Kommentar
13:08 Uhr, 04.02.2015

Deflation? Inflation? Verwirrspiel der US-Notenbank Fed

Die Fed will trotz den kollabierender Zinsen partout keine Signale senden, die zumindest auf eine Verschiebung der Zinserhöhung schließen lassen könnten, und zieht damit das Unverständnis von immer mehr Ökonomen auf sich.

Larry Summers beispielsweise warnt vor einer epochalen Deflationsspirale, sollte die Fed weiterhin bei ihrer Linie bleiben, und auch Paul Krugman's Blogbeiträge wirken täglich verzweifelter, während der respektierliche Fed-Experte Tim Duy zunehmend Schwierigkeiten hat die inkonsistente Linie der Fed rational zu verarbeiten.

Welche Vorwürfe werden der Fed gemacht?

Zentrales Argument aller kritischen Experten ist, dass das Mandat bezüglich der Preisstabilität mittlerweile seit Jahren haushoch verfehlt wird. Und um nur kein Missverständnis aufkommen zu lassen – hier geht es nicht um Rohöl-Einmaleffekte, sondern darum, dass die Inflation seit 2011 konstant enttäuscht, und das Ergebnis der bisherigen Geldpolitik daher mittlerweile als dramatische Verfehlung der gesteckten Ziele gedeutet werden muss

Nun könnte man sicherlich einwenden, dass die Arbeitslosenrate in den USA ja spektakulär gesunken ist, und deshalb ja wenigstens dieses Ziel des Dual-Mandats erfüllt wurde. Wirklich?

Die Fed will Vollbeschäftigung erreichen, so viel ist bekannt. Wie dieses Ziel definiert wird, aber eher weniger.

Ökonomen sehen am Arbeitsmarkt dann den Idealzustand erreicht, wenn sich die Erwerbslosenquote in ein inflationsstabiles Gleichgewicht (englisch NAIRU - non accelerating inflation rate of unemployment) einpendelt, wenn also die Zahl der Arbeitslosen soweit sinkt, dass die Inflation sich stabilisiert.

Derzeit ist von steigenden Gehältern, welche den Preisanstieg wieder in Richtung 2% befördern könnten, aber weit und breit nichts zu sehen, und deshalb muss laut Lehrbuch davon ausgegangen werden, dass die Vollbeschäftigung noch in weiter Ferne liegt. Es gilt also auch hier: Mandat verfehlt.

Kocherlakota to the rescue

Zum Glück hat sich nun aber gestern Narayana Kocherlakota, Präsident der Minneapolis-Fed zu Wort gemeldet, um mit einer Klartext-Rede Balsam auf die gemarterten Ökonomen-Seelen zu verteilen.

Wichtigster Punkt der Ausführungen: Die Frage der Vollbeschäftigung kann nur mit Blick auf das Mandat der Preisstabilität beantwortet werden. Heißt auf Deutsch so viel, dass die Wahrung von stabilen Preisen Priorität genießt, während die Komplettauslastung des Arbeitsmarktes (ganz im Sinne von NAIRU) höchstens Folge der Erfüllung dieses Mandats sein kann. Ohne Inflation von 2% keine Vollbeschäftigung, egal wie tief die nominelle Arbeitslosenrate.

Nun denn – wie schätzt Kocherlakota die Inflationsentwicklung ein?

Der Zentralbankpräsident stellt richtigerweise fest, dass die Fed ihre Macht hauptsächlich über den Umstand bezieht, dass Investoren darauf vertrauen, dass die Inflationsrate von der Notenbank jederzeit im Zielbereich von 2% gehalten werden kann.

Sollte die Fed hier nicht in der Lage sein zu liefern (und das kann sie offensichtlich seit über 2 Jahren nicht!), dann verliert sie irgendwann ihre Glaubwürdigkeit und damit im schlimmsten Fall ihre Daseinsberechtigung.

Ganz interessanterweise verweist der Zentralbanker übrigens an dieser Stelle auf die 5Y5Y Swaps und die 5Y Breakeven-Rate, welche von drohendem Ungemach künden, aber vom FOMC derzeit konsequent ignoriert werden.

Der typischerweise sehr „dovishe“ Fed-Präsident liegt mit seiner Einschätzung der Lage also konsequent auf der Linie von mittlerweile der großen Mehrheit der Ökonomen und fordert den für das laufende Jahr geplanten Zinsschritt einzustampfen, sollte die Fed nicht jede Kredibilität verlieren wollen.

Wieso, weshalb, warum?

Wenn die Lage also wirklich so prekär ist, und das unmittelbare deflationäre Armageddon droht – warum in aller Welt will die New York Fed straffen, während ihre Zentralbank-Kollegen in Übersee in fast schon panischer Manier in die entgegengesetzte Richtung laufen ?

Erklärungsmöglichkeit 1) Die amerikanische Notenbank rechnet damit, dass selbst bei einer Zinserhöhung die Geldpolitik sehr locker bleiben wird. Dieses Argument ist durchaus stichhaltig, denn die Veränderung der Leitzinsen muss keine Auswirkungen auf den restlichen Zinskomplex haben.

Die Blase am Immobilienmarkt entstand beispielsweise ganz im Zeichen von schnell steigenden Zinsen, welche damals kaum Einfluss auf die Kreditvergabepraxis hatten. Im heutigen Umfeld kommt hinzu, dass schon jetzt die Aussicht auf eine baldige Zinserhöhung massiv Geld in den amerikanischen Treasury-Markt pumpt, und allein deshalb alle potentiellen Bemühungen der Zentralbank konterkariert würden.

Erklärungsmöglichkeit 2) Die Fed will Übertreibungen an den Märkten vorbeugen. Diese Begründung für einen Zinsschritt würde ich für eher abwegig halten, denn Janet Yellen hat in der Vergangenheit relativ klar gemacht, dass die Bekämpfung von „Bubbles“ Aufgabe der makroprudentiellen Maßnahmen und nicht der Geldpolitik ist .

Erklärungsmöglichkeit 3) Die US-Notenbank will sich über eine Zinserhöhung das nötige Pulver für die nächste Abwärtswelle im Kreditzyklus einsammeln. Diese Ansicht vertritt beispielsweise „Bond-King“ Jeff Gundlach. Möglich, aber dafür wäre es schon reichlich spät. Es macht meiner Meinung nach wenig Sinn sich auf ein Event vorzubereiten, dass man mit seinem Verhalten selbst riskiert auszulösen.

1,2 oder 3? Nun, vielleicht liegt der Hase ganz woanders im Pfeffer..

Die Federal Reserve hat es über ihre aggressive Geldpolitik in den vergangenen Jahren geschafft, das Blatt ganz zweifelsfrei zu Gunsten von Amerika zu wenden und eine großflächige Umverteilung zu Lasten der internationalen Merkantilisten einzuleiten. 7 Jahre nach der Finanzkrise steht damit der uneingeschränkte Gewinner fest, während die restliche Welt (vielleicht auch aufgrund der „egoistischen“ US-Geldpolitik) mehr oder weniger am Abgrund tanzt.

So dominierend die USA nun aber auch sind – sie können sich auf Dauer nicht von den deflationären Tendenzen außerhalb ihrer Grenzen abschotten, ohne Gefahr zu laufen selbst in den Strudel gerissen zu werden.

Möglicherweise erkennt die Fed ja diese momentan hauptsächlich von Europa ausgehende Gefahr, und hat entschieden, dass es an der Zeit ist, dem gebeutelten Kontinent (aus Eigennutz) etwas an Wettbewerbsfähigkeit zurückzuerstatten, und ihm über die Abwertung des Euro relativ zum Dollar die Gelegenheit zur Stabilisierung zu geben.

Ist diese Theorie stichhaltig und ist die Situation in Europa wirklich so dramatisch, dass die Fed sogar den S&P 500 (zeitweise) über die Klinge springen lassen würde, um ein drohendes Black Swan-Event zu vermeiden? Was meinen Sie?

1 Kommentar

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  • Investor
    Investor

    ​@Simon Hauser,

    sehr guter Artikel.

    Wenn ich einmal annehme , die Zinserhöhung wird nur ca 1% mittelfristig betragen, dann spilet diese ökonomisch keine wirkliche Rolle. Ich würde erst bei Zinsen ab 3% mit einem direkten wirtschaftlichen Einfluß rechnen.

    Was wären die Auswirkungen einer moderaten Zinserhöhung:

    - Heutige Anleger in treasuries werden aus langfristigen treasuries getrieben. Steigende Renditen = fallende Kurse. Ihnen bleibt nur die Alternative Aktienmarkt.

    - Höhere Zinsen wird den USD stärken.

    < Ein stärkerer USD sorgt für sinkende Rohstoffpreise und damit für sinkende Importpreise. Dies wird wirtschaftstimmulierend wirken und mehr Teilzeitbeschäftigte in Vollzeit bringen

    < Ein sich vergrößender Renditeunterschied zwischen USA und Europa/Japan wird die Banken stärker in US Bonds treiben. Nur bei Staatsanleihen muß die Bank diese nicht durch EK hinterlegen. Dies unterstützt die EZB und deren Ziele. Die freiwerdenden Gelder werden die US Banken dann wie bisher auch in Aktien investieren

    < Unternehmensgewinne ausserhalb der USA wird für US Firmen weniger interessant, da diese in USD sinken. Dies wird zu mehr Verlagerung von Produktion in die USA führen und damit die Zahl der Vollzeitbeschäftigten erhöhen. Die Initiative von Omama die Auslandsvermögen zu versteuern läuft in die gleiche Richtung. Dies entspricht auch der angekündigten US Politik sich mehr aus der internationalen Verantwortung zurückzuziehen

    < Durch die verlagerte US Industrie wird international mehr Raum für europ. Unternehmen geschaffen, die dies Lücke füllen.

    < Moderat steigende Zinsen wird den Repatriierungsprozess weiter unterstützen, da Unternehmen Gefahr zu spät auf einen Zinssteigerungszyklus auszuspringen

    Aus meiner Sicht macht dieses Szenario am meisten Sinn, da dies konistent mit den verschiedenen Ankündigungen der US Regierung, FED usw ist. J. Yellen hat auch des öfteren betont, daß die FED ein Problem in der sozialen Spaltung sieht, die im wesentlichen durch die Teilzeitjobs verursacht wurde.

    Wenn dieses Szenario stimmten sollte, dann rechne ich im März/April mit dem ersten Zinsschritt gekoppelt an den Start von QE in Europa.

    17:56 Uhr, 04.02.2015

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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