Kommentar
12:35 Uhr, 26.04.2010

Bringt eine Euro-Erholung die Bären in Not?

Die Griechen sind mit ihrem offiziellen Hilfegesuch an die Staaten der Eurozone und den IWF direkter finanziller Unterstützung ein Stück näher gekommen. Stellt sich die Frage inwieweit die internationalen Finanzmärkte darauf vertrauen. Sowohl die erste grundsätzliche Bekundung, Griechenland im Notfall zu helfen, also auch die darauf folgende konkrete Ausgestaltung möglicher Hilfen, konnten den Zinsanstieg für griechische Staatsanleihen nur kurzfristig unterbrechen. Auch der Euro verlor nach kurzen Erholungsschüben jeweils wieder, wenn auch unterproportional zur Ausweitung der Zinsaufschläge. Neue Rekordkurse beim DAX ließen sich aber dennoch nicht verhindern. Das zeigt die relative Stärke, die der Aktienmarkt derzeit besitzt, und die er meines Erachtens aus der Tatsache bezieht, dass die meisten Anleger bisher nicht richtig investiert sind. Zahlreiche Gespräche auf der Anlegermesse „Invest“ in Stuttgart am zurückliegenden Wochenende bestätigen mich in dieser Einschätzung. Eine Trendumkehr beim Euro könnte insofern zu einem abermaligen deutlichen Sprung des DAX nach oben führen. Denn wenn selbst die Griechenlandkrise, und der in ihrer Folge schwächere Euro es nicht vermögen, die Aktien auf Talfahrt zu schicken, müssten sie ohne diesen Belastungsfaktor und mit dem Rückenwind der guten Quartalszahlen und der sich aufhellenden Konjunktur eigentlich explodieren. Der Ifo-Index am Freitag hat die Konjunkturerholung nochmals deutlich unterstrichen.

Die Frage ist nun, ob das Gesuch Griechenlands um finanzielle Unterstützung ausreichen wird, die Spekulationen über einen Zahlungsausfall, und sei er auch nur teilweise, zu beenden? Heute Morgen sieht es zunächst nicht so aus, da der Euro gegenüber dem Dollar bereits wieder verliert. Und es gibt nach wie vor genügend Unsicherheiten, auf die der Markt setzen kann. In Deutschland wurden bereits Klagen beim Verfassungsgericht gegen die Griechenland-Hilfen angekündigt. Außerdem müssten etwaige Hilfszahlungen noch vom Bundestag bewilligt werden. Ich habe keinen Zweifel daran, dass dies auch passieren wird, doch solange die theoretische Unsicherheit bleibt, hat der Markt etwas, woraus er für den Europessimismus Honig saugen kann. Es bleibt interessant zu beobachten, wie es in den kommenden Stunden und zwei bis drei Tagen bei der Gemeinschaftswährung weiter geht.

Deutschland isoliert sich zunehmend in der Eurozone mit seiner Zurückhaltung bei den Griechenland-Hilfen. Eine große Rolle dürfte dabei die extrem wichtige NRW-Wahl am 9. Mai spielen. Zahlungen an Griechenland finden bei der Mehrheit der Deutschen überhaupt keine Unterstützung. Die Regierungsparteien wollen insofern hier nicht der SPD in die Hände spielen. Ich gehe deshalb davon aus, dass der Widerstand Deutschlands sich nach der NRW-Wahl erledigt haben dürfte, und es dann, bevor Griechenland am 19. Mai 8,5 Milliarden für fällige Anleihen zurückbezahlen muss, zu Zahlungen kommt. Das dürfte der Spekulation dann zumindest für einige Monate den Boden entziehen. Für die Aktien könnte es der Startschuss zu weiteren Gewinnen sein. Da sich die Kurse aber trotz der Spekulation gegen den Euro gut halten, würde ich besser engagiert bleiben, oder wenn noch nicht geschehen, jetzt investieren. Zunächst scheint der Konjunkturaufschwung anzuhalten, und der offenbar geringe Investitionsgrad der Anleger, die guten Gewinne der Unternehmen und die im Vergleich zu den kurzfristigen Zinsen weiterhin hochattraktive Dividendenrendite von durchschnittlich gut drei Prozent im DAX, sollten weiter stützen. Die einzige Gefahr, die ich derzeit sehe, ist der Einfluss der Wall Street, wo einige Stimmungsindikatoren überhitzt sind.

Auch soll die Einschätzung nicht als Empfehlung im Sinne von „Schlaftabletten nehmen und einschlafen“ verstanden werden. Ich sehe längerfristig erhebliche konjunkturelle Risiken, doch zunächst ist es eben die Liquidität, die die Kurse treibt.

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, liegt aktuell auf Platz 1 der Handelsblatt-Bestsellerliste.

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