Kommentar
09:55 Uhr, 12.08.2015

China wertet weiter ab: Was nun?

China macht ernst. Den zweiten Tag in Folge wurde die maximal zulässige Handelsrange fast ausgeschöpft. Die Märkte reagieren prompt.

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Wieder geht es mit dem Yuan fast 2% bergab. Die Japanische Börse verliert relativ stark. In Europa zeigen die Futures ebenfalls eine Fortsetzung der Verkäufe an. China drängt die Märkte weltweit durch ihre Politik in die Korrektur. Was als Politik in Europa, Japan und den USA gefeiert wird, sorgt jetzt für Angst. Das ist vollkommen irrational, allerdings realisieren Anleger jetzt vielleicht, dass Abwertungen der Wirtschaft nicht mehr helfen, wenn es jeder versucht.

Die chinesische Währung hat innerhalb der letzten 12 Monate real 15% aufgewertet. Das liegt vor allem an der engen Kopplung an den Dollar, der seinerseits stark aufwertete. Ich vermute, dass die Notenbank und die Regierung in Peking die Aufwertung aufgrund der Dollarkopplung nun wieder rückgängig machen wollen. Insgesamt könnte der Yuan also 10 bis 15% abwerten.

Aus chinesischer Sicht ist die Aktion konsequent und "fair", nach dem Motto: es kann nicht sein, dass andere auf unsere Kosten abwerten. Letztlich gewinnt niemand, wenn alle abwerten. Die einzige Folge ist ein weiterer Rückgang des Welthandels und weiter deflatorische Tendenzen.

Den Teufel muss man deswegen noch nicht an die Wand malen, zumal die Notenbanken in den USA, Europa und Japan die Folgen der chinesischen Politik genau verfolgen werden und notfalls über Verbal- oder Realinterventionen reagieren werden. Bis die Lage überhaupt durchschaut wird bleibt es an den Märkten volatil. Als Freund von Volatilitätstrades freue ich mich auf einen Anstieg der Schwankungsbreite. Für Aktien bleiben die kommenden Tage oder Wochen schwierig. Man muss sich auf größere Verluste einstellen.

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Was hat China vor?

Vorgestern war Aufbruchsstimmung angesagt, gestern und heute das Gegenteil. Langweilig wird einem als Anleger da nicht. Eine der großen Notenbanken sorgt immer wieder für Bewegung. Dieses Mal war es die chinesische. Die Reaktion des Marktes auf die Entscheidung der chinesischen Notenbank den Yuan abwerten zu lassen muss man hinnehmen. Nachvollziehbar ist sie nicht, denn die chinesische Notenbank hat eigentlich nichts gemacht. Sie hat lediglich die Möglichkeiten ausgeschöpft, die der Markt schon seit Monaten kennt. Der Yuan steht in einem mehr oder weniger festen Wechselkursverhältnis zum US Dollar. Die Notenbank legt dabei jeden Tag einen Kurs fest, um den herum das Währungspaar in einer Tagesspanne von 2% schwanken darf. Eine größere Bewegung als 2% am Tag ist nicht gestattet. Heute kam es zu dieser 2% Bewegung. Damit wurde die Tagesrange erstmals komplett ausgeschöpft, seit sie auf 2% angehoben wurde. Die 2% Range gilt seit etwas über einem Jahr. Davor war sie enger und betrug 1%. Weltweit wird schon seit langem gefordert, dass China die Währung weniger managt und sie mehr den Marktkräften aussetzt. Genau das hat die Notenbank nun erlaubt. Die Welt ist darüber nun überrascht und reagiert mit teils panikartigen Verkäufen von Aktien. Das ist schon irritierend, zumal viele Händler seit Wochen auf eine Abwertung des Yuan spekulieren. In den vergangen Wochen stieg laut einem Wall Street Journal das Handelsvolumen mit Optionen um 40% an. Der Großteil der Anleger wettete dabei auf einen fallenden Yuan.

Vollkommen überraschend kommt der Schritt nicht, zumindest aber kann man sagen, dass viele Marktteilnehmer einen guten Riecher hatten. Das tägliche Handelsvolumen mit Optionen soll um die 10 Mrd. USD betragen haben. Das ist eine durchaus nennenswerte Größe.
Der Markt ist dennoch in Schock. Bis zu einem gewissen Grad ist das verständlich, da der Schritt der Notenbank auf alle möglichen Arten interpretiert werden kann. Will China seine Wirtschaft über eine schwächere Währung anschieben, dann schadet das dem Rest der Welt. Insbesondere kann es die Erholung in Europa gefährden. So gaben heute Exportwerte besonders stark nach.
Will China die Wirtschaft über die Währung anschieben und managen, dann muss man sich angesichts der jüngsten Turbulenzen auf dem Aktienmarkt fragen, ob das gut gehen kann. China versuchte den Aktienmarkt zu managen und stampfte täglich neue, vollkommen abstruse Regeln und Interventionen aus dem Boden. Wenn das nun mit der Währung ähnlich gehandhabt wird, dann darf man sich auf etwas gefasst machen.
Persönlich gehe ich nicht davon aus, dass China in den weltweiten Abwertungswettlauf einsteigt. Wertet der Yuan zu stark ab, dann kommt es zu einer beschleunigten Kapitalflucht. Das ist das Letzte, was China gebrauchen kann. Ebenso würde die chinesische Führung ihren selbst vorgegebenen Plan konterkarieren. Die Wirtschaft soll mehr konsumorientiert werden, um die Abhängigkeit vom Export zu reduzieren. Eine Abwertung der Währung steht dem entgegen.

China dürfte mit der Aktion vielmehr klar machen wollen, dass sie es mit den Reformen ernst meinen. Der Internationale Währungsfonds fordert eine freiere Währung seit langem. Ohne weitere Schritte der Liberalisierung wird der Yuan niemals den Status einer Reservewährung erhalten. Jetzt ist für China die letzte Chance zu beweisen, dass die Währung Reservestatus verdient hat. Andernfalls muss die Regierung mindestens ein weiteres Jahr darauf warten. Gleichzeitig ist eine Abwertung um 2% nicht ausreichend, um die Exporte anzuschieben. Um es überspitzt zu formulieren: ob das T-Shirt in der Produktion nun 3 Euro oder nur 2,94 Euro kostet, ist unerheblich. 2% Auf- oder Abwertung sind normalerweise nicht der Rede wert. Der EUR/Dollarkurs schwankte in den vergangenen Monaten an mehreren Tagen in gleicher Größenordnung.


Generell werden diese zwei Prozent viel zu dramatisch dargestellt. Grafik 1 zeigt den Kursverlauf von USD/CNY seit 1981. Die rote Linie stellt den heutigen Kurs dar. Von einer dramatischen Abwertung kann man da kaum sprechen, wenn man die Kursbewegung global betrachtet. Der Markt tut das nicht. Er beurteilt die Bewegung anhand der Schwankungsbreite der letzten Jahre – und die war äußerst gering.

Grafik 2 zeigt die größten Tagesbewegungen von USD/CNY seit 1981. Heutige Bewegung schafft es unter die Top 7 Tagesbewegungen von insgesamt 9.000 Handelstagen. Nimmt man das als Maßstab her, dann ist heute wirklich etwas Großes geschehen. Sieht man es mehr im Kontext der Liberalisierung, dann ist eine Bewegung von 2% immer noch wenig. Selbst die größten und liquidesten Märkte zeigen häufig größere Ausschläge. Letztlich kann man von China nicht fordern alles zu liberalisieren und dann vollkommen überrascht und geschockt sein, wenn es passiert.

Und was hat China nun vor? - Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass China hier einen großen Masterplan geschmiedet hat. China geht einfach seinen seit über zwei Jahren angekündigten Weg einer langsamen Liberalisierung der Währung. Natürlich profitiert auch die Wirtschaft von der Entscheidung diesen Weg gerade jetzt voran zu treiben, keine Frage. Eine gezielte Abwertung der Währung wie bisher von der Fed, EZB und der Bank of Japan betrieben kann man noch nicht erkennen. Vielleicht werden wir in den nächsten Tagen schon eines Besseren belehrt. Ich jedoch nicht davon aus.

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  • Herby Blash
    Herby Blash

    Mir gefallen Ihre Beiträge sehr Herr Schmale, sehr sachlich, ohne Panikmache. Weiter so.

    10:43 Uhr, 12.08.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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