Fundamentale Nachricht
10:25 Uhr, 29.03.2016

„Wenn der Schoko-Traum zum Trauma wird“

Während die Nachfrage weiter steigt, stellen Klimawandel und soziale Probleme nach Meinung von Stefan Rößler, quantitativer Analyst im ESG-Team der Erste Asset Management, in der Schokoladenproduktion eine Herausforderung dar.

Erwähnte Instrumente

  • Kakao
    ISIN: XC0005705816Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (ARIVA Indikation)

Wien (GodmodeTrader.de) - Die Zeit, in der Schokolade ein Luxusgut war, ist lange vorbei. Stolze 5,2 kg konsumieren wir Europäer pro Person und Jahr. Und während die Nachfrage weiter steigt, stellen Klimawandel und soziale Probleme in der Schokoladenproduktion eine Herausforderung dar, die zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führt. Da kann der Schoko-Traum für die Kakaobauern und andere ganz schnell zum Trauma werden. Stefan Rößler, quantitativer Analyst im ESG-Team der Erste Asset Management, erläutert in einem GodmodeTrader.de freundlicherweise von Erste Asset Management zur Verfügung gestellten Interview, wie man das ändern kann.

Herr Rößler, viele naschen gern Schokolade. Doch den meisten ist nicht bewusst, dass der Kakao-Anbau und die weitere Verarbeitung durchaus Probleme hervorrufen.

Rößler: Das ist korrekt. Die Analyse zeigt beim Kakao-Anbau ganz klar zwei Hauptproblemfelder, die in den Bereichen Umwelt und Soziales liegen. Bei Letzterem sind das vor allem Kinderarbeit und niedrige Arbeits- und Sozialstandards. Dagegen wurden auch erste Schritte eingeleitet, nur hapert es an deren Umsetzung. Durch die Vielzahl der Kakaobauern in Westafrika ist eine Organisation schwierig.

Auf der Abnehmerseite stehen die Produzenten aber auch vor einer strukturellen Herausforderung. Weltweit kaufen acht Unternehmen fast die gesamte Ernte auf. Eine intransparente und unübersichtliche Zulieferkette erschwert die Umsetzungen geeigneter Maßnahmen bei den Sozialstandards und auch für die Umwelt zusätzlich.

Sie haben gerade den Umweltaspekt erwähnt, wo bestehen hier die Herausforderungen?

Rößler: Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass zur Herstellung von Schokolade nicht nur Kakao benötigt wird. Hinzu kommen Rohstoffe wie Zucker, Haselnüsse und Palmöl. Diese verursachen in ihrer Herstellung ähnliche Probleme wie der Kakao selbst.

Die hohe Nachfrage nach Schokolade und damit auch nach Kakao hat dazu geführt, dass vornehmlich in eine höhere Produktivität investiert wird. Das ist aber zu einseitig. Notwendig und wünschenswert wäre eigentlich ein Zweiklang: Eine Investition in das Wissen, wie man produktiver wird, aber auch, wie man Kakao nachhaltig anbaut. Der Klimawandel wird laut Prognosen bis 2050 dazu führen, dass der Anbau in Westafrika nicht mehr möglich sein wird. Das trifft auch perspektivisch die Schokoladehersteller, denn die Versorgungssicherheit ist dann irgendwann nicht mehr gegeben.

Investitionen sind ja immer eine Frage der zu erzielenden Preise. Wie sieht es da aktuell aus?

Rößler: Richtig, für entsprechende Investitionen in das Wissen und um die Produktion zu modernisieren, also nachhaltigen Kakaoanbau zu ermöglichen, bedarf es mehr finanzieller Mittel. Der Kakaopreis müsste sich aus unserer Sicht verdoppeln, um die Kakaobauern angemessen zu entlohnen, Bildung zu ermöglichen und den Anbau zu modernisieren.

Ihre Prognose: Werden wir weiterhin den süßen Schokoladenträumen nachgeben können, oder gibt es irgendwann ein Versorgungsproblem?

Rößler: Wir haben uns mit unterschiedlichen Researchagenturen, NGOs und auch Marktteilnehmern unterhalten, die gute Nachricht ist: Es wird auch künftig Kakao und damit Schokolade geben. Diverse Initiativen und Zertifikate etwa von FairTrade, UTZ und Rainforest Alliance gehen in die richtige Richtung. Das sollte jeder individuell unterstützen, indem er beispielsweise Schokolade mit entsprechenden Siegeln kauft. Und das können auch Investoren wie wir als Erste Asset Management: Wir investieren nur in Aktien solcher Unternehmen, die bestimmte Mindeststandards einhalten und keinesfalls Arbeits- oder Menschenrechtsverletzungen in der Zuliefererkette aufweisen. Auch Umweltkontroversen sind Kriterien, die von uns berücksichtigt werden. So kann jeder auf seine Weise dazu beitragen, dass die Kakaobauern ein vernünftiges Einkommen erzielen und ihnen so eine Zukunftsperspektive eröffnet wird. Falls der Wandel zu einem nachhaltigen Kakaoanbau nicht gelingt, ist die Perspektive für die Kakaobauern düster. Dann verlagert sich die Produktion in Regionen, wo trotz des Klimawandels Bedingungen und Gegebenheiten vorgefunden werden, die den Kakaoanbau ermöglichen.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

Mehr Experten