Kommentar
21:31 Uhr, 24.06.2016

Der Brexit ist notwendig und alternativlos…

Ein „Weiter so“ kann es nach dem Urteil der Bürger Großbritanniens nicht geben. Und das ist auch gut so.

Das Bundesverfassungsgericht ist in dieser Woche eingeknickt und hat die verdeckte Staatsfinanzierung der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgewunken: Im Ernstfall darf die EZB mit deutscher Beteiligung Euro-Krisenstaaten durch Käufe von Staatsanleihen vor der Pleite bewahren. Ihre Kompetenzen überschreite sie damit nicht. Das jedenfalls sagen die Verfassungsrichter. Der gesunde Menschenverstand sagt etwas anderes.

Tatsache ist: Mit ihrem Urteil, und dieser Punkt ist wesentlich, haben sich die Karlsruher Richter vollumfänglich der Lesart des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2015 angeschlossen.

Das durchaus als historisch einzustufende Ereignis ist im medialen Spektakel um die Brexit-Entscheidung in dieser Woche völlig untergegangen, dabei zeigt es den wahren Zustand Europas: Wenn selbst die obersten Verfassungshüter der größten europäischen Wirtschaftsnation ganz offensichtlich zu einem Spielball politischer Interessen geworden sind, muss man sich da noch darüber wundern, dass viele Briten diesem Treiben nicht mehr länger zusehen wollen?

Wobei man sich durchaus fragen kann, warum es im Vorfeld der Entscheidung vom Donnerstag so „wenige“ Befürworter eines Brexit gegeben hatte. Nun haben die EU-Skeptiker zwar das Rennen gemacht und mit einer knappen Mehrheit für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union gestimmt. Der Rest aber, mithin fast die Hälfte der Bevölkerung des Inselreichs, findet offenbar nichts dabei, wenn eine größtenteils demokratisch nicht legitimierte Brüsseler Technokratenelite eine Politik sozialistisch angehauchter Gleichmacherei verfolgt. Eine Politik, die Demokratieabbau, Gängelung und Entfremdung zu ihrer Maxime erhoben hat.

Soweit ich mich erinnern kann, wird Wohlstand von Unternehmen geschaffen, und nicht vom Staat und seinen Zentralbanken. All die berufenen Stimmen, die zuletzt mit veritablen Katastrophenszenarien für den Fall eines Ausscheidens der Briten aus der EU Panik geschürt hatten, in erster Linie Medien, Politik und Zentralbankbürokraten, werden daher schon bald ein noch massiveres Glaubwürdigkeitsproben haben, als ohnehin schon. Dann nämlich, wenn der prognostizierte Weltuntergang ausbleiben wird.

Der Sache dürfte das nicht schaden, denn sobald deutlich wird, dass es im Kern der Brexit-Debatte nicht um einen Konflikt der älteren Generation gegen „die Jungen“ geht, auch nicht um „weltoffene Stadtbewohner gegen einfältige Landpomeranzen“ oder gar um „Gebildete gegen geistige Tiefflieger“, sondern dass hier sehr viel tiefer liegende Probleme eine Rolle spielen, kann der „Brexit-Schock“ vom Donnerstag eine heilsame Wirkung entfalten.

Vielleicht bietet sich jetzt die letzte Gelegenheit, durch tiefgreifende Reformen den Verfall der Wirtschafts- und Währungsunion doch noch zu stoppen. Wird diese Chance vertan, was vor dem Hintergrund jahrelanger Erfahrungen mit den Institutionen der EU als realistische Option gelten kann, dann dürfte die Brexit-Entscheidung von dieser Woche als Startpunkt für jenes Ereignis in die Geschichtsbücher eingehen, das sich bereits seit langem abzeichnet.

Und weil viele Briten dieses Ereignis längst heraufziehen sehen, haben sie richtig entschieden.

Ein „Weiter so“ jedenfalls kann es nach dem Urteil der Bürger Großbritanniens nicht geben. Und das ist auch gut so.

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Weitere Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

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