Kommentar
17:06 Uhr, 23.09.2010

1999 reloaded?

Es mag ein wenig verrückt klingen, aber irgendwie erinnert mich die aktuelle Situation an den Herbst 1999. Die Aktienmärkte hatten sich nach der Rußlandkrise in deren Zuge der Hedgefonds Long Term Capital Management Pleite ging wieder berappelt, dümpelten ab dem Sommer 1999 aber mehr oder minder im Zickzack herum. Trotzdem lag für mich damals in der Luft, dass der Aktienmarkt bald abheben würde. Und das tat er dann auch. Von rund 5.200 Punkten ging es bis zum Jahresende bis auf 7.000 hoch und wie wir wissen bis zum März 2000 auf über 8.000, ein Höchststand der mehr als sieben Jahre nicht wieder erreicht werden sollte.
Nun ist mir auch bewusst, dass die Szenarien nur bedingt vergleichbar sind. Wir befanden uns am Beginn der Technologieblase. Die Russlandkrise hatte zwar die Angst vor einer weltweiten Rezession ausgelöst, dank des beherzten Eingreifens der US-Notenbank konnte diese jedoch vermieden werden. Hier zeigen sich dann aber auch erste Parallelen. Zwar konnte die jüngste Wirtschaftskrise nicht vermieden werden. Im Gegenteil es war die schärfste seit den 30er Jahren, doch die Politik der Notenbanken ist die Selbe. Und es ist eben die Liquidität, die zunächst die Kurse haussieren lässt und nicht das fundamentale Umfeld. Auch damals waren die langfristigen Zinsen im Zuge der Krise, der bereits ein Jahr zuvor die Südostasienkrise voraus gegangen war, deutlich nach unten gegangen.
Im Zuge des Lehman-Crashs erfolgte die gleiche Reaktion. Und nach einer Korrektur die Anfang 2009 einsetzte, sind die langfristigen Zinsen nun wieder deutlich gefallen.

(Quelle Graph: Reuters)

(Quelle Graph: Reuters)

Ich bin natürlich nicht so verwegen, ein Erklimmen der alten Höchststände zu prognostizieren. Nach zwei historischen Aktiencrashs in den vergangenen zehn Jahren, sind die Anleger viel vorsichtiger geworden. Doch sollte man nicht überrascht sein, wenn die Aktienmärkte irgendwann in den kommenden Wochen plötzlich stärker abheben, als es heute vorstellbar erscheint. Trotzdessen das der DAX nicht weit von seinem Jahreshoch entfernt ist, bleibt die Stimmung sehr gedämpft. Geredet wird vor allem über die Konjunkturprobleme in den USA, die wieder aufflammenden Probleme in der Eurozone mit Irland und Portugal sowie eine mögliche Immobilienblase in China.
Viel zu wenig geredet wird meines Erachtens über das historisch einmalige Zinsumfeld, das nun nicht nur kurzfristige Anlagen, sondern auch langfristige Anlagen mit sicherer Rückzahlung immer unattraktiver erscheinen lässt. Was sollen all die Kapitalsammelstellen wie Lebensversicherungen beispielsweise oder Pensionskassen denn zukünftig machen, um noch ausreichende Renditen für ihre Versicherten und Pensionäre zu erwirtschaften? Sie müssen entweder Anleihen mit niedrigerer Bonität kaufen oder in Aktien investieren. Und ich gehe fest davon aus, dass dies bald zunehmend passieren wird. Und da die Anleger ohnehin schon nicht überinvestiert sind, wie die Stimmung zeigt, wird das Angebot gering sein.

Fraglos stehe auch ich eher im Lager der Konjunkturpessimisten, wenn es um die USA geht, doch diese sind für die Welt heute viel unwichtiger als noch vor zehn Jahren. Während zu diesem Zeitpunkt noch genauso viele Exporte Deutschlands nach Südostasien wie in die USA gingen, ist es mittlerweile dreimal so viel. Und in den Schwellenländern entwickelt sich eine selbstragende Binnenkonjunktur.

Zieht der DAX wie von mir prognostiziert an, dann werden wir genau diese Argumente zu hören bekommen. Denn an der Börse machen nicht die Nachrichten die Kurse, sondern die Kurse machen die Nachrichten. Wir müssen daher nur auf bessere Kurse warten. Die guten Nachrichten, die die Stimmung der Mitläufer dann von Pessimismus auf Optimismus drehen und investieren lässt, kommen dann schon von allein.

Ich gebe ja höchst ungern Kursziele aus, schon gar nicht kombiniert mit einem festen Zeitpunkt. Heute lasse ich mich darauf ein: Ich glaube 7.000 Punkte im DAX sind drin bis zum Jahresende.

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, steht seit Wochen oben auf den Bestsellerlisten.

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