Wissensartikel
16:02 Uhr, 14.09.2023

Alles, was ihr über IPOs wissen müsst

IPO steht für Initial Public Offering und bezeichnet das erstmalige öffentliche Angebot von Aktien durch ein Unternehmen, inkl. Handelsaufnahme an der Börse.

Dabei kann es sich um Aktien aus dem Bestand von Altaktionären handeln (d.h. diese Aktionäre „machen Kasse“) oder neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung (d.h. dem Unternehmen fließt dabei frisches Geld zu) oder um eine Mischform.

Einem Unternehmen stehen vier Möglichkeiten zur Verfügung, an die Börse zu gehen.

Klassisches IPO

Der "normale", klassische IPO ist ein Börsengang unter Einbezug von Investmentbanken. Diese erarbeiten gemeinsam mit dem Unternehmen einen „fairen Wert“ für das Unternehmen oder besser eine Bewertungsspanne, die sich im sogenannten Bookbuilding-Verfahren widerspiegelt. In einer Preisspanne (z.B. 10 bis 12 EUR) werden die Aktien Investoren angeboten und diese bieten dafür, d.h. sie ordern eine bestimmte Stückzahl zu einem bestimmten Preis, bzw. zu jedem Preis. Im Vorfeld loten die Investmentbanken die Zahlungsbereitschaft bei institutionellen Investoren wie Fonds und Beteiligungsgesellschaften aus, diese Informationen fließen mit in die Preisspanne ein. Die Banken nutzen dabei natürlich auch ihre Kontakte und machen sozusagen Werbung für die Aktie. Je nach Börsenlage wird die Bookbuilding-Spanne dann mehr oder weniger ausgereizt oder sogar (mehrfach) angepasst. Jedem Unternehmen ist einerseits natürlich daran gelegen, möglichst viel Geld mit einem IPO zu erlösen und damit auch den Preis hoch anzusetzen, andererseits ist aber psychologisch auch eine Erfolgsstory an der Börse wichtig. Deswegen kann es oft, insbesondere bei Technologie-Aktien, dazu kommen, dass der von den Zeichnern der im Rahmen des IPO erworbenen Aktien gezahlte Preis deutlich unter dem Preis liegt, zu dem die Aktie dann an der Börse gehandelt wird. Dieses Phänomen des „zu billig Anbietens“ der Aktien nennt man Underpricing.
Der klassische Börsengang hat für das Unternehmen Vor- und Nachteile. Die Investmentbanken kassieren zwar eine spürbare Provision (5-7 %), dafür ist die Wahrscheinlichkeit, dass das IPO auch reibungslos über die Bühne geht, erhöht.

Wie kann ich als Privatanleger an klassischen IPOs partizipieren?
Wer an klassischen IPOs teilnehmen will, kann dies per Zeichnung der Aktien dann tun, wenn der eigene Broker dies anbietet. Dies ist der Regelfall dann, wenn der Broker bzw. dessen Muttergesellschaft zum Banken-Konsortium gehört, welches das Unternehmen an die Börse bringt. Der Regelfall ist die Überzeichnung, d.h. es werden viel mehr Aktien gezeichnet, als angeboten werden. Es kommt dann zu einer quotalen Zuteilung, wobei in der Regel auch bestimmte Kontingente für Anlegergruppen (Fonds, Privatanleger etc.) vorgesehen sind.

Direktlisting (direct listing)

Dabei handelt es sich um eine immer häufiger genutzte Form des IPO (z.B. von Spotify und Slack). Dabei wird der teure Weg über die Investmentbanken umgangen. Alle Interessenten, egal ob Institutionelle oder Privatanleger, können die Aktien am ersten Handelstag direkt an der Börse erwerben. Im Orderbuch stapeln sich, teils stundenlang, Kaufaufträge von neuen Investoren und Verkaufsaufträge von Altaktionären bzw. der emittierenden Aktiengesellschaft. Mutmaßlich lässt sich so der höchste Erlös für das Unternehmen erzielen. Jeder, der will, kann von Anfang an dabei sein. Zeichnungsgewinne im klassischen Sinne sehen hier anders aus, denn der erste Börsenkurs ist sozusagen der Zeichnungspreis, während beim klassischen IPO der erste Kurs oft deutlich über dem Zeichnungspreis (auch Platzierungspreis genannt) liegt. Den Weg des Direktlistings können sich nur Unternehmen erlauben, die darauf setzen könnten, ihre Aktien auch ohne die Hilfe von Investmentbanken unters Volk zu bringen. Dann winken aber eine erhebliche Kostenersparnis und ein höherer Emissionserlös. Eine Spezialform eines Direktlistings ist die reine Notizaufnahme, ohne dass damit ein kommuniziertes Angebot an Aktien einhergeht. Eine Notizaufnahme von Aktien erfolgt z.B. bei Abspaltung (Spin-off) einer Tochtergesellschaft, wenn Aktionäre der Muttergesellschaft Aktien der Tochter erhalten.

Wie kann ich als Privatanleger an Direktlistings teilhaben?
Ihr könnt wie bei einem ganz normalen Aktienkauf am Tag des Listings Kauforders abgeben - limitiert oder auch unlimitiert ("market").

Reverse IPO

Die Übernahme einer bereits notierten Aktiengesellschaft und die Einbringung des eigenen Geschäfts bzw. der eigenen Gesellschaft in dieses Unternehmen nennt man Reverse IPO. Oft spielt das operative Geschäft der bereits notierten AG keine Rolle oder existiert de facto nicht, sodass man auch von einem „Mantel-Deal“ spricht. Gesellschaftsrechtlich wird dabei eine Sacheinlage vorgenommen, die dann zu neuen Aktien der schon börsennotierten Gesellschaft führen. Selbst insolvente Gesellschaften können mittels eines Insolvenzplans entschuldet werden und stehen dann als Mantel zur Verfügung. An frisches Geld kommt ein Unternehmen auf diesem Weg allerdings zunächst nicht. Dazu müsste es nach dem Mantel-Deal noch Kapitalerhöhungen durchführen.

Wie kann ich als Privatanleger an einem Reverse IPO mitmachen?
Ihr kauft Aktien der bereits notierten Aktiengesellschaft. Beachtet aber unbedingt die im Rahmen der Einbringung erfolgenden Kapitalmaßnahmen, die euren Anteil verwässern.

SPAC

Dies ist der "trendigste" Weg an die Börse, wenn gleich der Hype schon völlig abgeflaut ist, und eine Spezialform des Reverse IPO. SPAC steht für Special Purpose Acquisition Company. Der einzige Zweck des SPAC ist das Einsammeln von Geld von Investoren, um anschließend ein passendes Übernahmeobjekt zu finden. Für Unternehmen, die an die Börse streben, bedeutet es vor allem Zeitersparnis ggü. einem klassischen IPO, auf einen SPAC zu setzen. Die Verhandlungen werden nur mit den Sponsoren des SPAC geführt, nicht mit einem Banken-Konsortium wie bei einem klassischen IPO. Und im Gegensatz zum oben erwähnten Mantel-Deal hat der SPAC auch schon mehrere 100 Mio. USD Kapital. Es könnte aber auch sein, dass das Management des SPAC Kandidaten kontaktiert, die gar nicht aktiv den Weg an die Börse gesucht hatten. Leset zu SPACs z.B. den Artikel Vorsicht vor diesem Aktien-Hype.

Wie kann ich als Privatanleger an einem Börsengang via SPAC teilnehmen?
Ihr kauft Anteile des SPACs an der Börse.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Chefredakteur

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Seit 2012 leitet Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader)
Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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