Kommentar
15:03 Uhr, 24.10.2017

Alles hat seinen Preis - auch an der Börse

„Every dream has a price“ ist der Untertitel des Films „Wall Street“ (1987). Der Filmemacher Oliver Stone ist Sohn eines New Yorker Aktienhändlers und deswegen verstecken sich in dem Film über den Aufstieg und Fall eines jungen Brokers jede Menge Wahrheiten über die Börse, aber auch über das Leben.

Um etwas zu erhalten, müssen wir etwas geben. Wenn wir unsere Vita mit einer glanzvollen Karriere krönen, dann haben wir mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hart dafür gearbeitet. Wir haben länger die Schulbank gedrückt, während die Freunde schon mit ihren ersten eigenen Autos zur Disko fuhren.

Heute sitzen wir für unseren Traumjob manchmal früh morgens im ersten ICE oder Flieger und haben einen arbeitsreichen Tag voller Meetings vor uns. Zur gleichen Zeit frühstücken aber unsere Kinder zu Hause ohne uns und beneiden beim Schulweg wohlmöglich ihre Klassenkameraden, die von ihren Vätern zur Schule gebracht werden.

Beim Autofahren habe ich die Wahl zwischen dem Fahrstil des notorischen Spurwechslers oder ich folge brav meinem Vordermann und akzeptiere, dass der Verkehr gerade so ist, wie er ist. Vielleicht komme ich als Drängler ein paar Minuten früher über die nächste Ampelkreuzung, aber ich habe mehr Stress, muss noch aufmerksamer sein, habe einen höheren Benzinverbrauch und riskiere, im schlimmsten Fall, vielleicht sogar einen Verkehrsunfall.

Manchmal ist der Preis, für das, was wir am Ende erhalten, einfach zu hoch. Oft steht der Aufwand in keiner Relation zum Ergebnis. Für wen machen wir eigentlich die Karriere? Ist es tatsächlich das etwas mehr an Geld im Elternhaus, das eine gute Kindheit ausmacht? Ist es wirklich so schlimm, sich wegen des Verkehrs ein paar Minuten zu verspäten?

Auch beim aktiven Management unserer Börsengeschäfte stellt sich für einen kritischen Anleger die Frage: Ist es das wirklich wert?

Kurzfristig mag das öfter so scheinen. Aber wir sehen eben immer nur das „Rampenlicht“ der Erfolge. Niemand spricht gerne über die Verlierer oder falschen Prognosen. Dazu weiterlesen: Wie ich meinen Weg durch die Märkte fand.

Wenn uns jemand erzählt, er habe letztes Jahr 50 Prozent Rendite gemacht, dann beneiden wir ihn im ersten Moment. Wir stellen uns vor, wie glamourös und leicht das wohl gewesen sein muss und wie armselig unsere Leistung demgegenüber wirken mag. Der Trugschluss ist, dass wir nie die Anstrengungen und Entbehrungen, die Risiken, vielleicht den Streit in der Familie oder die schlaflosen Nächte sehen, die dafür notwendig waren. Dazu weiterlesen: Apple-Aktien und die Lotterie des Lebens.

In der FAZ las man im Oktober 2007 – kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise - einen Artikel mit der Überschrift: „Die besten Hedge-Fonds: Jedes Jahr fast 50 Prozent Rendite.“

Tatsächlich schaffte der beste Fonds eine durchschnittliche 3-Jahresrendite von 28 Prozent und sechs Fonds erzielten bis zu 48 Prozent in einem Jahr. Diese Ergebnisse lagen deutlich über den Marktrenditen dieser Jahre (Dow Jones Index; 2005: -0,61 %, 2006: 16,29 %, 2007: 6,43 %).

„So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ (Matthäus 19,30)

Doch in der dann folgenden Finanzkrise wendete sich das Blatt. Einige Hedgefonds verloren stärker als der breite Aktienmarkt, da sie eben nicht nur Standardaktien im Depot hielten, sondern höhere Risiken eingegangen waren, z.B. durch illiquide Nebenwerte oder andere komplexe Finanzprodukte, wie die damals beliebten Kreditausfallversicherungen (CDOs).

Dr. Dieter Kaiser schreibt in seinem Buch „Hedgefonds. Entmystifizierung einer Anlagekategorie“:

„Zu den Gründen für das schlechte Abschneiden von Hedgefonds zählen zum einen deren Aktienmarkt-Abhängigkeit (Beta-Exposure), zum anderen aber auch spezielle Faktoren des Jahres 2008 wie der Konkurs von Lehman Brothers oder aber die zeitweisen Leerverkaufsverbote.

Mit dem Konkurs von Lehman Brothers fiel den Hedgefonds zum einen ein wichtiger Handelspartner weg, zum anderen sorgte dieser aber auch für kurzfristig stark ansteigende Sicherheitshinterlegungsanforderungen anderer Prime Broker, was sogar so weit führte, dass einige Investmentbanken den Hedgefonds ihre ganze Fremdkapitalfaszilität kündigten – beides passierte häufig mit einer sehr kurzen Ankündigungsfrist. (...)

Diese Gegebenheiten führten schließlich dazu, dass ein dramatischer Abverkauf aller als risikoreich betrachteten Investments einsetzte, sei es aus Gründen, die die Investments selbst betrafen oder aus Panik vor weiteren Verlusten, zur Gewinnmitnahme oder Liquiditätsbeschaffung. (...)

In Folge der ersten Welle an negativen Wertentwicklungen der Hedgefonds, wobei viele Manager neue historische Maximalverluste erzielten, folgte eine Welle an Kündigungen – nach Schätzungen von HFR wurden aus Hedgefonds im dritten Quartal 2008 31 Mrd. US-Dollar durch Kündigungen entzogen und im vierten Quartal 2008 noch einmal 151,7 Mrd US-Dollar, welche die Hedgefonds dazu zwang, in einem negativen Marktumfeld Positionen abzubauen, um Barmittel zu generieren, um die Kündigungen der Investoren zu bedienen.“ (2)

Zwar verloren die Hedgefonds 2008 im Durchschnitt weniger als der Gesamtmarkt: der Hedgefonds-Index von Credit-Suisse/Tremont weist für 2008 eine Negativrendite von 19,07 % aus (der Dow Jones Index verlor -33,84 %), aber die guten überdurchschnittlichen Ergebnisse der Vorkrisenphase waren mit dem Crashjahr 2008 eben auch zunichte.

Auch an den Märkten kommt irgendwann alles wieder ins Gleichgewicht. Die Durchschnittsrendite des Hedgefonds-Index von Credit-Suisse/Tremont wies im 5-Jahreszeitraum 2004-2008 nur noch 8,73 Prozent aus und näherte sich damit wieder der langfristigen Durchschnittsrendite des US-Aktienmarktes an. (3)

Diese Betrachtung lässt außen vor, dass Hedgefonds 2008 erstmals und in einer bisher ungekannten Weise ihre Anlageziele verfehlten (z.B. stetige und positive jährliche Renditen, auch „Absolute Return“ genannt) und vor allem nach der Finanzkrise in den Folgejahren den Gesamtmarkt massiv „underperformten“.

Berühmtestes Beispiel dieser Misere war die Anfang 2008 eingegangene Wette Warren Buffetts mit dem Hedgefonds-Manager Ted Seides, der kürzlich die Wette als verloren aufgab. Seine Auswahl von Hedgefonds verdiente seit Anfang 2008 nur 2,2 Prozent pro Jahr, Buffetts Indexfonds auf den S&P 500 über 7 Prozent p.a. – trotz Finanzkrise. (4)

Diese Beobachtungen zeigen, dass aktives Management von Aktien – ob nun als Hedgefondsmanager, Trader oder Analyst, in einigen Phasen sehr hohe Zusatzerträge erwirtschaften kann.

Der Preis aber, den wir dafür zahlen müssen ist oft ungerechtfertigt hoch und manchmal nicht von außen erkennbar. Stress, hohe Kosten (z.B. Finanzierungs- oder Transaktionsgebühren) und am Ende eine fehlende Garantie, dass sich die Mühe wirklich auszahlen wird. Auf die aktive Auswahl von Aktien übertragen bedeutet das, dass wir um Gewinne mit spekulativen Wetten erzielen zu können, in Kauf nehmen müssen, auch einige dieser Wetten zu verlieren.

Paul Tudor Jones, wohl einer der größten Hedgefonds-Manager unserer Zeit (Platz 122 auf Forbes-400-Reichenliste) sagt ganz offen:

"The idea that you can't beat the markets is a frightening prospect.“ (5)

Bei der Auswahl einer Börsenstrategie werden die - wie man in der Fachsprache sagt - Opportunitätskosten oft unterschätzt.

Die viel gelobte „Extra-Meile“, ob nun zum Erfolg im Job, beim Sport oder eben an der Börse ist, häufiger als wir glauben, zu teuer erkauft.

Wenn ich als Anleger die Wahl habe, entweder mit einem Indexfonds/ETF im Durchschnitt 6 – 8 % Rendite zu erwirtschaften und dabei mein Depot vielleicht 1-2 Mal im Monat maximal anschauen oder bewegen muss (es geht auch deutlich weniger, je nach Investmentstil) und im Vergleich dazu mit einer aktiven Managementstrategie (ich unterstelle, dass ich nicht besser als die Hedgefonds-Größen der Wall Street bin) vielleicht 8 - 10 % verdiene, dafür aber deutlich höhere Opportunitätskosten habe, dann ist die Entscheidung für mich logisch.

Oder andersherum gedacht: die andere Beschäftigung schlichtweg irrational.

Wenn wir auf unser Beispiel mit dem Straßenverkehr zurückkommen, dann ist das ein bisschen so, als würde man den Raser von der letzten Kreuzung an der nächsten roten Ampel wiedertreffen.

Mir passiert das erstaunlich oft. Manchmal sogar auf dem Fahrrad.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

--

(1) Die besten Hedgefonds. Jedes Jahr fast 50 Prozent Rendite. FAZ-Artikel vom 01.10.2007.
(2) Hedgefonds: Entmystifizierung einer Anlagekategorie. Dieter G. Kaiser. 2009, S. 17f.
(3) Risikomanagement: Banken, Versicherungen und andere Finanzinstitutionen. John Hull. 2011, S. 95f.
(4) Buffett gewinnt Hedgefonds-Wette und beweist, dass hohe Kosten dein Feind sind. The Motley Fool vom 22.09.2017.
(5) Übersetzung: "Die Vorstellung, dass Du nicht den Markt schlagen kannst, ist ziemlich beängstigend."
(6) Grafik 1 im Anhang: "Die richtige Spur zu erraten, ist ein stressiges Spiel." Dimensional Fund Advisors: Investment Principles.
(7) Grafik 2 im Anhang: Hedge Funds Underperform The S&P For The 7th Year In A Row. Zerohedge.com vom 22.02.2015.

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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