Australiens Häusermarkt steht vor der größten Bewährungsprobe seit 30 Jahren
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New York/ Sydney (Godmode-Trader.de) - Australiens 10 Mio. Australischer Dollar schwerer Wohnimmobiliensektor wird in diesem Jahr die stärksten Zinserhöhungen seit 1989 verkraften müssen, sollten die Markterwartungen eintreten. Die australische Notenbank, die Reserve Bank of Australia, hat vergangene Woche ihren ersten Straffungskurs seit mehr als 11 Jahren eingeleitet. Und es soll nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Nachdem die Konjunktur in den letzten Jahren durch pandemiebedingte, fiskalische Anreize angekurbelt wurde, erwarten Ökonomen einen Rückgang der Immobilienpreise und eine Verlangsamung der Bautätigkeit, da die Kreditkosten steigen. Diese Trendwende wurde am Wochenende bei einer Auktion in Sydney eingeläutet, wo für ein Haus mit zwei Schlafzimmern und 100 Quadratmetern kein Bieter zu finden war, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. „Eine Immobilie wie diese wird normalerweise innerhalb von drei bis vier Wochen verkauft, und bei der Auktion sind in der Regel mehr als fünf Bieter registriert", sagte der Auktionator Alex Pattaro vom Immobilienunternehmen Ray White zu Bloomberg. „Aber der Markt kühlt sich ab, und je mehr Angebote auf den Markt kommen, desto stärker wird der Preis sinken“.
Ein rückläufiger Immobilienmarkt ist für Down Under ein beträchtliches Problem: Ein großer Teil des Vermögens der Australier ist in Immobilien gebunden. Im Ergebnis könnte der Konsum der Haushalte einbrechen, höhere Hypothekenrückzahlungen würden den Effekt noch verstärken.
Die Nebenwirkungen der Niedrigzinspolitik sind am Beispiel des australischen Immobilienmarktes exemplarisch zu bestaunen. Der dortige Häusermarkt ist in den letzten zehn Jahren bis zur Überhitzung angeschwollen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die RBA die Zinsen von 4,75 Prozent im November 2010 auf 0,1 Prozent im November 2020 gesenkt hat. Die Immobilienpreise kannten zuletzt keinen Halt, allein im letzten Jahr stiegen sie um mehr als 20 Prozent.
Der langwierige Lockerungszyklus bedeutet, dass schätzungsweise 1,2 Mio. Hauskäufer vor der unerwartet starken Anhebung um 25 Basispunkte durch die Zentralbank am vergangenen Dienstag noch keine Zinserhöhung erlebt hatten, so Bloomberg. Die vier größten Banken des Landes hätten alle ihre variablen Zinssätze um dieselben 25 Basispunkte erhöht.
An den Finanzmärkten wird damit gerechnet, dass die RBA die Kreditkosten bis Dezember jeden Monat anhebt, um den Leitzins von derzeit 0,35 Prozent bis zum Jahresende auf etwa 3 Prozent zu erhöhen. Ökonomen sind einhellig der Meinung, dass die Notenbank es sich nicht leisten kann, so aggressiv vorzugehen. Das letzte Mal, als die Zinssätze in dieser Geschwindigkeit und Größenordnung angehoben wurden, hätte dies beinahe einen Zusammenbruch des Finanzsystems ausgelöst. „Wir erwarten, dass der Zinserhöhungszyklus der RBA früher als die meisten anderen gestoppt wird, und zwar weit unter den Markterwartungen“, zitiert Bloomberg George Tharenou, Chefökonom für Australien bei der UBS. Das könnte den Immobilienmarkt zum Einsturz bringen und eine Rezession auslösen, so Tharenou.
Es bleibt ungewiss, wie die australischen Haushalte, deren Hypothekenschulden sich laut Bloomberg auf 2,1 Bio. australische Dollar belaufen, auf die steigenden Kreditkosten reagieren werden. Nur die aktuellen Verträge sind wegen der Zinsbindungsfrist von meistens 10 Jahren geschützt.
RBA-Gouverneur Philip Lowe erklärte in der vergangenen Woche, dass es in der Wirtschaft eine „ziemlich große positive Dynamik" gebe, die durch „relativ kleine Bewegungen bei den Zinssätzen" nicht zum Entgleisen gebracht werden dürfte. Laut den aktuellen Prognosen der RBA wird der Leitzins im Dezember 1,75 Prozent und bis Ende 2023 2,5 Prozent erreichen.
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