Kommentar
13:31 Uhr, 29.03.2016

Wohin ist das Öl verschwunden?

An Öl mangelt es eigentlich nicht, doch anscheinend gehen erheblich Mengen jeden Tag einfach verloren. Was steckt dahinter und was bedeutet es für Anleger?

Erwähnte Instrumente

  • WTI Öl
    ISIN: XC0007924514Kopiert
    Kursstand: 41,39 $/Barrel (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Brent Crude Öl
    ISIN: XC0009677409Kopiert
    Kursstand: 42,48 $/Barrel (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Das Wall Street Journal machte vor zwei Wochen eine interessante Feststellung. Vergleicht man die weltweite Ölproduktion mit dem Verbrauch, dann ergibt sich der Produktionsüberschuss, unter dem der Markt leidet. Vergleicht man diesen Produktionsüberschuss nun aber mit dem Lagerbestand, dann stimmen diese Zahlen nicht mehr überein. Das kann eigentlich nicht sein.

Halten sich Produktion und Verbrauch nicht genau die Waage, dann muss der Produktionsüberschuss bzw. das Defizit irgendwie aufgefangen werden. Das geschieht, indem der Lagerbestand auf- oder abgebaut wird. Im vergangenen Jahr lag die tägliche Überproduktion bei ungefähr 2 Mio. Barrel pro Tag. Die Öllager füllten sich jedoch lediglich um 1,2 Mio. Barrel pro Tag. Die Differenz von 800.000 Barrel lässt sich nicht so einfach erklären.

Die Öllager füllen sich langsamer, als sie es eigentlich tun müssten. Das gibt einige Rätsel auf. 800.000 Barrel können ja kaum einfach so verloren gehen. Die Menge entspricht immerhin der Füllung eines Öltankers.

Die Differenz lässt sich auf verschiedene Arten erklären. Grafik 1 zeigt die weltweite Ölproduktion für die OPEC und Nicht-OPEC Länder. Der Trend zeigt klar nach oben, aber möglicherweise täuschen die Zahlen ein wenig. Keiner weiß exakt, wie viel Öl tatsächlich gefördert wird. Zumindest weiß man es erst mit großer zeitlicher Verzögerung.

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Die Produktionsmengen, die in den Medien herumgereicht werden, sind Schätzungen. Sie können korrekt sein, müssen es aber nicht. Um die fehlenden 800.000 Barrel zu erklären genügt es, wenn die Produktionsschätzungen einfach zu hoch angesetzt sind. Das Überangebot an Öl wäre dann weitaus geringer, als man bislang dachte.

Bevor sich Anleger jedoch darüber freuen, dass das Ölangebot doch knapper ist als gedacht und der Preis weiter steigen muss, sollte man innehalten. Es gibt auch andere Erklärungsmöglichkeiten. Die Überproduktion setzt sich aus zwei Faktoren zusammen, der Produktion und der Nachfrage. Stimmen die Produktionsdaten, dann können immer noch die Schätzungen des Verbrauchs falsch liegen.

Wird der Verbrauch falsch eingeschätzt, dann wird er aktuell unterschätzt. Es wird also mehr Öl verbraucht als angenommen. Auch das wäre eigentlich ein Grund zur Freude, doch so einfach ist die Sache nicht. Grafik 2 zeigt die weltweite Produktion und den globalen Verbrauch. Die Differenz aus diesen beiden Zeitreihen ergibt den Angebotsüberschuss. Dieser Angebotsüberschuss müsste sich in den Lagerdaten widerspiegeln, tut er aber so gut wie gar nicht.

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Die blaue Fläche in der Grafik zeigt, wie sich der Lagerbestand hätte verändern müssen, wenn Produktions- und Verbrauchsdaten korrekt wären. Die dunkelblaue Linie zeigt den gemeldeten Lagerbestand. Dieser zeigt seit Jahren einen positiven Trend. Zwischen 1984 und 2015 ist der Lagerbestand insgesamt um 1 Mrd. Barrel gestiegen. Stellt man diesem Anstieg die Abweichung gegenüber, die sich aus den Produktions- und Verbrauchsdaten ergeben, dann hätte der Lagerbestand nicht steigen, sondern fallen müssen.

Seit 1980 haben Verbraucher insgesamt 2,5 Mrd. Barrel mehr nachgefragt als gefördert wurden. Der Lagerbestand müsste heute entsprechend tiefer stehen als damals. Er steht jedoch höher. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass die globalen Produktions- und Verbrauchszahlen nicht akkurat sein können. Grundsätzlich können auch Lagerdaten falsch sein, doch Lagerdaten sind einfacher nachzuvollziehen und ziemlich exakt zu bestimmen. Bei der Produktion ist das anders. Wer führt schon genau Buch darüber, wohin ein kleines Unternehmen sein Öl verkauft?

Höchstwahrscheinlich sind die Produktionsdaten am ehesten von der Realität entfernt. Jeder weiß, dass OPEC Länder ihre Produktion gerne tiefstapeln, um die Förderquoten nicht zu überschreiten. Das erklärt die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, in denen mehr produziert worden sein muss als gemeldet.

Das Fall der fehlenden 800.000 Barrel Öl ist im Kern unspektakulär. Oftmals werden Daten miteinander verglichen, die nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Der eine Datensatz enthält z.B. bestimmte Kondensate, der andere nicht. Allein diese Unschärfe kann über die Jahre für hohe Abweichungen sorgen.

Andere Erklärungsansätze berufen sich nicht auf fehlerhafte Daten, sondern vielmehr auf Käufe von Ländern wie China. China dürfte die niedrigen Preise nutzen, um den Lagerbestand zu stärken, ohne genaue Zahlen zu melden. Sollten die Preise zukünftig wieder deutlich steigen, könnten diese Bestände abgebaut werden.

Letztlich ist der Fall der verschwundenen Barrel ein guter Hinweis für Anleger, die Zahlen kritisch zu hinterfragen. Die veröffentlichten Zahlen sind oftmals Schätzungen und können von der Realität erheblich abweichen. Am Überangebot sollte man nicht zweifeln. Vielmehr muss man sich fragen wie hoch es wirklich ist. Die Daten geben keine absolut korrekten Werte an, sondern vielmehr eine Tendenz. Das sollten Anleger im Kopf behalten, bevor sie aufgrund einzelner Datensätze ihre Anlagestrategie ändern.

Lars Gottwik

Partner & COO JFD Brokers
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Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.

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1 Kommentar

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  • spindoc
    spindoc

    Interessante Beobachtung in der Tat. Allerdings gibt es eine mögliche, recht simple Erklärung, wohin das Öl (vorübergehend) "verschwindet" - sofern nämlich in die Schätzung der Lagerbestände folgendes Phänomen nicht einfliesst:

    http://de.reuters.com/article/m-rkte-erd-l-h-ndler...

    Grosse Anzahl an "parkenden" Tankern werden in den letzten Wochen nämlich von überall auf der Welt gemeldet: vor Rotterdam, im Golf von Mexico vor Texas, im Persischen Golf, um Japan herum...

    18:07 Uhr, 29.03. 2016

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