Wird sie, oder wird sie nicht?
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Für eine oder mehrere weitere Leitzinserhöhungen spricht die nach wie vor hohe Teuerung in der Eurozone. Die Inflationsrate lag im August mit 5,3 Prozent noch mehr als doppelt so hoch wie das EZB-Ziel von zwei Prozent. Noch wichtiger: Die Teuerung hat sich im August nicht weiter abgeschwächt, sondern blieb auf dem Niveau des Julis. Zudem liegt der Leitzins noch niedriger als die Inflationsrate. Einen deutlich bremsenden Effekt hat das Zinsniveau oft dann, wenn es höher liegt als die Inflation.
Es gibt aber auch Argumente gegen eine Anhebung, und die überwiegen für verschiedene Ökonomen. So hat sich die Konjunktur in der Eurozone zuletzt deutlich eingetrübt. Weitere Zinsanhebungen könnten die drohende Wirtschaftseintrübung noch verschärfen. Basiseffekte dürften außerdem dafür sorgen, dass sich die Inflation im September und Oktober deutlich eintrübt.
Die US-Investmentbank Lazard sieht wenig Argumente für eine Zinsanhebung heute. „Nach über 4 Prozent Leitzinserhöhung in gut einem Jahr, einer deutlichen Abschwächung des Wachstumsausblicks für die Eurozone in den zurückliegenden Wochen und leicht rückläufiger Inflationsraten spricht unserer Einschätzung nach Vieles gegen eine weitere Zinsanhebung der EZB an diesem Donnerstag“, schrieb Michael Weidner, Mitglied der Geschäftsführung und Co-Leiter des globalen Rentenmanagements bei Lazard Asset Management in einem Marktkommentar. Allerdings sei es sicher noch zu früh, den Sieg über die Inflation auszurufen, deshalb seien weitere Anhebungen in den kommenden Monaten möglich.
Ökonomen der Deutsche-Bank-Tochter DWS glauben hingegen an eine letzte Zinserhöhung. „Es ist zugegebenermaßen eine knappe Angelegenheit, aber wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) (...) ein weiteres Mal die Leitzinsen anheben wird“, schrieb Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa bei DWS, in einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Statement. „Mit einem Einlagensatz von vier Prozent sollte es das dann aber auch gewesen sein in diesem äußerst ungewöhnlichen Zinserhöhungszyklus.“
Ähnlich wie die DWS sieht es auch der US-Vermögensverwalter Vanguard. „Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag wird voraussichtlich knapp ausfallen“, so Shaan Raithatha, Senior Investment Strategist bei Vanguard. „Wir erwarten, dass der EZB-Rat sich für eine Anhebung des Zinssatzes für die Einlagefazilität um 25 Basispunkte auf vier Prozent entscheiden wird. Diese Einschätzung basiert auf der anhaltend hohen Kerninflation und den zunehmenden wirtschaftlichen Risiken aufgrund des jüngsten Anstiegs der Rohstoffpreise und der Inflationserwartungen. Es wäre jedoch nicht überraschend, wenn eine Zinspause in Erwägung gezogen wird, sollte sich die wirtschaftliche Lage drastisch verschlechtern. Eine solche Pause könnte auch als der pragmatischere Weg angesehen werden, da die Märkte derzeit nur eine 35-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung einpreisen.“
Egal wie sich die EZB heute entscheiden wird: EZB-Präsidentin Christine Lagarde dürfte alles daran setzen, eine Vorfestlegung für die kommenden Monate zu vermeiden. Hebt die EZB heute den Leitzins nicht weiter an, dürfte Lagarde auf der Pressekonferenz betonen, dass das keineswegs automatisch ein Ende des Zinserhöhungszyklus bedeutet, sondern dass eine oder mehrere weitere Anhebungen in den kommenden Monaten durchaus möglich bleiben. Erhöht die EZB den Leitzins weiter, dürfte Lagarde auf der Pressekonferenz auf die Möglichkeit hinweisen, dass dies der letzte Zinsschritt gewesen sein könnte. Am wahrscheinlichsten für heute ist also eine „dovishe Anhebung“ oder eine „hawkishe Zinspause“.
Fazit: Es ist nicht sicher, ob die EZB heute erneut an der Zinsschraube dreht oder nicht. Auch Ökonomen der wichtigsten Banken und Vermögensverwalter sind in dieser Frage gespalten. Für eine weitere Leitzinserhöhung spricht die nach wie vor hohe Inflation, gegen eine Anhebung die Gefahr einer Konjunktureintrübung und die Aussicht auf eine Abschwächung der Teuerung in den kommenden Monaten. Egal wie sich die EZB entscheidet: Sie dürfte alles daran setzen, eine Vorfestlegung für die kommenden Monate zu vermeiden.
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