Werden wir alle von der EZB enteignet?
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Prof. Paul Kirchhof ist schon länger als erklärter Gegner der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bekannt. Nun hat der ehemalige Verfassungsrichter seine Auffassung in einem Rechtsgutachten für die Sparda-Banken, das gleichzeitig auch als Buch erscheint, niedergelegt.
Nach Einschätzung von Kirchhof verletzt die Negativzinspolitik der EZB die verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsrechte der Sparer. "Die Europäische Zentralbank betreibt mit ihrer hoheitlich gestützten Marktmacht eine Nullzinspolitik, die den Zins als Ertragsquelle versiegen lässt. Außerdem verringert der Negativzins das Eigentum der Sparer Jahr für Jahr in seiner Substanz. Das Geldeigentum hat für den Sparer jedoch nur den Nutzwert des Zinses und den Substanzwert der gesparten Geldsumme. Beide Eigentümerrechte werden verletzt", schreibt Kirchhof.
In ihrer eigentlichen Aufgabe, der Sicherung der Geldwertstabilität, sei die EZB in den vergangenen Jahren erfolgreich gewesen, so Kirchhof. Mit Null- und Negativzinsen überschreite die EZB aber ihr Mandat und betreibe insgeheim Wirtschaftspolitik, "um den überschuldeten Staaten billige Kredite und sogar finanzielle Anreize zur weiteren Verschuldung zu bieten", schreibt der ehemalige Verfassungsrichter. "Ein solcher Akt jenseits der zugebilligten Kompetenz der EZB überschreitet die europarechtlichen Grenzen der Staatsverschuldung und widerspricht dem Verschuldungsverbot des Grundgesetzes."
Die Argumente von Kirchhof sind nicht neu und werden von Gegnern der EZB-Geldpolitik seit Jahren auch in immer neuen juristischen Verfahren vorgebracht, letztlich aber ohne großen Erfolg. Zwar erklärte das Bundesverfassungsgericht im Mai 2020 in einem aufsehenerregenden Urteil die Beschlüsse der EZB zu ihrem Staatsanleihenkaufprogramm für "kompetenzwidrig" und nicht verfassungskonform, gab sich anschließend allerdings damit zufrieden, dass der EZB-Rat eine erneute Verhältnismäßigkeitsprüfung vornahm, die von Bundesregierung und Bundestag abgesegnet wurde.
Die EZB verteidigt ihre Niedrig- und Nullzinsen vor allem mit der angeblichen wirtschaftlichen Notwendigkeit. Die Menschen seien eben nicht nur Sparer, sondern zum Beispiel auch Arbeitnehmer. Bürger hätten aber nichts davon, wenn es zwar wieder Zinsen auf ihr Geld gebe, dafür aber wegen unangemessen hoher Zinsen Arbeitsplätze verloren gingen, so die Sichtweise der EZB. Völlig von der Hand zu weisen ist diese Sichtweise auch nicht, schließlich ist die Arbeitslosenquote in der Eurozone zwischen 2013 und 2020 von über 12 Prozent auf gut sieben Prozent gesunken, bevor die Corona-Pandemie zu einem erneuten Anstieg führte.
Aber noch ein weiterer Aspekt sollte beachtet werden: Ob Bürger wirklich "enteignet" werden, hängt nicht in erster Linie von der nominalen, sondern von der realen Zinshöhe ab. Der Realzins ist dabei die Differenz zwischen nominalen Zinsen und der Inflationsrate. Bei einem Zinssatz von drei Prozent und einer Inflationsrate von ebenfalls drei Prozent hat der Sparer zwar mit der Zeit mehr Geld in der Tasche, kann sich davon aber ebenfalls nicht mehr leisten. Nominal negative Zinsen sind zwar eine neue Entwicklung seit der Finanzkrise, negative Realzinsen gab es aber in der Geschichte immer wieder.
Allerdings deutet sich mit Blick auf die Realzinsen für die kommenden Jahre sogar eine Verschärfung an: Denn die Inflation dürfte einerseits anziehen, andererseits dürfte die EZB darauf aber nur mit einer gewissen Verzögerung reagieren und vorübergehend sogar eine erhöhte Inflation akzeptieren. Die Bürger würden dann gewissermaßen doppelt enteignet: Einerseits durch Null- und Negativzinsen, andererseits durch die Inflation, die dazu führt, dass das Geld der Bürger immer weniger wert ist.
Negative Realzinsen werden die "finanzielle Repression" für die Bürger in den kommenden Jahren wohl noch verschärfen. Wer sein Geld "risikolos" auf Sparbüchern oder in Lebensversicherungen parkt, wird durch Negativzinsen und Inflation gleich doppelt enteignet. Nur wer sein Geld in Vermögenswerte wie Aktien oder Immobilien investiert, kann hoffen, sowohl den Negativzinsen als auch der Inflation ein Schnippchen zu schlagen und beim Vermögenszuwachs zumindest mit dem Tempo der Geldmengenausweitung Schritt zu halten.
Was muss passieren, dass Sparer ihr Vertrauen zurückerlangen? Prof. Kirchhof beantwortet die Frage im unten verlinkten Kurzinterview so: "Wir brauchen den großen Wendepunkt. Wir haben uns völlig verheddert im Unrecht und jetzt muss der Sparer wieder erleben: Erstens, dass er mit seinem Sparkapital Erträge erzielen kann. Zweitens, dass die Staaten, weil es das Gesetz so befiehlt, auf weitere Neuverschuldung verzichten. Und drittens, dass Euro gleich Euro ist. [Der Sparer] wird in seinem Spar-Euro in gleicher Weise geschützt, wie etwa der andere, der Aktienerträge bekommt in Euro oder Gehälter oder Boni. Dieser Umbruch, der muss beginnen. (...) Schritt für Schritt zurück zum Recht, zur Gediegenheit, zur Währungsstabilität."
Das Rechtsgutachten von Prof. Paul Kirchhof für die Sparda-Banken ist als Buch unter dem Titel "Geld im Sog der Negativzinsen" im Verlag C. H. Beck erschienen und ab heute erhältlich.
Link: Kurzinterview mit Prof. Kirchhof auf Youtube
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ja vollkommen klar die Notenbanken werden noch in 10 Jahren verkünden das sie aus der lockeren Geldpolitik aussteigen wollen. Nur es wird nie passieren dann sind viele EU Staaten Pleite. Eigentlich sind sie das schon heute. Ich gehe weiter und sage das ist Betrug am Sparer und wird den nächsten großen Crash auslösen. Es wird eben noch 10 Jahre dauern bis die Masse der Bevölkerung das begreift. Damit wird der Weg in staatenlose Währungen vorbereitet. In den nächsten Jahren werden noch einige Staaten ihre eigene Währung ganz aufgeben weil sie keiner mehr haben will.