Kommentar
08:36 Uhr, 06.05.2014

Banken leihen sich 173 Mrd. EUR bei der EZB: steigt das Misstrauen wieder?

Einem Reuters Bericht zufolge liehen sich Banken in der vergangenen Woche in der wöchentlichen Auktion der EZB so viel Geld wie seit 2012 nicht mehr. Damit steht eine zentrale Frage wieder im Raum: Misstrauen die Banken einander wieder mehr?

Diese Frage ist deshalb so zentral, weil das Misstrauen der Banken in der Finanzkrise zu einem Zusammenbruch des Interbankenmarktes geführt hat. Über den Interbankenmarkt refinanzieren sich Geldhäuser kurzfristig. Bleibt diese Liquidität plötzlich weg, dann können Liquiditätsprobleme schnell sehr groß werden. Genau das geschah in der Finanzkrise.

Einziger Ausweg: die Notenbanken sprangen ein und ersetzten de facto den Interbankenmarkt. Wohin das geführt hat, zeigt die erste Grafik. Die EZB bietet Banken mehrere Möglichkeiten, sich bei ihr Geld zu leihen. Das geschieht vor allem über MROs (Hauptrefinanzierungsgeschäfte - Main Refinancing Operations). MROs sind kurzfristig ausgelegt. Die Dauer der Geldausleihung beträgt meist eine Woche. Banken geben dabei Gebote bei der Zentralbank ab. Sie bieten einen bestimmten Zinssatz für eine bestimmte Menge Geld. Die EZB teilt dann nach den Geboten Geldmengen zu. In der Finanzkrise wurde das Auktionsverfahren abgeschafft. Alle Banken bekamen immer die volle Zuteilung. Die absolute Menge der ausgegeben Liquidität stieg dadurch massiv an. Die Gesamtliquidität ist auf der rechten y-Achse abgebildet. Man sieht sehr schön, wie das Volumen von Jahr zu Jahr massiv anstieg - von unter 20 Billionen auf über 80. So viel Geld braucht eigentlich niemand. Banken hatten sich allerdings mit Liquidität bis unters Dach vollgesogen und gehortet (anstatt es weiterzugeben). Die Folge dieser übermäßigen Liquiditätsversorgung war ein rasanter Anstieg ein der Einlagen bei der EZB.

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Die zweite Grafik zeigt den Verlauf der Übernachteinlagen. Anstatt die nicht gebrauchte Liquidität anderen Banken über den Interbankenmarkt zur Verfügung zu stellen, wurde das Geld bei der EZB geparkt. Seit Herbst 2012 ist davon allerdings nicht mehr viel geblieben. Nach Draghis Aussage, der Euro sei umumkehrbar, kehrte auch das Vertrauen wieder zurück.

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Ein zweiter Indikator für zurückkehrendes Vertrauen ist das Volumen der Marginal Lending Facility. Das ist eine Notfallliquiditätsversorgung für einen Tag gewesen. Die Möglichkeit, sich für einen Tag bzw. über Nacht Geld zu leihen, gab es immer, wurde aber während der Finanzkrise vermehrt in Anspruch genommen. Das Volumen hat im Prinzip ein Normalmaß wieder erreicht.

Was ebenso auffällt, ist, dass die EZB wieder vermehrt Liquidität vom Markt nimmt. Die grünen Balken in der ersten Grafik zeigt das Volumen an, die von der EZB wieder zurückgenommen wurde. Dabei entzieht sie nicht unbedingt nach eigenem Ermessen Liquidität. Es sind Banken, die Geld zurückzahlen. Einen Großteil der außerordentlichen LTROs (Langzeitrefinanzierungen, Long Term Refinancing Operations) von insgesamt über einer Billionen EUR wurden schon wieder größtenteils zurückgezahlt. Darüber hinaus leihen sich die Banken noch immer viel Geld bei der EZB. Die wöchentlichen Ausleihungen werden allerdings nicht mehr notwendigerweise verlängert und immer mehr Geld aufgesogen. Das Geld wird auch hier vermehrt zurückgezahlt bzw. nach Rückzahlung nicht wieder neu aufgenommen. Da bei diesen wöchentlichen Auktionen schon mal 170 Mrd. ausgegeben werden können, summiert sich das Volumen schnell auf, wenn das Horten nicht weiterbetrieben wird.

Betrachtet man also die großen Trends, dann kann man nur sagen: es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich Banken wieder vermehrt misstrauen. Im Gegenteil. Die Zeichen der Normalisierung lassen sich gar nicht ignorieren.

Clemen Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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