Aufgeschoben nicht aufgehoben
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An der Börse kommt erstens alles anders und zweitens als man denkt. Das haben viele Anleger erfahren dürfen, die noch Anfang Oktober auf eine schnelle und unkontrollierte Pleite Griechenlands gesetzt haben. Doch sie alle hatten die Rechnung ohne Angela Merkel und Nikolas Sarkozy gemacht. Für mich vollkommen unverständlich. Denn beide hatten in ihren Statements immer wieder betont, dass Griechenland nicht fallen gelassen werde. Seit Wochen vergeht kein Tag, ohne dass irgendein Politiker, Wirtschaftswissenschaftler, Banker oder sonstiger Experte vor einer Katastrophe warnt, die die Lehman-Pleite noch in den Schatten stellen werde, wenn es zum Äußersten kommt. Und deshalb ist klar, dass die Politik es hierzu nicht kommen lassen wird. Drei Optionen gibt es:
1. Griechenland wird zahlungsfähig gehalten, so dass auch die Banken, die griechische Anleihen im Buch haben, kein Problem bekommen.
2. Es kommt doch zu einer umfangreicheren Umschuldung Griechenlands, jedoch wird das Eigenkapital der Banken durch Kapitalspritzen seitens der Regierungen so verstärkt, dass diese einen Schuldenschnitt verkraften könne.
3. Sowohl eine Pleite Griechenlands wird verhindert als auch die Banken werden rekapitalisiert.
Seit den Marktteilnehmern klar ist, dass es auf eine dieser drei Optionen hinaus laufen wird, haben die Aktienindizes gedreht und sind wie ein Flummi nach oben geschnellt. Das ist nicht verwunderlich, denn diese Erkenntnis traf auf einen völlig ausgetrockneten und in Pessimismus getränkten Markt. Ich war zum Tag der offenen Tür der Börse Stuttgart zu verschiedenen Podiumsdiskussionen eingeladen. Noch nie habe ich eine derartig schlechte Stimmung unter Privatanlegern wie auch Profis erlebt. An den quantitativen Stimmungsanalysen war dies ebenso ablesbar, wie im Stimmungsbarometer „Kaufsignale“ in Focus Nr. 40 beschrieben. Seitdem hat der DAX von seinen Tiefständen über 20 Prozent in der Spitze gewonnen. Doch trotz dessen, ist die Stimmung kaum besser geworden. Im Gegenteil, manche Werte zeigen sogar noch mehr Pessimismus. So sind mittlerweile 45,2 Prozent der von Investors Intelligence ausgewerteten US-Börsenbriefe negativ gestimmt, vor drei Wochen waren es 39,8 Prozent.
Gleiches gilt für den Hulbert Stock Newsletter Sentiment Index (HSNSI). Trotz der rasanten Erholung an der Wall Street setzen die hier beobachteten kurzfristig agierenden Marktakteure auf Short-Engagements. Nach wie vor befindet sich der HSNSI im Minusbereich. Bemerkenswert ist auch der National Association of Active Investment Managers (NAAIM) Survey. Dieser gibt mittlerweile Kaufsignale, wie wir sie zuletzt auf dem Höhepunkt der Lehman-Krise gesehen haben. Dass mit dem jüngsten Kursanstieg keine Stimmungsverbesserung eingetreten ist, deutet darauf hin, dass die meisten Anleger diesen verpasst haben dürften. Das spricht für weiter steigende Kurse.
Quelle: Finanzwoche
Auch vom Euro ist kein Störfeuer mehr zu erwarten. Bereits seit Wochen ist hier die Stimmung „grottenschlecht“. Die Welt ist short im Euro könnte man auch sagen. Viele Akteure haben wohl damit gerechnet, dass die Gemeinschaftswährung im Zuge der erneuten Griechenlandkrise in Richtung der alten Tiefstände bei rund 1,20 zum Dollar fällt.
Je stärker der Euro sich nun erholt, desto unbequemer dürfte es für die umgekehrt positionierten Anleger werden. den Kurs weiter nach oben befördern dürfte.
Zu Friede, Freude, Eierkuchen ist dennoch kein Anlass. Die Stimmung verrät viel über die zu erwartende Börsentendenz auf kurze bis mittlere Sicht, langfristig jedoch gewinnen die Fundamentaldaten die Überhand. Diesbezüglich hat sich jedoch nichts geändert. Es wird der Politik sicher gelingen die Probleme durch weitere Schulden auch ein weiteres Mal in die Zukunft zu verschieben, gelöst sind sie dadurch aber nicht. Im Gegenteil, sie werden nur immer größer. Die USA praktizieren diese Politik nun schon seit gut zehn Jahren. Wachsam bleiben ist daher das Credo und irgendwann auch wieder aussteigen. Wann, dass lässt sich im Voraus nicht bestimmen. Auf die zukünftige Stimmung kommt es an.
Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de
Stefan Riße, ist Portfolio Manager bei der Hanseatischen Portfolio Management in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.
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