Wissensartikel
17:07 Uhr, 13.11.2017

Geld verdienen mit Trading - was ist wirklich machbar?

Die Frage, was denn Trader tatsächlich und in „harten Euros“ gerechnet an den Finanzmärkten verdienen, ist eines der vielen spannenden und meist ungelösten Rätsel, die uns die Börse aufgibt.

Verlässliche Daten gibt es kaum. Nur wenige gute Trader veröffentlichen ihre Depots oder zeigen Track-Records über längere Zeiträume. Im Artikel Die Einkommenspyramide: Welchen Platz hat das Trading? habe ich darüber diskutiert, warum es nur wenige Trader gibt, die erfolgreich sind - dafür dann mehrere Millionen an den Märkten verdienen. (1)

Gelegentlich weise ich darauf hin, dass man sich die Opportunitätskosten des Tradings vor Augen führen sollte, bevor man sich dazu entscheidet, sein Geld mit dem aktiven Handel an der Börse zu riskieren. Denn im Durchschnitt können die Überrenditen gegenüber einem vergleichsweise weniger spekulativen Anlagestil, z.B. „Buy and Hold“, unattraktiv wirken, wenn man den Aufwand dagegenrechnet, der nötig ist um diese Überrenditen zu erzielen.

Dazu weiterlesen: Alles hat seinen Preis - auch an der Börse

Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden wir einige Rechenbeispiele vornehmen. Denn abgesehen von den genannten Risikobetrachtungen bleibt die Frage, was denn eine aktive Tradingstrategie in der Realität erwirtschaften kann. Um diese Problemstellung zu lösen, sind vergangenheitsbezogene Untersuchungen jedoch nur wenig hilfreich. Was nützt es mir, den nachgewiesenen Entscheidungspfad eines Traders oder eines Handelssystems zu betrachten, wenn deren Aussagen für die Zukunft nur wenig Beweiskraft haben? (2)


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Beispielhaft formuliert: Was bringt es, wenn Spieler A gestern am Roulettetisch mit den Würfen X,Y und Z eine große Summe verdient hat und ich, Spieler B, heute am Roulettetisch stehe und meine Würfe ansagen muss. Werde ich mit exakt den selben Würfen X,Y und Z ebenfalls erfolgreich sein?

In der Realität – in dem Moment, in dem ich, Trader B, mich entscheiden muss, ob ich kaufe oder verkaufe, hilft mir die Aussage, ob Trader A gestern mit den Entscheidungen X, Y und Z Geld verdient hat, relativ wenig. (3) Vergangenheitsbezogene Analysen und Entscheidungen sind daher keine guten Ratgeber für die Zukunft. Sehen Sie sich dazu bitte auch meine Webinar-Aufzeichnung zum Thema „Truthahn-Illusion“ an.

Deshalb ist der Track-Record eines anderen Traders zwar ein schöner Beweis, dass man viel Geld an der Börse verdienen kann, er sagt aber nichts darüber aus, ob ich das auch kann. (4)
Um bestimmen zu können, wieviel Geld ein Trader an den Märkten verdienen kann, muss ich diesen Gedankengängen folgend eine andere Methode wählen.

Rayner Tao, ein ehemaliger Bankenhändler aus Singapur, hat auf seinem Blog ein interessantes Konzept dafür veröffentlicht. (5)

Tao geht davon aus, dass das Nettoergebnis, also das, was Trader letztlich verdienen, von mehr Faktoren abhängt, als einem profitablen Handelssystem. Seiner Meinung nach gehören dazu:

1. Kontogröße
2. Risikoneigung
3. Risikomanagement
4. Handelssystem

Eine hohe Trefferquote führt beispielsweise nicht automatisch zu einem positiven Ergebnis, wenn das Risikomanagement zu hohe Verluste zulässt oder die Risikoneigung zu spekulativ ist. Dann könnte bereits ein Verlust unter vielen Gewinnern das Gesamtergebnis zunichte machen. Letztlich dreht sich alles um die Gewinnerwartung und diese kann man, so Tao, ganz rational und mit Hilfe von Mathematik bestimmen. Am Ende erhält man eine Risikokennzahl, die bestimmt, wieviel erwarterer Gewinn in jedem Risiko steckt.

Mathematisch lässt sich das wie folgt ausdrücken:

E = [1+(W/L)] x P – 1 

Dabei seien

E = Gewinnerwartung (Expectation)
W = Größe der durchschnittlichen Gewinner (Winner)
L = Größe der durchschnittlichen Verlierer (Loser)
P = Rentabilität (Profitability)

Machen wir ein Beispiel:

Wir führen 100 Trades im Jahr aus. Bei durchschnittlich 250 Handelstagen pro Jahr ist das recht konservativ und entspricht 0,4 Trades pro Tag oder einer durchschnittlichen Haltedauer von etwas über 3 Tagen pro Trade. 60 dieser Transaktionen gewinnen wir und 40 verlieren wir. Unsere Rentabilität (P) liegt bei 60/100 = 0,6 bzw. 60 %.

Weiter nehmen wir an, dass uns unsere 60 Trades einen Gesamtgewinn von 300.000 EUR gebracht haben. Damit liegt unsere Größe für einen durchschnittlichen Gewinner (W) bei 300.000 / 60 = 5.000 EUR. Sollten sich unsere gesamten Verluste auf 160.000 EUR belaufen, dann läge unser durchschnittlicher Verlustrade (L) bei 160.000 / 40 = 4.000 EUR.

Nun fügen wir diese Zahlen in die Formel ein:

E = [1 + (5.000/4.000)] x 0,6 – 1 = 0,35 oder 35 %.

In diesem Beispiel liegt die Gewinnerwartung (E) unserer Tradingstrategie bei 35 %.

Langfristig verdienen wir damit für jeden Euro, den wir riskieren, 35 Cent. Eine ganz akzeptable Rendite. Mit einem ansehnlichen Trading-Account von 100.000 EUR würden wir damit langfristig 35.000 EUR pro Jahr verdienen können. Heißt das aber auch, dass ich mit einem 10.000 EUR Konto maximal 3.500 EUR pro Jahr verdienen kann?

Ja und nein. Wir sind noch nicht am Ende der Betrachtung. Denn zwei Faktoren werden außen vorgelassen, die wir oben schon aufgezählt haben.

Das Handelssystem (bestehend aus der Rentabilität (P) und dem Risikomanagement) und der Risikoneigung, auch bekannt unter der Größe (R).

Ein Handelssystem, das zwar eine Rentabilität (P) von 70 % hat, dafür durch unterdurchschnittliches Risikomanagement nur 1.000 EUR pro Trade gewinnt, aber 2.500 EUR verliert, ist nicht so erfolgreich, wie ein Handelssystem, das zwar nur eine Rentabilität von 30 % hat, dafür im Durchschnitt durch gutes Risikomanagement 2.500 EUR gewinnt und 1.000 EUR verliert.

Machen wir den Beweis:

1. E = [1 + (1.000/2.500)] x 0,7 – 1 = -0,02 oder -2 %
2. E = [1 + (2.500/1.000)] x 0,3 – 1 = 0,05 oder 5 %

Eine hohe Trefferquote macht noch kein gutes Handelssystem aus, vice versa kann ein gutes Risikomanagement eine unterdurchschnittliche Rentabilität abfedern.

Zudem können Trader ihr Endergebnis über die persönliche Risikoneigung (R) beeinflussen. Mit einem (R) bestimmt der Trader wie hoch sein prozentualer Risikoeinsatz pro Transaktion ist. Kommen wir wieder auf unsere oben berechnete Rentabilität von 35 % zurück.

Mit der dort angesetzten Risikoneigung (R = 1) haben wir für einen Trading-Account von 100.000 EUR einen erwarteten Gewinn von 35.000 EUR berechnet. Würden wir nun die Risikoneigung (R) um den Faktor 2 erhöhen, dann steigt unser erwarteter Gewinn hypothetisch von 35.000 EUR auf 70.000 EUR.

Dazu müssten wir jedoch bereit sein, einen doppelt so hohen durchschnittlichen Gewinntrade (W) und einen durchschnittlich doppelt so hohen Verlustrade (L) zu verkraften.

Eine Kalkulation dieser Faktoren kann im Vorfeld dabei helfen, die Grenzen „des Möglichen“ der eigenen Tradingstrategie zu berechnen.

Es nützt nichts, ein Handelssystem auf eine maximale Gewinnerwartung (E) hin auszureizen, wenn ein einziger durchschnittlicher Verlusttrade (L) durch eine zu hohe Risikoneigung (R) so groß werden würde, dass der Trading-Account in den "Margin-Call" läuft, also die Deckung des Handelskontos nicht mehr ausreicht, um die Strategie fortzuführen.

Fazit / Shortcuts:

1. Fallbeispiele einzelner Trader und deren Gewinne oder Verluste sind keine geeignete Methode, um zu bestimmen, was Trader an den Märkten verdienen können.
2. Was Trader wirklich verdienen können ist immer eine Durchschnittsbetrachtung, die sich mit Hilfe einfacher Finanzmathematik bestimmen lässt.
3. Das Endergebnis, das was Trader real und in Euro gerechnet verdienen können, hängt von mehr Faktoren als einem „guten“ Handelssystem (im Sinne einer hohen Trefferquote) ab.
4. Maßgeblich für das Nettoergebnis sind die initiale Kontogröße, die Gewinnerwartung, das Risikomanagment und die persönliche Risikoneigung.

Bei Fragen bin ich gerne für Sie auf meinem Guidants-Expertendesktop da!

Viele Grüße
Jakob Penndorf

--

(1) Das ist der Trader, der die Nerven behielt, NTV-Online, 30.08.2015.
(2) Das perfekte Trading-System, Jakob Penndorf, Guidants, 10.07.2017.
(3) Professor Martin Weber hat mal in einem Vortrag in der schönen Universität Mannheim folgendes Bild gezeichnet: Wenn wir 10.000 Probanden jeweils 10 mal würfeln ließen, dann gäbe es eine bestimmte Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich zumindest ein einziger Würfler unter diesen 100.000 Würfen befände, der 10 mal hintereinander eine sechs, also die höchste Zahl auf einem Würfel, geworfen hätte. Während das in dieser Versuchsreihe logischerweise nur Glück war, so verschwimmen an den Finanzärkten die Grenzen zwischen Zufall und fachlicher Expertise recht schnell.
(4) ]]Wie ich meinen Weg durch die Märkte fand, Jakob Penndorf, Guidants, 20.09.2017.
(5) How much money can you make from Forex trading? Rayner Tao, TradingWithRayner Blog, 20.07.2017.

1 Kommentar

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  • Ridicule
    Ridicule

    Wie immer ein sehr guter Artikel, der so manchen marktschreierischen Börsenbrief und/oder -dienst in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lässt.

    05:53 Uhr, 14.11.2017