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12:34 Uhr, 24.09.2018

Brasilien vor der Wahl

13 Kandidaten stehen am 7. Oktober in Brasilien für das Präsidentenamt zur Wahl. Christian Kempe, Portfoliomanager bei der Do Investment AG, schließt unabhängig von dem Wahlausgang eine anschließende Erholungsrallye nicht aus.

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München (GodmodeTrader.de) - Am 7. Oktober findet die Wahl in Brasilien statt. Die über 145 Millionen wahlberechtigten Brasilianer des flächenmäßig fünftgrößten Landes der Welt wählen an diesem Tag neben dem Staatspräsidenten auch einen neuen Nationalkongress. Sollte keiner der Präsidentschaftskandidaten eine absolute Mehrheit erzielen, sind die Brasilianer am 28. Oktober aufgerufen, wieder an die Wahlurnen zu treten, wie Christian Kempe, Portfoliomanager bei der Do Investment AG, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Der derzeitige brasilianische Präsident, der 77-jährige Michael Temer, sei einer der unbeliebtesten in der noch jungen demokratischen Geschichte des Landes. Nach einem beispiellosen Korruptionsskandal, der nahezu alle Parteien betroffen und zu einer Erschütterung der Grundfeste der Demokratie geführt habe, gehe es bei der Wahl im Oktober um nicht weniger als die Zukunft der brasilianischen Demokratie und die Frage, ob dem wirtschaftlich stärksten Land Lateinamerikas ein politischer Neuanfang gelinge. Insgesamt hätten 13 Kandidaten dem Obersten Wahlgericht ihre Kandidatur für das Präsidentenamt gemeldet. Nachfolgend würden die in den jüngsten Umfragen (Stand 17.09.2018; Quelle: CNT/MDA) aussichtsreichsten fünf Kandidaten vorgestellt, heißt es weiter.

„Der 63-jährige Jair Bolsonaro liegt in den Umfragen bei 28 Prozent. Bolsonaro wurde am 6. September auf einer Wahlkampfveranstaltung in Südbrasilien Opfer einer Messerattacke. Der ehemalige Hauptmann des Militärs fällt immer wieder mit homophoben, frauenfeindlichen und rassistischen Äußerungen auf. Mit 5,4 Millionen Facebook-Fans (zum Vergleich: Lula 3,5 Millionen; Marina Silva 2,3 Millionen; Alckmin 930.000; Ciro Gomes 310.000) dominiert Bolsonaro die neue Social Media-Welt. In der Presse gilt Bolsonaro auch als ‚Brasiliens Trump‘ und gilt als Anti-System-Kandidat“, so Kempe.

Fernando Haddad liege in den Umfragen bei 18 Prozent. Der 55-Jährige habe in letzter Minute den ehemaligen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva ersetzt, der in einem in Brasilien umstrittenen Korruptionsverfahren zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden sei und gemäß Entscheidung des Obersten Wahlgerichtes nicht kandidieren dürfe. Haddad habe von 2013 bis 2017 die Position des Bürgermeisters von São Paulo inne gehabt und sei einst Brasiliens Bildungsminister gewesen. Haddads Idee, São Paulo mit mehr Radwegen auszustatten, habe ihm ein grünes Image eingebracht. Spannend werde, ob es Haddad schaffe, einen großen Teil von Lulas Stimmenpotenzial in den verbleibenden Wochen auf sich zu ziehen. Innerhalb der letzten Woche seien die Umfragewerte von Haddad von allen Kandidaten am deutlichsten gestiegen (von acht auf 18 Prozent), heißt es weiter.

„Der 60-jährige Ciro Gomes, ein studierter Jurist, liegt in den Umfragen mit elf Prozent derzeit auf dem dritten Platz. Er blickt auf eine über 30-jährige politische Karriere zurück. Gomes plädiert gegen die Privatisierung des halbstaatlichen Erdölkonzerns Petrobras. Ausländische Investoren verschreckt Gomes zudem durch Aussagen, dass alle Ölfelder, die seit der Amtsenthebung der ehemaligen Staatspräsidentin Dilma Rousseff an das Ausland verkauft worden seien, enteignet würden“, so Kempe.

Der 65-jährige Geraldo Alckmin mit Umfragewerten von neun Prozent gelte als Favorit der Finanzmärkte, aber seine Umfragewerte seien noch zu tief. Der 65-jährige studierte Mediziner sei Mitgründer der sozialdemokratischen Partei und gelte als erfahrener und souveräner Politiker. Bis April 2018 habe er den bevölkerungsreichsten Bundesstaat São Paulo regiert, aus dem der Präsidentschaftskandidat auch stamme. Alckmin stehe für eine liberale Wirtschaftspolitik und Entbürokratisierung. Alckmin spreche eher Wähler mit höheren Einkommen und Großunternehmer an, heißt es weiter.

„Marina Silva vereint in den Umfragen 4 Prozent Stimmen auf sich. Die 60-jährige studierte Historikerin ist dem linken Parteienspektrum zuzuordnen. Sie möchte die Umwelt, das von ihr hauptsächlich besetzte Thema, besser mit der Wirtschaft, einschließlich dem Agrobusiness, verbinden. Marina Silva war im Zeitraum 2003 bis 2008 Umweltministerin und ist die einzige Frau im Feld der Spitzenkandidaten“, so Kempe.

Das brasilianische Kandidatenfeld sei stark fragmentiert. Das mache die Analyse knapp drei Wochen vor der Wahl nicht einfach. Die beschriebenen fünf Kandidaten vereinten in der jüngsten Umfrage 67 Prozent der Stimmen auf sich. Kandidaten mit derzeit einstelligen Popularitätswerten könnten durchaus noch an Zustimmung in der Bevölkerung gewinnen und für Überraschungen beim Wahlausgang sorgen. Am Ende müsse ein Kandidat die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreichen, um neuer Präsident zu werden, heißt es weiter.

„Alckmin steht für eine liberale Wirtschaftspolitik und Entbürokratisierung und ist eigentlich der Favorit der Börsianer. Da er jedoch in den Umfragen bisher nur einstellige Popularitätswerte erhält, erscheint es aus jetziger Sicht unwahrscheinlich, dass er das Rennen zum Präsidenten für sich entscheiden kann. Knapp drei Wochen vor der Wahl sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Jair Bolsonaro und Fernando Haddad aus. Falls Bolsonaro gewinnt, könnte dies positive Auswirkungen auf die brasilianische Währung, den brasilianischen Real, und brasilianische Aktien haben. An der Seite von Bolsonaro steht als Finanzberater der Investmentbanker Paulo Guedes. Dieser möchte staatliche Firmen privatisieren (z.B. Banco do Brasil und Petrobras) und damit die Staatsschulden reduzieren“, so Kempe.

Fernando Haddad kandidiere für Brasiliens Arbeiterpartei als Präsidentschaftskandidat. Sollte der Linkspolitiker Haddad gewinnen, könnten der brasilianische Real und brasilianische Aktien darunter leiden. Am brasilianischen Finanzmarkt scheine allerdings auch schon einiges an potenziell negativen Entwicklungen eingepreist. Der brasilianische Real habe gegenüber dem Euro in diesem Jahr bereits 18 Prozent seines Wertes verloren und der brasilianische Aktienmarkt notiere derzeit mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis für das laufende Jahr von 11,3 bereits 30 Prozent unter dem im Oktober 2016 markierten Fünf-Jahres-Bewertungshoch von 16,1. Vor diesem Hintergrund schließe man auch eine brasilianische Erholungsrallye nach dem Wahlausgang in Brasilien nicht aus, heißt es abschließend.

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1 Kommentar

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Bolsonaro wird immer wieder als der "Trump Brasiliens" bezeichnet. In Wahrheit ist das eine maßlose Untertreibung: Gegen den früheren Fallschirmjäger ist Donald Trump der reinste Chorknabe.

    Bolsonaro gilt als Anhänger diktatorischer Regime nach dem Muster seines chilenischen "Idols" Augusto Pinochet. Und auch sonst lässt der Mann kein Klischee aus, den ultrarechten Hardliner zu markieren. Zitat dazu aus dem folgenden Beitrag:

    "Jair Bolsonaros Aussagen sind schwer verdaulich. Eltern, deren Kinder Anzeichen von Homosexualität zeigten, empfiehlt er Prügel. Afrobrasilianer hält er für so dermassen faul, dass sie sich nicht einmal mehr fortpflanzen. Einer linken Abgeordneten sagte er einst vor versammeltem Kongress, sie verdiene es nicht einmal, vergewaltigt zu werden, derart hässlich sei sie. Die Liste von Bolsonaros verbalen Ausfällen ist lang, er wurde deswegen schon mehrmals zu Geldstrafen verurteilt".

    https://www.nzz.ch/internation...

    Oder auch folgendes Zitat:

    "Neben seiner offen rassitischen, misogynen, schwulen- und ausländerfeindlichen Rhetorik warnt er auch vor einem Ausverkauf des Landes an China. Die afro-brasilianische Gemeinde - genannt quilombos - hat er als "sogar zur Fortpflanzung ungeeignet" bezeichnet und über die Vertreter von Schwulen-, Lesben und Transgenders meinte er, sie sollte man am besten an die Wand stellen. Bolsonaro bezeichnet Donald Trump als sein politisches Vorbild, aber selbst Trump würde wohl solche Dinge nicht sagen. Der US-Präsident würde zum Beispiel nicht vorschlagen, dass man Kriminalität dadurch löst, dass man der Polizei die Lizenz zum Töten erteilt, so wie Bolsonaro das getan hat".

    https://www.wienerzeitung.at/n...

    Interessant ist an dieser Stelle natürlich, dass so ein Mann als "gut für die Börse" gehandelt wird...

    21:52 Uhr, 25.09.2018

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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