Kommentar
11:32 Uhr, 10.01.2014

„Absolute Volltrottel“

Wenn die Aktienkurse scheinbar immer weiter steigen, dann wird es aus antizyklischer Sicht besonders interessant...

In jüngster Zeit bekommen wir vermehrt Zuschriften von Lesern, die sich darüber amüsieren, dass die Redaktion des Antizyklischen Börsenbriefs auffallend hartnäckig eine negative Meinung vertritt, während die Aktienkurse scheinbar unaufhörlich immer weiter ansteigen. Wir seien doch absolute Volltrottel, so ist es zwischen den Zeilen lesen.

Eine Email von dieser Woche war besonders erheiternd: Weil der Leser offenbar anonym bleiben wollte, hatte er sich aus unerfindlichen Gründen den Namen „Prozyklische Unterhose“ (kein Scherz!) gegeben, was immer er damit auch transportieren wollte.

Vermutlich gänzlich unbeabsichtigt sagen uns diese Zuschriften, dass die Verfasser dieser Zeilen wichtige Wesenszüge der antizyklischen Vorgehensweise nicht verstanden haben. Wir wollen daher einmal einige wichtige Punkte klar stellen:

Zunächst geht es bei der antizyklischen Anlagestrategie ausdrücklich NICHT darum, sich gegen einen bestehenden Trend zu positionieren. Es ist außerordentlich wichtig, diesen Punkt zu verstehen. Dass es wenig Sinn macht, sich etwa einer wild gewordenen Bullenherde in den Weg zu stellen, liegt auf der Hand. Eine Kontra-Position einzunehmen ist deshalb auch nur dann sinnvoll, wenn die Stimmungslage erkennbar in obere oder untere Extrembereiche ausschlägt.

Dazu eine wichtige Beobachtung: Wie die Kollegen von Investors Intelligence herausgefunden haben, ist der Optimismus der Börsenratgeber zuletzt auf ein Sechsjahreshoch geklettert. Einen Anteil von mehr als 60 Prozent Bullen gab es zuletzt im Spätsommer 2007. Wirklich pessimistisch ist nur noch eine Handvoll an Kommentatoren. Die folgende Grafik zeigt den Verlauf des S&P 500 seit Anfang 2009 (oben) sowie die Stimmungslage der Börsenratgeber (unten).

Absolute-Volltrottel-Kommentar-Andreas-Hoose-GodmodeTrader.de-1

Nun ist es leider so, dass ausufernder Optimismus, wie wir ihn derzeit erleben, an der Börse durchaus längere Zeit anhalten kann. Das kann nicht nur einige Wochen so gehen, sondern schon mal einige Monate. Das führt dann dazu, dass die hartnäckigsten unter den Pessimisten am Ende eines Trends wie absolute Volltrottel aussehen, weil fast niemand mehr ihrer Meinung ist – siehe oben.

Auch das andere Extrem gibt es: Wenn die Kurse erst einmal fallen, dann sind nicht nur Börsenanfänger überrascht, wie weit eine ausgewachsene Panik die Kurse in den Keller treiben kann. Und wie lange so etwas dauert...

Reine Stimmungsindikatoren, wie die gerade gezeigte Grafik mit dem Anteil optimistischer und pessimistischer Börsenratgeber eignen sich für Vorhersagen daher nur sehr bedingt.

Deshalb kommt an dieser Stelle ein weiterer wichtiger Punkt ins Spiel: Wenn man Übertreibungen in die eine oder andere Richtung ausgemacht hat, dann lohnt es sich fast immer, so lange geduldig abzuwarten, bis sich der schon lange absehbare Stimmungswechsel durchsetzt. Für ungeduldige Trader, die im Minutentakt handeln wollen, ist diese Methode natürlich denkbar ungeeignet, aber es soll ja auch Menschen geben, die es nicht eilig haben.

Eines zeigt sich immer wieder: Geduld, man könnte auch sagen Hartnäckigkeit, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um an der Börse langfristig die wirklich wichtigen Trends zu erwischen. Denn darum geht es vorrangig bei der antizyklischen Vorgehensweise: Kommende Entwicklungen so früh wie möglich aufzuspüren.

Dazu ein aktuelles Beispiel aus der Praxis:

Wasser im Tank...

Seit mehr als zehn Jahren (!) beobachten wir die Hersteller von Brennstoffzellen. Schon um die Jahrtausendwende war klar, dass diese im Idealfall emissionsfreie Form der Energieerzeugung die Lösung für die Mobilität von morgen sein könnte. Plakativ gesprochen: Wenn der Auspuff eines Fahrzeugs Wasser freisetzt, anstatt zahlreicher Schadstoffe, die später mittels Katalysatoren aufwendig neutralisiert werden müssen, dann ist das genau das, was unser geschundener Planet braucht.

Schon vor mehr als einem Jahrzehnt war dies in Ansätzen zu erahnen, die Kurse der entsprechenden Aktien gingen seinerzeit förmlich durch die Decke. Doch wenig später zeigte sich, dass die Probleme der Brennstoffzellentechnik nicht so einfach zu beherrschen sind, wie sich das die Anleger damals gewünscht hätten. Gleichzeitig war jedoch klar, welches Potential hier schlummert, sobald die technologischen Probleme beherrschbar werden. Genau danach sieht es jetzt aus.

Anfang Dezember 2013 hatten wir den Lesern des Antizyklischen Börsenbriefs deshalb einige Aktien aus dem Sektor vorgestellt. Darunter war auch die US-amerikanische Plug Power (PLUG). Zuletzt hat der Aktienkurs für Furore gesorgt: Seit seinem Tief vom Sommer 2013 hat die Notierung gut 4.000 (viertausend!) Prozent zugelegt. Den Kursverlauf bis zum 08. Januar 2014 zeigt die folgende Abbildung. Die roten Kreise markieren die Kurslücken, die in der jüngsten Kaufpanik entstanden sind.

Absolute-Volltrottel-Kommentar-Andreas-Hoose-GodmodeTrader.de-2

Nun werden die wenigsten Anleger am Tief gekauft haben und immer noch dabei sein. Doch darum geht es auch gar nicht. Was wir eigentlich sagen wollen, ist etwas ganz anderes: Wenn man an der Börse eine Über- oder auch eine Untertreibung erkannt hat, dann lohnt es sich fast immer, geduldig abzuwarten, anstatt mit der Herde mitzutrampeln....

Leser, die jetzt darauf warten, dass vielleicht auch die Redaktion des Antizyklischen Börsenbriefs irgendwann entnervt das Handtuch wirft und in das Bullenlager wechselt, müssen wir deshalb leider enttäuschen: Vor dem Hintergrund des immer weiter ausufernden Optimismus wird das nicht passieren, ganz egal, wie lange sich die Bullen noch austoben.

Weil wir wissen, dass sich Geduld auszahlt, und zwar nicht nur an der Börse, freuen wir uns über jede spöttische Zuschrift, die einige Leser deshalb an uns herantragen. Am liebsten wäre es uns sogar, wenn außer uns niemand mehr pessimistisch ist. Doch auch das wird nicht passieren, denn ein paar hartnäckige Kontra-Strategen, die den Optimisten bis zuletzt die Stirn bieten, die gibt es in jedem Bullenmarkt...

Zu dem Thema passt auch unser abschließender Hinweis: Mein Kollege Daniel Kühn ist kürzlich der interessanten Frage nachgegangen, ob die jetzt wieder überall herumgereichten Jahresprognosen überhaupt Sinn machen:

http://www.godmode-trader.de/nachricht/sind-prognosen-sinnlos,a3625133.html

Leider zeigt die langjährige Börsenpraxis, dass insbesondere die zu Jahresbeginn von vielen Bankanalysten formulierten „Kursziele“ für DAX oder Dow Jones völlig für die Katz sind. Für den einen oder anderen Leser mag diese Erkenntnis ernüchternd sein, doch man muss es leider so deutlich sagen: Prognosen nach diesem Strickmuster sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden.

Aussagen über Wahrscheinlichkeiten können dagegen insbesondere zum Jahreswechsel sogar überaus sinnvoll sein. Auch dazu ein aktuelles Beispiel: Für 2014 geht die überwiegende Mehrheit der Bankanalysten von steigenden Aktienkursen aus. Im Schnitt rechnen die Finanzexperten beim DAX mit Kurszuwächsen im Bereich von zehn Prozent.

Bei der Beurteilung solcher „Prognosen“ ist die langjährige Erfahrung ebenfalls sehr hilfreich. In der Rückschau zeigt sich nämlich, dass bei so schöner Einmütigkeit der Vorhersagen die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass genau das nicht eintritt, was prognostiziert wurde.

Was vor diesem Hintergrund tatsächlich zu erwarten ist, dieser Frage werden wir in der Januar-Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs nachgehen:

Anmeldemöglichkeit (1) : Das Drei-Monats-Abo des Antizyklischen Börsenbriefs

Anmeldemöglichkeit (2) : Das Jahres-Abo des Antizyklischen Börsenbriefs

Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG, und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de und www.antizyklischer-aktienclub.de

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