Abstruse Verschwörungstheorien
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Spekulation steht derzeit moralisch nicht hoch im Kurs. Sie ist aber nicht schuld an der Schuldenkrise.
Für viele Politiker und andere selbsternannte Experten ist die Schuldfrage bezüglich Euro-Krise längst geklärt. Es sind die Spekulanten, oder Zocker, wie sie von anderen genannt werden, die im Gewand von Hedgefonds oder Investmentbanken im Zusammenwirken mit den Ratingagenturen unsere schöne Gemeinschaftswährung kaputt machen. Garniert mit der These des großen Währungskrieges der angelsächsischen Finanzzentren London und New York gegen den Euroraum, kommt jeder Verschwörungstheoretiker auf seine Kosten.
Wie aus dem Handelsblatt vor einigen Tagen zu erfahren war, will die SPD die Bekämpfung der Spekulation und der rücksichtslosen Zocker in und außerhalb der Banken zum Hauptthema im kommenden Bundestagswahlkampf machen.
Das mag womöglich auch gut funktionieren, die Enttäuschung der Wähler ist aber jetzt schon vorprogrammiert, weil die ausgemachten Feindbilder nicht der Grund für die Eurokrise sind und die angestrebten Maßnahmen daher keinerlei Wirkung erzielen werden.
Beginnen wir mit der Finanzmarkttransaktionssteuer. Selbst wenn diese weltweit eingeführt würde, eine Finanzkrise, wie wir sie erlebt haben – mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers als traurigen Höhepunkt – würde sie zweifelsfrei nicht verhindern. Schließlich wurde diese nicht dadurch ausgelöst, dass die Subprime-Anleihen, im Sekundentakt hin- und her gehandelt wurden, sondern dadurch dass die in diesen Anleihen verpackten Immobilienkredite mehr oder minder wertlos waren.
Auch das Verbot der üblicherweise als CDS oder Credit Default Swaps bezeichneten Kreditversicherungen würde nichts bewirken. Die Idee, dass deren Prämien und damit die Zinsen von Griechenland und anderer Problemländern der Eurozone durch die Zocker-Banken und Hedgefonds gezielt nach oben getrieben würden, ist mit Verlaub gesagt, Unsinn! So wie Wetten auf den Ausgang eines Fußballspiels nicht zu mehr oder weniger Toren führen, so bestimmt das „Wetten“ auf eine Pleite Griechenlands nicht, ob diese tatsächlich eintritt. Denn was würde wohl passieren, wenn es die CDS nicht gäbe und auch die Staatsanleihen der Peripherieländer nicht handelbar wären? Spätestens zu deren nächsten Refinanzierungstermin würden die Gläubiger in Kenntnis der Finanzlage ebenso hohe Zinsen verlangen. Wenn nicht sogar noch höhere, im Bewusstsein dessen, dass sie die Anleihen während der Laufzeit weder veräußern, noch gegen Ausfall versichern können.
Auch die Mär von der großen angelsächsischen Verschwörung entbehrt jeder Logik. Denn was hätten die USA und Großbritannien denn von einem Untergang des Euros? Nur Nachteile. Ihre Währungen würden gegenüber der Gemeinschaftswährung aufwerten und somit die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportunternehmen verschlechtern. Ihre Banken müssten ebenfalls Abschreibungen auf zahlungsunfähige Euroländer vornehmen und würden, da wo es eng wird, oder der Staat bereits beteiligt ist, den Haushalt belasten. Hier liegt auch der Ansatzpunkt für richtige Regulierung. Denn Spekulation ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Sie wird es immer geben, so wie es dabei auch immer Gewinner und Verlierer geben wird. Der Staat muss nur dafür sorgen, dass die Verluste privater Spekulation nicht am Ende bei ihm landen. Deshalb sollte er das systemrelevante Bankgeschäft, das für die gesunde Kreditvergabe in einer Volkswirtschaft notwendig ist und im Zweifel vom Staat gerettet werden muss, vom restlichen Bankgeschäft abtrennen. Dieser Teil sollte streng reguliert werden und weder auf eigenen Rechnung spekulieren, noch Spekulation finanzieren dürfen. Kurz ein Trennbankensystem, wie es früher in den USA existierte. So blieben Spekulationsverluste Privatsache, egal ob Investmentbank, oder Kleinspekulant.
Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de
Stefan Riße, ist Portfolio Manager bei der HPM Hanseatischen Portfolio Management in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.
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