Kommentar
07:19 Uhr, 09.07.2014

Der Repomarkt: Die Infrastruktur des Finanzsystems am Anschlag?

Seit einigen Tagen kursiert in der englischsprachigen Blogosphere ein bedrohlich wirkender Chart, der darstellt, wie seit Juni Repo-Geschäfte zwischen Dealer-Banken und ihren Gegenparteien immer öfter scheitern, weil die Papiere nicht geliefert werden können

Was hat es damit auf sich? Muss man sich als Anleger überhaupt Sorgen wegen solcher Spitzfindigkeiten machen? Man sollte, meine ich, und erkläre im Folgenden auch warum.

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Der Repomarkt

Am Aktienmarkt werden auf ehrliche Art und Weise Sachwerte gehandelt, am Bondmarkt dagegen Verzinsliches. Bei oberflächiger Betrachtung könnte man meinen, dass es sich dabei um zwei ganz unterschiedliche Segmente handelt, die nicht unbedingt viel miteinander zu schaffen haben, aber dem ist nicht so. Beide Bereiche sind nämlich über den Repomarkt, dem Fundament unseres Finanzsystems, auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden.

Aktienmärkte neigen zu Übertreibungen, und der Dow Jones steht da wo er momentan steht vor allem deshalb, weil er gehebelt ist. Diese Hebelung erfolgt in ihrer grundlegensten Form über den Repomarkt mit Hilfe von „High Quality Liquid Assets“ (HQLAs), vornehmlich amerikanischen Staatsanleihen.

Am bilateralen Markt für Rückkaufvereinbarungen überlassen Hedgefonds ihre HQLAs kurzfristig den Dealer-Banken, und bekommen im Gegenzug Cash für den Kauf von anderen Wertpapieren, zum Beispiel Aktien zur Verfügung gestellt.

Diese Sicherheiten werden von den Dealer-Banken wiederum im sogenannten tri-party Markt an Money Market Funds (MMFs), Geldmarktfonds weitergereicht. Tri-party deshalb, weil hier kein direkter Austausch zwischen den Parteien stattfindet, sondern Clearingbanken zwischengeschaltet sind.

Grafik 2 stellt in stark vereinfachter Form den Repomarkt schematisch dar.

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Die Größe des Marktes ist schwer zu schätzen, aber der bilaterale Mart dürfte ein Volumen von ungefähr 2-3 Billionen US-Dollar haben, der tri-party Markt von rund 2 Billionen US-Dollar.

Eindeutig attestieren kann man hingegen, dass seine Wichtigkeit für alle Bereiche des Finanzsystems nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Der Repomarkt ist das Herz des Finanzsystems, welches das Lebensblut (HQLAs) in alle Glieder und nicht zuletzt den Aktienmarkt pumpt. Rhythmusstörungen können, wie die Finanzkrise bewiesen hat, schwere Erschütterungen erzeugen und im Extremfall dem gesamten System den Stecker ziehen. Was hier vor sich geht, ist also im Interesse aller Marktteilnehmer.

QE und der Repomarkt

QE hat die Funktionsweise des Marktes nachhaltig beeinflusst, um nicht zu sagen beschädigt, weil durch das Programm wertvolle Sicherheiten in Überschussreserven umgewandelt wurden. Hinzu kommt, dass das US-Schatzamt damit begonnen hat, die Versorgung mit HQLAs drastisch zu reduzieren.

Beide Faktoren haben dazu geführt, dass in jüngster Zeit die Fälle zunehmen, in welchem die Rückkaufgeschäfte nicht ordnungsgemäß abgeschlossen werden können, weil die entsprechenden Papiere von Dealer-Banken kurzfristig immer öfter nicht aufzutreiben sind.

Das Volumen der gescheiterten Vereinbarungen lag zwar in der Finanzkrise um den Faktor 10-20 höher, aber es ist zweifelsfrei zu erkennen, dass der Stress (trotz niedriger Vola) zunimmt.

RRP – QE rückwärts

Im letzten September hat die Fed nun weitgehend frei von öffentlicher Aufmerksamkeit ein Programm eingeführt, mit dessen Hilfe sie HQLAs in den Markt zurückschleust - das sogenannte Reverse Repo Program (RRP).

Für einen Zinssatz von 0,05 % können sich Teilnehmer im tri-party Repomarkt jetzt Anleihen beschaffen und kommen damit im Austausch für Liquidität wieder an wertvolle Sicherheiten.

In gewisser Weise stellt dieser Vorgang das Gegenteil von QE dar, da über diese Deals Überschussreserven in HQLAs zurückgetauscht werden.

Einschränkend gilt, dass diese Papiere nicht frei durch das Finanzsystem zirkulieren dürfen, sondern im tri-party Markt gefangen bleiben und daher nur wenig Geschwindigkeit haben. Beispielsweise sind Re-Hypothekisierungen nicht möglich, und auch der Zugang zu den Derivatmärkten bleibt ihnen versperrt, weshalb der 1:1-Vergleich mit regulären hochwertigen Sicherheiten problematisch ist.

Alles in allem also ein ganz nützliche Vehikel diese RRPs, aber möglicherweise mit wenig Munition (sprich mit wenig Auswahl an den begehrten Sicherheiten), wie Barclays vermutet:

„Delivery fails in the Treasury market have surged recently...By contrast, usage of the Fed’s securities lending program has been relatively constant at around $15bn/day...In effect, the securities lending program is a backstop source of specific issue supply that dealers can access temporarily to prevent market disruptions caused by fails or incomplete deliveries. But what if the Fed does not own any of the issues that dealers need? Indeed, this appears to be driving the surge in recent fails, which have been concentrated in the OTR 5s and 10s. Operation Twist and the sale of all the Fed’s <3y paper has meant that the Fed does not own any securities that mature until early 2016.“

Fazit

Im Finanzsystem herrscht trotz den RRPs ein zunehmender Mangel an hochqualitativen und liquiden Sicherheiten, ausgelöst durch eine Flucht der Investoren in US-Anleihen, einem sinkenden Angebot an Neuemissionen, regulatorischen Vorschriften für Banken und nicht zuletzt Quantitative Easing.

Ich halte nun die Entwicklung bei den „gescheiterten“ Repos deshalb für bedenklich, weil sich die Märkte noch in ruhigem Fahrwasser befinden, und solche Unregelmäßigkeiten eigentlich nicht auftreten dürften.

Sollte diese relative Ruhe nämlich irgendwann in Finanzmarktstress umschlagen, könnte laut Berechnungen des US-Schatzamtes die Nachfrage nach „Safe Assets“ auf über 10 Billionen US-Dollar ansteigen.

QE wäre in diesem Fall möglicherweise keine Waffe mehr, da weitere Ankäufe die Problematik der fehlenden Sicherheiten nur weiter eskalieren würden.

Welches Ass hätte die Fed in diesem Falle dann eigentlich noch in der Tasche? Food for thought.

4 Kommentare

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  • Simon Hauser
    Simon Hauser Redakteur

    Hallo student. Ja Infrastrukturmaßnahmen hören sich fantastisch an, und ich frage mich selber warum nicht mehr in diese Richtung getan wird. Ich schätze ein Grund ist mitunter, dass es einfach nicht "sexy" für Politiker ist. Der Bau von z.B. Straßen ist kapitalintensiv, schafft wenig Arbeitsplätze und kommt erst in vielen vieln Jahren zum Tragen - für einen auf die Arbeitslosenrate und die Wiederwahl fokusierten Politiker viel zu lange. Zudem würde eine Verlagerung der Ausgaben in Richtung Infrastruktur wohl von der Bevölkerung nicht mitgetragen werden, da man lieber soziale Wohltaten in Empfang nimmt. Ganz abgesehen davon endet nicht nur in Deutschland regelmäßig jedes Großprojekt in einem Desaster..Hört sich alles gut an, ist wohl nur schwer durchzusetzen.

    15:20 Uhr, 09.07.2014
    1 Antwort anzeigen
  • student
    student

    Die FED und die amerikanische Regierung könnten dafür sorgen, dass Kapital in produktive Bereiche gelenkt wird.

    Die Finanzierung erfolgt über die Ausgabe von US-Staatsanleihen.

    Was könnte man nicht alles damit finanzieren?

    - Erneuerung der maroden Infrastruktur: eine moderne Wirtschaft braucht gute Straßen, Eisenbahnen, Wasserstraßen, Flughäfen, Häfen

    - dazu qualifizierte Arbeiter, um qualitativ hochwertige Produkte in alle Welt im Austausch für gutes Geld zu verkaufen. Dazu ist ein großangelegtes Investitionsprogramm für Schulen und Universitäten, für berufliche Weiterbildung und Abendschulen jeden Cent wert.

    - eine starke Nation kann nur stark bleiben, wenn die Versorgung der Kranken, Rentner und Arbeitslosen gewährleistet ist. Dies ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für eine gute wirtschaftliche Entwicklung und einer aktiven Bevölkerungsentwicklung.

    Das alles und noch viel mehr . . . würd ich machen . . .

    11:42 Uhr, 09.07.2014

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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