Wissensartikel
00:04 Uhr, 13.10.2020

Aktien-Trading: "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen"

Die meisten Anleger weigern sich instinktiv, Aktien zu verkaufen, mit denen sie sich im Verlust befinden. Das ist ein Fehler, der viel Geld kostet.

Erwähnte Instrumente

  • Nasdaq-100
    ISIN: US6311011026Kopiert
    Kursstand: 11.709,07 Pkt (NASDAQ) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Amazon
    ISIN: US0231351067Kopiert
    Kursstand: 3.285,868 $ (NASDAQ) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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Börsenregeln gibt es viele, und manche sind auch eher von zweifelhaftem Nutzen. Mit der Börsenregel "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen" sieht es aber anders aus: Wer diese Regel verinnerlicht und sich auch dazu bringen kann, sich an sie zu halten, hat erfahrungsgemäß einen großen Schritt auf dem Weg zum eigenen Börsenerfolg zurückgelegt. (mehr dazu am morgigen Dienstag, wenn es um Tradingpsychologie und Money-Management geht)

Den meisten Anlegern fällt es äußert schwer, Gewinne laufen zu lassen und Verluste zu begrenzen. Das zeigen auch psychologische Experimente. Bei Positionen, die sich im Gewinn befinden, neigen viele Anleger dazu, Gewinne vorschnell mitzunehmen und so "Buchgewinne" in "echtes Geld" zu verwandeln (Die eher zweifelhafte Börsenregel "An Gewinnmitnahmen ist noch keiner gestorben" rät ja auch ausdrücklich dazu.)

An Verlustpositionen wiederum wird eisern festgehalten, einfach weil sich die Position ja theoretisch noch erholen könnte. Dass sich die Aktie ganz offensichtlich nicht wie erwartet entwickelt hat, wird einfach ausgeblendet und es wird zwanghaft nach vielen guten Gründen gesucht, warum ganz sicher noch die Erholung kommt.

Wer allerdings immer seine Gewinnpositionen verkauft und seine Verlustpositionen behält, der neigt dazu, während der Großteil seiner Zeit und mit dem Großteil seines Kapitals in Positionen investiert zu sein, die sich zumindest bisher entgegen der eigenen Einschätzung entwickelt haben.

Die Amazon-Aktie gehört seit Jahren zu den Outperformern
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Instinktiv glauben viele Anleger und Trader an eine "mean reversion" am Aktienmarkt: Was stark gefallen ist, das muss auch wieder steigen und was stark gestiegen ist, das muss wieder fallen. Zu bestimmten Zeiten und vor allen in bestimmten Zeitebenen existiert ein solcher Effekt durchaus. Für die meisten Anleger relevanter ist allerdings der gegenteilige Momentum-Effekt: Der Momentum-Effekt bedeutet, dass Vermögenswerte, die in der Vergangenheit eine besonders gute oder schlechte Wertentwicklung gezeigt haben, dies häufig auch in Zukunft tun. Gerade auf Sicht von einigen Monaten bis hin zu anderthalb Jahren überwiegt oft der Momentum-Effekt: Aktien, die stark gestiegen sind, neigen zu weiteren Kursgewinnen. Das gilt zwar nicht für jede einzelne Aktie und auch nicht zu jeder Zeit, wohl aber im statistischen Mittel.

Der Momentum-Effekt erklärt auch, warum die Börsenregel "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen" ihre Berechtigung hat: Hält sich ein Anleger oder Trader konsequent an diese Regel, so profitiert er davon, dass es an einigen Märkten vorübergehend tatsächlich zu länger anhaltenden Trends kommt.

Die Wirtschaft ist ein dynamisches Gebilde, in dem der Wert eines profitablen Unternehmens durchaus jahrzehntelang stark zulegen oder auch abnehmen kann. Verzehnfachungen oder Verhundertfachungen im Wert einer Aktie kamen immer wieder vor. Und eine Aktie, die 90 Prozent ihres Wertes verloren hat, kann durchaus (bezogen auf ihr erniedrigtes Kursniveau) erneut 90 Prozent ihres Wertes verlieren.

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Mit der Commerzbank-Aktie haben Anleger seit der Finanzkrise viel Geld verloren

Dass eine Aktie stark gestiegen ist, bedeutet nicht, dass sie nicht weiter steigen kann. Dass eine Aktie stark gefallen ist, bedeutet auch nicht, dass sie nicht weiter fallen kann. Ganz im Gegenteil: Kursgewinne bzw. -verluste in der jüngsten Vergangenheit (in einem Zeitraum von ca. 3 bis 18 Monaten) gehen tatsächlich sogar mit einer etwas erhöhten Wahrscheinlichkeit einher, dass sich die jüngsten Bewegungen fortsetzen. Genau das ist der Momentum-Effekt.

Bestes Beispiel für die Wirkung des Momentum-Effekts ist die Outperformance der US-Technologieaktien am breiten US-Aktienmarkt, die schon seit vielen Jahren anhält. Der folgende Chart vergleicht die langjährige Performance des Nasdaq-100 mit dem S&P 500 (beides Kursindizes):

Nasdaq-100 im Vergleich mit dem S&P 500
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Praktisch seit Beginn dieser Outperformance warnen Mahner und Skeptiker mit Blick auf die hohe Bewertung der Technologiegiganten vor einem baldigen Absturz. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen oder im Gegenteil sogar ziemlich wahrscheinlich, dass diese Mahner und Skeptiker irgendwann Recht behalten werden. Doch bis es so weit ist, haben Anleger und Trader, die ihre Verluste konsequent begrenzen und ihre Gewinne laufen lassen, mutmaßlich viel Geld verdient.

Natürlich bedeutet die Börsenregel "Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen" keineswegs, dass man an Gewinnpositionen ewig festhalten muss und Positionen verkaufen sollte, sobald sie sich im Minus befinden. Aber eine Gewinnposition nur deshalb zu verkaufen, weil sie sich gut entwickelt hat und eine Verlustposition nur deshalb zu behalten, weil man auf eine Erholung hofft, sind typische Anfängerfehler, durch die gerade unerfahrene Anleger schon viel Geld verloren haben.


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Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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