßanzug muss Ihnen nicht passen!

Und ob der beschriebene Trader mit seiner 80%-Trefferquote eine gute Rendite erwirtschaftet, ist dann noch eine andere Frage.

Unsere Fremdsteuerung macht es uns so schwer.

Einer der Gründe, weshalb wir so anfällig für solche Fremdeinwirkungen sind ist der, dass wir in der Regel fremd gesteuert aufwachsen. Ob Eltern, Geschwister, in Kitas, Schule, Ausbildung, Job - überall erfahren wir, das andere es besser wissen als wir: Wir folgen den Wissenden! Oder denen, die wir dafür halten. Wir sind expertengläubig. Je weniger wir gelernt haben, unserem eigenen Können und Wissen zu trauen und zu folgen, desto anfälliger werden wir für die Meinungen anderer.

In der Finanzwissenschaft findet sich eine weitere Erklärung dafür. Menschen richten sich unbewusst nach dem aus, was sie sich wünschen oder glauben - positiv wie negativ.

Ein Beispiel dazu am Dax:

Ein Trader sieht, wie der Dax von einem Hoch zum nächsten klettert. Leider konnte der Händler bisher davon kaum profitieren. Ärgerlich! Seine Wut lässt bereits unbewusst ein Bedürfnis entstehen. Zum Beispiel „Alle verdienen Geld im Dax, ich will auch Geld mit dem steigenden Dax verdienen“. Nun schaut er, wie er das schaffen könnte. Es schleicht sich der Gedanke ein „Nun ist der Dax schon so enorm gestiegen - der MUSS ja mal korrigieren.“ Und setzt auf fallende Kurse. Unbewusst möchte er gerne billiger in den Markt kommen um noch von der bereits geschehenen Aufwärtsbewegung nachträglich zu profitieren. Die Absicht des Traders ist, Gewinne nachzuholen. Er will sich ja nicht als Verlierer fühlen. „Das kann doch nicht angehen - alle machen mit dem Dax-Bullen Gewinne, bloß ich nicht!“

Der Trader hat nun seine Überzeugung - „Der Dax muss korrigieren!“. Denn das ist es, was er will. Nun liest er alle möglichen Publikationen. Er sucht nach der Erklärung, warum er mit seiner Meinung - „Der Markt muss korrigieren!“ Recht hat.

Sein Unbewusstes unterstützt ihn dabei die richtigen Artikel für seine Überzeugung zu finden, indem es ihn auf diese Artikel lenkt. Je mehr „Beweise“ er für seine Meinung findet, desto überzeugter wird er werden. Je höher der Dax dann noch steigen wird, desto mehr wird er zudem bereit sein, weitere Short-Positionen zu kaufen. Auch um seine bereits entstandenen Verluste zu reduzieren.

Oft endet es so, dass der Dax dann weiter steigt. „Obwohl das ja gar nicht möglich war!“. Und der überzeugte Trader eine Menge Geld verloren hat. Schließlich hatte er doch gute Beweise für seine Entscheidungen. Ja, aber eben nicht die richtigen. Und die richtigen Entscheidungen haben beim Traden in der Regel wenig damit zutun, welche sinnvollen Beweise man findet, dass der Dax (oder was auch immer) jetzt in eine bestimmte Richtung gehen wird. Kann sein – muss es aber nicht. Das Prinzip der Vorhersage funktioniert in unserem Alltag in zahlreichen Situationen perfekt. Nur bei der Börse sollten wir dieses Verhalten lieber lassen. Denn meist geht es schief. Und nur, weil es manchmal gut geht, ist es noch lange keine profitable Handelsstrategie!

Deshalb sollten Sie immer mehr lernen sich unabhängig zu machen, von Ihren unlogischen Gedanken und von den Gedanken anderer. Traden Sie, was SIE sehen, weil es zu Ihrem Handelssystem passt. Und nicht, weil es andere analysiert haben. Wenn Sie sich an Ihr System halten, dann kann es Ihnen egal sein, ob der Dax bis zum Mond schießt oder der Dax-Chart bald wie eine abgestürzte Rakete in den Boden rammt!

Von Fehlern anderer kann man nicht lernen.

Vor allem von den eigenen Fehlern können wir lernen. Es muss nicht verkehrt sein, dem System eines anderen zu folgen. Wichtig ist aber, dass man seine eigenen Analysen dazu erstellt, und nicht von einem zum nächsten Regelwerk wechselt, ohne zu wissen warum man das tut! Das wäre so, als würde man eine Kartoffelsuppe, eine Erbsensuppe und eine Bohnensuppe zur selben Zeit in einem Topf kochen wollen. Da kann nichts Sinnvolles bei rauskommen.

Schauen Sie, dass Sie sich nicht ständig ablenken lassen von den unzähligen Vorschlägen anderer. Das ist nicht leicht, da wir in einer Gesellschaft leben, in der ständig irgendwer für irgendetwas unsere Aufmerksamkeit von uns will. Aber Sie dürfen sich auch die Frage stellen, weshalb Sie sich mehr mit dem Trading eines anderen beschäftigen, als mit Ihrem eigenen? Die Chance liegt in der Fokussierung: „Weniger ist mehr“. Dafür braucht es die Selbstverantwortung und den Willen.

Ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt liest vermutlich auch nicht ständig Artikel über orthopädische Knieoperationen oder wie man ein Herz richtig verpflanzt. Er wird wohl sein Fachwissen auf seinem Gebiet vertiefen. Was hält Sie eigentlich davon ab, es genauso zu tun? Finden sie es heraus!

Ob einer mit Gleitenden-Durchschnitten bei seinem System Erfolg hat kann Ihnen doch egal sein. Wichtig ist - hätte Ihr System einen Vorteil dadurch? Übertragen auf die Kochszene von oben bedeutet das: wenn der eine Koch (Trader) sagt, das er seine Suppe immer mit reichlich Pfeffer und Salz kocht, weil sie nur dann ein Riesenerfolg wird, dann hilft Ihnen das gar nichts, wenn Ihre Kochkunst Süßspeisen sind!

Sich ständig nach den Anderen zu richten und deren Systeme handeln zu wollen ist all zu oft die Falle für Verluste. Sein System zu finden und es zu vertiefen ist der Schlüssel zum Erfolg. Jeden Tag ein Stückchen mehr. Weitere hilfreiche Informationen dazu finden Sie auch in meinem Buch:

http://www.m-vg.de/finanzbuchverlag/shop/article/2970-tradingpsychologie-so-denken-und-handeln-die-profis/

Norman Welz

Angewandte Tradingpsychologie

www.bettermind.de

www.godmode-Training.de

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Über den Experten

Norman Welz
Norman Welz
Experte für angewandte Tradingpsychologie

Norman Welz arbeitete 20 Jahre lang als Redakteur und Moderator für Rundfunk und Fernsehen. Die meiste Zeit war er beim NDR in Hamburg tätig. Hier moderierte er ca. 3000 Livesendungen im Bereich Unterhaltung und Talk.

Seine große Leidenschaft war immer der Mensch und die Börse. Zahlreiche Studien zum Thema „Sinn des Lebens“, „Neurowissenschaft“, „Erfolgs- und Motivationspsychologie“, „NLP“, „Hypnotherapie“ und zahlreiche Coachingverfahren mündeten in eine Privatpraxis für Psychotherapie in Hamburg.

Schwerpunkt seiner Arbeit sind Ängste. Er arbeitete diesbezüglich als Fachtherapeut in einem Fachinstitut für Angstüberwindung und Leistungsoptimierung. Hier wurden Angstpatienten ebenso betreut wie Leistungssportler auf dem Weg zur Weltmeisterschaft oder zum Olympiasieg.

Norman Welz beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem Thema Börse. Was einst mit dem Kauf von VW-Aktien begann, mündete in eine Ausbildung zum Börsenhändler bei einem professionellen Futuretrader. Heute handelt er täglich selbst nach Markttechnik mit Hilfe von Technischer Analyse im Kurzfristbereich (1 Min. und 5 Min.). Seine Basiswerte sind Dax, EUR/USD, Dow, Öl, Bund, EuroStoxx sowie diverse Einzelwerte aus dem Aktienbereich.

Norman Welz arbeitet heute neben seiner Privatpraxis für Psychotherapie als Tradingpsychologe, Coach, Trainer und Vortragsredner. 2007 gründete er das bettermind-Institut für mentalen Erfolg (bettermind.de).

Sein Trading-Motto lautet: „Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht!“

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