Was machen die Finanzmärkte im zweiten Halbjahr 2015?
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Weltwirtschaft: Verhalten positiv
China leidet neben Blasen am Kredit-, Immobilien- und Aktienmarkt unter einem nicht mehr so robusten Arbeitsmarkt, der die Binnenkonjunktur bremst. Eine Umkehrung des langsamen aber stetigen Abwärtstrends ist selbst im Dienstleistungsgewerbe nicht festzustellen. Und laut Subindex „Exportneuaufträge“ hat sich ebenso die Außenhandelsstimmung weiter verschlechtert.
Allerdings nimmt Peking die konjunkturellen Warnsignale sehr ernst. Aufgrund der zuletzt zurückgefahrenen staatlichen Kreditbeschränkungen, der beschleunigten Genehmigung von Investitionsprojekten sowie der Zinssenkungen der chinesischen Notenbank ist kein hard landing zu befürchten.
Immerhin hat die US-Konjunktur laut ISM Stimmungsindex für das Verarbeitende Gewerbe ihre winterliche Konjunkturdepression hinter sich gelassen. Jedoch sorgt der nach wie vor starke US-Dollar weiterhin für Reibungsverluste in der Exportwirtschaft: Mit 49,5 liegt der ISM-Subindex für Exportaufträge unterhalb der Expansionsschwelle von 50.
Unterdessen erholt sich die Eurozone immerhin stimmungsmäßig dank des schwachen Euro und niedriger Energiepreise.
Geldpolitik: Die Rückkehr zur Normalität ist nur eine Illusion für unverbesserliche Bundesbank-Romantiker
Trotz unklarer konjunktureller Argumente wird die US-Notenbank die Zinswende schon aus Glaubwürdigkeitsgründen einleiten. Immerhin bereitet sie diese seit über einem Jahr verbal vor. Allerdings betonte Frau Yellen, dass für sie weniger der genaue Zeitpunkt der ersten, sondern das anschließende Zinserhöhungstempo entscheidend ist. Ausschlaggebend ist für sie dabei die Datenabhängigkeit. Einem mechanischen Zinserhöhungsautomatismus entgeht sie sehr geschickt mit zuletzt wiederholt gesenkten US-Wachstumsprojektionen. So hat die Fed nach einer ersten Zinserhöhung einen weiten Spielraum für zinspolitische Passivität. Nicht zuletzt hat die US-Wirtschaft die Deflation erst kürzlich hinter sich gelassen und der Subindex für bezahlte Preise signalisiert mit einem erneuten Wert von 49,5 weiterhin begrenzte Inflationserwartungen. US-Unternehmen haben offensichtlich Schwierigkeiten, höhere Preise durchzusetzen. Und dennoch, nach einer ersten Zinserhöhung im September werden die Spekulationen über die anschließende Dynamik zunehmen.
Erst recht gibt es für die Eurozone keinen Grund für geldpolitische Restriktion. Zur erforderlichen Fortsetzung ihrer Rettungsmission wird die EZB das im März begonnene Anleiheaufkaufprogramm planmäßig bis September 2016 umsetzten und nicht vorzeitig einschränken oder gar beenden. Mario Draghi wird nach mühsamer geldpolitischer Beilegung der Euro-Staatsschuldenkrise bzw. Wiedergewinnung von fiskalpolitischer Stabilität sowie einer erst zaghaften konjunkturellen Erholung der Eurozone keinen geldpolitischen Wortbruch riskieren, der das Vertrauen in die „Mutter aller Euro-Schlachten“ einschränken könnte. Zum heutigen Zeitpunkt ist sogar eine Verlängerung des Aufkaufprogramms über September 2016 hinaus zu erwarten, insbesondere im Falle eines Grexit.
Anleihen: Wenn klare Rendite-Wende, dann Finanzmarkt-Ende!
Die geldpolitische Druckbetankung hat einen Anlagenotstand verursacht, der auch noch die letzten Renditepotenziale abweidete. In der Konsequenz ist die größte Anlageblase aller Zeiten, die Anleiheblase, entstanden. Zwar werden die Anleihemärkte aus heutiger Sicht keine neuen Renditetiefstände mehr erreichen. Eine deutliche Trendwende nach oben, die im Extremfall über das Platzen der Anleiheblase auch der Finanzwelt den finalen Schlag versetzte, werden die Notenbanken verhindern (müssen). Ohnehin ist das Vertrauen in die EZB groß, dass sie bei einem Grexit einen Dominoeffekt auf andere Euro-Länder verhindern kann. Der diesbezügliche Renditeanstieg von Italien, Spanien und Portugal hielt sich in Grenzen. Insgesamt wird die Attraktivität von Zinsanlagen auch zukünftig gering bleiben. Allerdings wird die Volatilität an den Anleihemärkten aufgrund der mittlerweile über drei Jahrzehnte andauernden Rentenhausse und des erreichten Niedrigzinsniveaus zunehmen.
Währungen: Der Euro bleibt eine starke Schwachwährung
Für Wechselkursbewegungen sind Zinsunterschiede von großer Bedeutung. Nachdem die Fed ihre Zinswende wegen konjunktureller Schwäche in den Herbst verschoben hat und sich gleichzeitig die Konjunkturstimmung in der Eurozone etwas aufhellt, hatte der Euro zum Dollar seit seinem Jahrestief von unter 1,05 wieder kräftig bis fast auf 1,14 zugelegt.
Eine Trendwende ist das aber nicht. Denn die US-Wirtschaft holt die witterungs- und streikbedingten Behinderungen langsam auf und gibt der Zinswende und damit Dollar-Stärke neue Nahrung. Und für die Euro-Wirtschaft gilt „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“. Die EZB wird insofern an ihrem renditedrückenden Aufkaufprogramm unbeirrt festhalten. Die verschobene, aber nicht aufgehobene US-Zinswende einerseits und Anleiherenditen im Euroraum andererseits, die auch zukünftig unterhalb der attraktiveren US-Renditen verlaufen, sprechen bis Jahresende für einen Euro von etwa 1,06.
Griechenland spielt zwar eine Rolle, aber keine Hauptrolle an den Finanzmärkten. Ein Grexit hat zwar das Potenzial, die Aktienmärkte kurzfristig zu irritieren. Für einen Crash fehlt es aber an Argumenten. Denn im Vergleich zur letzten Krise an den Finanzmärkten - der Pleite der Lehman-Bank mit anschließender Immobilienkrise - kommt der Grexit nicht als Übernacht-Schock, sondern wird als mögliches Ergebnis bereits seit langem diskutiert. Im Vergleich zu früheren Immobilieninvestments der Banken ist ihr heutiges Anlagevolumen in Griechenland begrenzt. Eine zweite Euro-Bankenkrise ist daher nicht zu befürchten. Und außerdem stehen heute Rettungsinstitutionen wie die Rettungsschirme und die EZB bereit, die Kollateralschäden eindämmen. Der Grexit liefert Kaufkurse, weil er die Europäische Stabilitätsidee und Wettbewerbsfähigkeit wiederbelebt.
Deutschland kann sich der bislang durchwachsenen weltkonjunkturellen Stimmung nicht entziehen. Die zuletzt merkliche Euro-Aufwertung kommt als mentales Handicap für den exportlastigen deutschen Mittelstand hinzu. Tatsächlich haben die ifo Geschäftserwartungen mit ihrem dritten Rückgang in Folge einen Trend nach unten ausgebildet. Wenn aber schon Deutschland als stärkste Wirtschaftsnation der Eurozone leichte Schwächen zeigt, spricht alles dafür, dass den Aktienmärkten die konjunkturstabilisierende Liquiditätshausse der EZB noch sehr lange erhalten bleibt. Diese treibt in Verbindung mit fortgesetzten schuldenfinanzierten Wirtschaftsprogrammen die zyklische Konjunkturerholung in der Eurozone und damit die Aktienmärkte an. Ohnehin hat die Aktien-Korrektur die dramatische Überkauft-Situation bereinigt.
Die renditedrückende Wirkung der Anleiheaufkäufe der EZB verhindert wettbewerbsfähige Anlagealternativen am Rentenmarkt. Gegenüber den Niedrigrenditen bieten Aktien aus Deutschland und der Eurozone Eigenkapitalrenditen von 11 bzw. 8 Prozent. Bis Jahresende ist mit einer Erholung von DAX und Euro Stoxx 50 auf 12.200 bzw. 3.750 Punkte zu rechnen.
GRAFIK DER WOCHE
Eigenkapitalrenditen von Unternehmen in Deutschland bzw. der Eurozone und Rendite 5-jähriger Euro-Unternehmensanleihen (BBB), Umlaufrendite deutscher Staatstitel sowie 3-Monats-Zinsen
US-Aktien: Das Zinswendchen tut nicht weh, im Gegenteil!
Den US-Aktienmärkten bleibt zinspolitisches Ungemach erspart. Markante US-Leitzinserhöhungszyklen wie 1999/2000 und insbesondere zwischen 2004 und 2006, die in den USA einen Einbruch der Konjunktur und des Aktienmarkts nach sich gezogen haben, werden ausbleiben. Die gesenkten US-Leitzinsprojektionen von 0,625 Prozent für 2015 und 1,625 bzw. 2,875 für 2016 und 2017 (nach zuvor 1,875 bzw. 3,125 Prozent) unterstreichen diese Einschätzung. Nicht zuletzt betreibt die US-Notenbank auch Geldpolitik für die Schwellenländer, die bei zu massiven Zinserhöhungen über Kapitalflucht Schaden nehmen und wiederum die US-Exportwirtschaft schädigten. Einerseits wird der konjunkturelle Aktienaufschwung nicht abgebremst und andererseits kommen anfängliche Zinserhöhungen Aktien sogar zugute, da sie ein verbessertes fundamentales Umfeld signalisieren. Am ehesten machen sich Zinserhöhungen bei High- und Biotech-Werten negativ bemerkbar. Denn ihre hohen Wachstumsraten werden dann stärker abdiskontiert, also abgezinst.
Japanische Aktien: Neue strukturelle Stärke
In Japan liefert die Zusammenarbeit von Finanz- und Geldpolitik die Ausgangsbasis für eine fortgesetzte Aktienhausse. Die staatlich gestützte, konjunkturelle Trendwende wird von der japanischen Notenbank schwerpunktmäßig gegenfinanziert. Für die Deckung der Staatsschuld ist damit der staatliche japanische Pensionsfonds - der weltweit größte - deutlich weniger erforderlich. Dies verleiht ihm mehr Anlagepotenzial für Aktien. Tokio verspricht sich damit eine verbesserte Altersvorsorge der Japaner, die mit den äußerst renditeschwachen japanischen Staatspapieren nicht möglich ist. Der seit Jahresbeginn zu beobachtende Übergang des japanischen Yen in einen Seitwärtstrend gegenüber wichtigen Exportkonkurrenzwährungen begrenzt das Währungsrisiko für ausländische Anleger.
Aktien Schwellenländer: Die Pionierzeiten sind vorbei
Angetrieben von einer beispiellosen Liquiditätshausse in China - die chinesische Wertpapierkreditblase vervierfachte sich gegenüber Vorjahr - hatte sich der Shanghai Shenzen CSI 300 Index binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt. Den nun allerdings eingesetzten Aktienkursverfall sehen einige Marktteilnehmer als Beginn des Platzens der Aktienblase. Zwar lassen sich klare Parallelen zwischen dem Schicksal des Neuen Marktes und China nicht leugnen. Aber auch im Land der Mitte gilt „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“ Peking fürchtet, dass ein Aktiencrash über die damit verbundene Liquiditätspräferenz auch die Kredit- und Immobilienblase bersten ließe. Dieser Vermögensverlust der chinesischen Bevölkerung würde zu schweren wirtschafts- und sozialpolitischen Unruhen führen. So ist China gezwungen, seine Anlageblasen zu stützen. Der Leitzins wurde bereits viermal binnen Jahresfrist gesenkt. Mit den Zinssenkungen soll auch die Währung geschwächt werden, um den Export zu stärken. Im Übrigen baut China seine Binnenwirtschaft aus, um dem japanischen Wirtschaftsschicksals zu entgehen. Denn Japan hatte der Rezession nach dem Zusammenbruch von Exportwirtschaft und Immobilienmarkt nichts mehr entgegenzusetzen.
Der Shanghai Shenzen CSI 300 hat bei ca. 3500 Punkten eine solide Unterstützung. Ende des Jahres ist ein Indexstand auf etwa dem aktuellen Kursniveau bei erhöhter Volatilität zu erwarten.
Indien gilt als neuer Stern unter den Schwellenländern. Der sich seit Mai 2014 im Amt befindliche, neue Ministerpräsident Modi hat der bislang reformunfreundlichen Volkswirtschaft den Kampf angesagt. Ein Schwerpunkt ist es, eine moderne Infrastruktur aufzubauen. Denn diese fällt gegenüber einer High Tech-Industrie, die mit an der Weltspitze steht, dramatisch ab. Entscheidend ist jedoch die Effizienzsteigerung der teilweise noch aus Kolonialzeiten stammenden, öffentlichen Verwaltung und der politischen Ebenen. Ebenso geht es um Korruptionsbekämpfung, Arbeitsmarktreformen, Deregulierung, Steuererleichterungen und Umweltschutz. Die begünstigten Branchen sind Finanzdienstleistungen, Konsum, Telekom, Zement, Immobilien, Elektronik, Verteidigung und Umwelttechnologie. Indien will mit diesen Maßnahmen aus dem Schatten Chinas treten. Der Umbau der Volkswirtschaft ist aber ein langatmiger Prozess mit zwischenzeitlichem Enttäuschungspotenzial.
In Russland hinterlassen die Sanktionen des Westens tiefe Spuren: Während wichtige ausländische Investoren fern bleiben, lähmen die vergleichsweise immer noch hohen Notenbankzinsen zur Inflationseindämmung und Stabilisierung des russischen Rubel heimische Unternehmensinvestitionen. Doch bleibt der erwartete Zusammenbruch der russischen Wirtschaft offensichtlich aus. Zudem haben sich über die kürzliche Preisstabilisierung bei Energierohstoffen - Haupteinnahmequelle für den russischen Staat - die Ängste vor einer Staatspleite deutlich zurückgebildet. Dies kommt in einer Halbierung russischer Kreditausfallprämien zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund hat sich auch der Rubel stabilisiert.
Unter den Schwellenländern - auf Euro-Basis - ist Russland der Top-Performer. Aufgrund des grundsätzlich schwelenden Ukraine-Konflikts gehören russische Aktien sicherlich nicht zu den Standardanlagen. Sie sind weiter spekulativ. Im Zweifelsfall genießen die fundamental stärkeren Schwellenländer Asiens Priorität vor der Konkurrenz aus Lateinamerika, die sich zu sehr auf ihren Rohstoffreichtum verlässt und deren volkswirtschaftlicher Umbau zu Industrienationen zu schleppend verläuft.
Absolut betrachtet sind die westlichen Industrieländer und Japan gegenüber den Schwellenländern zu bevorzugen.
Rohstoffe: Das schwarze Gold glänzt wieder etwas mehr
Der Ölpreis hat seine Tiefstände hinter sich. Mittlerweile geht die Strategie der OPEC auf, über ihre steigende Produktion und damit niedrige Ölpreise die Förderung von alternativem Fracking-Öl unrentabel zu machen. Tatsächlich geht die US-Energiebehörde EIA erstmals seit 2011 von einem Rückgang der Schieferölproduktion aus. Zudem ist seit Ende April in den USA ein allmählicher Rückgang der US-Rohöllagerbestände zu beobachten. Diese Einschätzung eines sich wieder befestigenden Ölpreises lässt sich ebenso an den Terminmärkten für Rohstoffe ablesen. Nach ihrer Ausweitung seit Mitte 2014 sind die spekulativen Netto-Long Positionen seit Mitte März spürbar rückläufig. Bis Jahresende ist mit einer Befestigung des Rohölpreises der Marke Brent auf 71 US-Dollar zu rechnen.
Im Gegensatz dazu stehen Industriemetalle, getrieben von der zuletzt durchwachsenen Weltkonjunktur, unter Druck, nachdem sie Anfang Mai noch ihr Jahreshoch erreichten. Hinzu kommt Druck von spekulativen Finanzinvestoren, die von derivater Seite für den Preisrückgang mitverantwortlich sind. Erst bei positiven „harten“ Konjunkturdaten dürfte es zu einer Preiserholung kommen.
Edelmetalle: Gold - Als Krisenwährung unerwünscht, aber…
Argumente für Edelmetalle gibt es genug. Europa verlässt den Boden der Stabilität, weltweit wächst die Staatsverschuldung unaufhaltsam und im Konflikt mit Russland ist selbst für außen- und verteidigungspolitische Experten die weitere Entwicklung kaum abzuschätzen.
Absurderweise ist die lockere Geldpolitik kein Treiber für Gold, sondern eher sein größtes Handicap. Denn da die Rettung der Finanzwelt auf Geld gebaut ist, würde eine alternativ akzeptierte, harte geldlose Ersatzwährung kontraproduktiv sein. Die Geldpolitik wäre wirkungslos. Insofern wirken die Notenbanken einem dramatischen Preisanstieg von Gold indirekt über Short-Positionen an den Derivatemärkten konsequent entgegen. Dennoch bleibt die physische Nachfrage hoch. Neben den Schwellenländern kaufen ausgerechnet die Notenbanken zu den von ihnen selbst subventionierten Preisen. Sie werden wissen warum! Gold wird zwar keine massive Kursbefestigung wie zwischen 2008 bis 2012 erleben. Angesichts der Instabilität der Finanzwelt, für die wir irgendwann einen Preis zahlen müssen, werden die goldenen Zeiten der Goldbesitzer noch kommen. Immerhin, in Euro gerechnet glänzt Gold schon heute.
Silber dürfte sein Schattendasein im 2. Halbjahr hinter sich lassen. Laut einer Umfrage des Finanzdatenanbieters Thomson Reuters wird die physische Nachfrage zunehmen und sich das Angebot gleichzeitig verknappen.
Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50: Gut abgesichert
Aus charttechnischer Sicht verläuft im DAX die erste, wenn auch schwache Unterstützung im Bereich zwischen 11.100 und 11.000 Punkten. Darunter wartet bei rund 10.800 die nächste Auffanglinie, auf die schließlich die nächste bei derzeit 10.668 folgt. Halt gibt es auch an der Marke bei zurzeit 10.570 Punkten und zwischen 10.050 und 9.927 Punkten.
Die kurzfristig erhöhte Volatilität dürfte auch zu heftigen Gegenbewegungen nach oben führen. In diesem Fall verläuft der erste Widerstand zwischen 11.350 und 11.400 Punkten. Darüber wartet die obere Begrenzung des Abwärtstrendkanals bei zurzeit 11.546 Punkten.
Da der Euro Stoxx 50 durch mehrere dicht gestaffelte Unterstützungen gut abgesichert ist, dürfte die Kursschwäche zunächst keinen größeren Schaden anrichten. Die erste Unterstützung findet der Index bei 3.450 Punkten, gefolgt von einer Auffanglinie bei 3.417 Punkten. Darunter liegen die nächsten Haltelinien bei derzeit 3.376 und zwischen 3.325 und 3.290 Punkten.
Eine mögliche Erholung trifft dagegen bei 3.550 auf den ersten Widerstand. Darüber wartet die nächste Barriere am kurzfristigen Abwärtstrend bei zurzeit 3.586 Punkten, gefolgt von weiteren Widerständen bei 3.651 und 3.691 Punkten.
HALVERS WOCHE
Die Disziplinlosigkeit gegenüber selbst aufgestellten Stabilitätsregeln ist das Urproblem der Eurozone
Erinnern Sie sich noch an die Anfänge des Europäischen Gemeinschaftswerks? Die Zustimmung zur Wiedervereinigung machte unser linksrheinischer Nachbar damals davon abhängig, dass in Europa eine gemeinsame Währung geschaffen wird. Nicht zuletzt erhoffte sich Frankreich davon die gleichen günstigen Renditen für Staatsschulden wie Deutschland, um seinen damals schon schuldengeplagten Staatshaushalt zu sanieren und seine Wirtschaft zu stimulieren. Hinzu kam, dass Frankreich von Beginn an eine große Währungsunion haben wollte. Die Absicht dabei war weniger, der Eurozone mehr geopolitisches Gewicht zu verleihen. Primär ging es Frankreich darum, mit möglichst vielen Gesinnungsgenossen des Club Méditerranée ein gehöriges Gegengewicht gegenüber Deutschland, Finnland, den Niederlanden und Österreich zu bilden. Von deren ungeliebter Stabilitätskultur wollte man sich nicht erdrücken lassen.
Wer die Chancen nicht nutzt, erhöht die Risiken
Unter der Bedingung und im Vertrauen darauf, dass sich die Euro-Politiker strikt für die Verfolgung der eisernen Stabilitätsregeln und bei Zuwiderhandlung ebenso streng für scharfe Sanktionen einsetzen, waren die Nordeuropäer und vor allem Deutschland bereit, ihre harten Währungen bzw. seine geliebte Deutsche Mark aufzugeben. Und die Kinderzeit der Eurozone verlief ja auch zunächst gar nicht schlecht. Insbesondere die südlichen Euro-Länder erfreuten sich aufgrund der gesunkenen Zinsen einer massiven Sonderkonjunktur, insbesondere durch die Immobilienhaussen. Leider haben die Euro-Staaten diese Happy Days nicht für wettbewerbsverbessernde Strukturreformen, sondern für noch mehr Staatsverschuldung genutzt. Dies sollte sich später noch bitter rächen.
Die Euro-Stabilitäts-Hüllen sind nach und nach gefallen
2001, 2002, 2003, 2004 und 2005 verstieß aber ausgerechnet Stabilitätsmusterschüler Deutschland gleich fünfmal hintereinander gegen das Neuverschuldungskriterium. Und wurde Deutschland dafür – wie in den Euro-verträgen vorgesehen - bestraft? Nein, denn mit Hilfe von Frankreich, Italien und Griechenland (!) konnte die deutsche Bundesregierung Sanktionen vermeiden. Seitdem hatten diese bei uns stabilitätspolitisch einen gut.
Eigentlich machte damals ein stabilitätspolitisch disziplinloses Deutschland den Regelverstoß hoffähig. Und aus dieser Mücke wurde zügig ein Elefant. Im Jahre 2004 wies das Europäische Amt für Statistik nach, dass die griechischen Angaben zu ihren Haushaltsdefiziten 1997 bis 2000 wie bei Grimms Märchen frei erfunden waren. Tatsächlich lagen sie erheblich über dem Euro-Konvergenzkriterium von „3 Prozent der Wirtschaftsleistung“, was Griechenlands Beitritt in die Eurozone vereitelt hätte. Dennoch wurde das Verfahren gegen den griechischen Schuldenlügner eingestellt. Ebenso „verständnisvoll“ reagierten die Euro-Politiker, als bekannt wurde, dass Athens Haushaltsdefizit für 2009 nicht bei 3,7, sondern mehr als viermal so hoch bei 12,7 Prozent lag. Und schon wieder keine Sanktion.
2010 erhielt Griechenland aufgrund eines ansonsten drohenden Bankrotts ein Rettungspaket über 110 Mrd. Euro, obwohl zwischenstaatliche Kredithilfen in den EU-Verträgen ausdrücklich verboten sind. Und 2012 kam es zu einem mehr oder weniger erzwungenen Schuldenschnitt der privaten Gläubiger Griechenlands, bei dem Banken und Versicherer - und damit auch ihre Kunden - auf etwa 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten mussten. Diese insofern künstlich verbesserte Bonität der griechischen Staatsfinanzen war aber Bedingung für die Vergabe eines zweiten Rettungspaktes über 130 Mrd.
In diesem Jahr feiert die stabilitätspolitische Disziplinlosigkeit ihren Höhepunkt. Der griechische Regierungschef spielte mit den Euro-Politikern und EZB-Direktoren Katz und Maus. Obwohl dieser die Reformen seiner Vorgänger rückgängig machte und die Gläubiger gemeinsam mit seinem spielfreudigen Finanzminister wie Gegner im Boxring behandelte, hatten die Gläubigervertreter - allen voran Herr Juncker - nichts Besseres zu tun, als das Matthäus-Evangelium anzuwenden: Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin.
Je größer die Athener Schulden, desto größer das griechische Erpressungspotenzial
Offensichtlich geht die Politik davon aus, dass der Euro scheitert, wenn Griechenland geht. So konnten griechische Ideologen die Stabilitätsspielregeln ändern wie sie wollten und erhielten dennoch von Gläubigerseite nicht nur nicht die rote Karte. Im Gegenteil, zuletzt wurde Athen ein dramatisch großzügiges Angebot der Euro-Finanzgruppe unterbreitet, bei dem die Reformbedingungen erneut reduziert und die geldlichen Gegenleistungen erneut aufgestockt und auf zwei Jahre verlängert wurden. Damit hat Europa seine stabilitätspolitische Glaubwürdigkeit bereits schwer in Verruf gebracht. Man ist förmlich zu Kreuze gekrochen. Dennoch lehnte Herr Tsipras dieses Angebot als „Erpressung“ ab und nimmt damit sein Volk in Geiselhaft. Er will geldliche Leistung ohne reformistische Gegenleistung, am liebsten in Form eines dritten Hilfspakets, also neuen Schulden und einer schmerzlosen Restrukturierung, d.h. Schnitt der alten Schulden. Er weiß sehr wohl: Je größer die griechischen Schulden und je größer die Schulden der griechischen Banken bei der EZB, umso größer das systemische Erpressungspotenzial im Hinblick auf mögliche Kreditausfälle. Schon jetzt weiß ich nicht, wie griechische Banken ihre EZB-Hilfskredite von fast 90 Mrd. Euro jemals zurückzahlen wollen.
Hoffentlich sorgen die griechischen Wähler für klare Verhältnisse
Ich bin froh, dass die Euro-Gruppe jetzt auf dieser „Road to Hell-as“ nicht weitergeht und die EZB ihren Notkreditrahmen für Athens Banken nicht weiter erhöht. Ich freue mich noch mehr darüber, dass am kommenden Sonntag die demokratischste aller Instanzen - die Bevölkerung - in einer Volksabstimmung über das Hilfsangebot der Euro-Gruppe abstimmt. Wie früher im Römischen Imperium wird die griechische Stimme des Volkes - Vox Populi - den Ausschlag geben. Ich wäre sehr dankbar für ein klares, kein knappes Ergebnis.
Allerdings ist die Referendumsfrage unverständlich gestellt. Die deutsche Übersetzung lautet: „Muss der Entwurf einer Vereinbarung von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds akzeptiert werden, welcher am 25.06.2015 eingereicht wurde und aus zwei Teilen besteht, die in einem einzigen Vorschlag zusammengefasst sind?“
Wie auch immer, sollte die Mehrheit mit „Ja“ stimmen, sind Reformen von allerhöchster Stelle genehmigt. Dann gehen die Verhandlungen mit Griechenland in die nächste Runde. Ministerpräsident Tsipras, der sein politisches Schicksal mit dem Referendum durch seine undemokratische Wahlempfehlung mit „Nein“ zu stimmen verbunden hat, wäre dann gescheitert und darf zurücktreten. Seine ideologischen Langspielplatten würden verstummen und meine Verlustschmerzen sich sehr in Grenzen halten. Dann muss es Neuwahlen geben. Doch wäre damit die griechische Krise nicht beendet. Denn das politische Risiko und das Risiko einer griechischen Pleite blieben bestehen.
Ein „Nein“ heißt „Ja“ zum Grexit
Sollte die Bevölkerung mehrheitlich für „Nein“ votieren, hat sie Reformen abgelehnt und muss meiner Meinung dann die Pleite und den Grexit in Kauf nehmen. Wenn selbst die griechischen Wähler die Stabilitätsregeln der Eurozone ablehnen, können sie in der Stabilitätsunion der Eurozone nicht weiter mitspielen. Einen Rauswurf wird es jedoch nicht geben, allein schon, um später keine Legendenbildung aufkommen zu lassen, man habe die Griechen im Stich gelassen. In den EU-Verträgen ist ohnehin kein Austritt vorgesehen.
Jedoch wird die normative Kraft des Faktischen dann dafür sorgen, dass Athen den Weg des Grexit selbst beschreiten wird. Wenn es von den Gläubigern keine Hilfsgelder mehr gibt, ist der Staatsbankrott mit all seinen Konsequenzen zügig da. Wenn der Zahlungsverkehr und die Banken kollabieren, kollabiert auch die Wirtschaft. Vater Staat kann Pensionen und Gehälter der Staatsbeamten nicht mehr begleichen. Sie erhalten dann statt Euros Schuldscheine. Das wäre bereits der erste Schritt zur neuen Währung. Denn da Schuldscheine gegenüber dem Euro dramatisch abwerten und an Kaufkraft verlieren würde, müsste die Regierung gezwungenermaßen - um soziale Verwerfungen zu verhindern - die Drachme als Zahlungsmittel wieder einführen.
Bei einem Grexit haben wir Kaufkurse
Wenn ich ehrlich bin, wäre mir ein „Nein“ lieber. Denn dann würden endlich klare Fakten geschaffen, an denen man sich orientieren kann. Die Euro-Stabilitätsunion könnte stabilisiert werden und Griechenland bekäme mit einer exportstärkenden Abwertung und einem dann nicht mehr zu verhindernden Schuldenschnitt - übrigens werden auch im Status Quo die griechischen Schulden nie mehr zurückgezahlt - eine echte, wirkliche Wirtschaftschance, die die Menschen auch verdient haben. Und natürlich würde die EU diesen Transformationsprozess durch Sicherstellung der Lebensmittel-, Energie- und Gesundheitsversorgung begleiten.
Die Märkte würden bei einem griechischen „Nein“ zwar zunächst nachgeben. Zu einem Crash kommt es nicht, denn es fehlen die Zutaten: Die Griechen-Pleite und der Grexit kämen im Vergleich zur damaligen Lehman-Pleite und dem damit verbundenen Beginn der Immobilienkrise nicht über Nacht, sondern mit Ansage. Da zudem die Banken nicht wie damals in Immobilien heute in Griechenland übermäßig investiert sind, ist ebenso eine Bankenkrise 2.0 nicht zu befürchten. Und außerdem sind die Rettungsinstitutionen präsent. Rettungsschirme und EZB sind gewappnet, das Überschwappen des griechischen Krisenvirus auf andere Euro-Länder zu verhindern. Da brennt nichts an. Dieses entspannte Bild vermittelt nicht zuletzt ein stabil gebliebener Euro.
Der Euro scheitert nicht, wenn die Griechen austreten. Denn die Euro-Kette wird nicht schwächer, wenn das schwächste Glied entfernt wird. Nur wenn weiter undisziplinierte Verstöße gegen Stabilitätsregeln geduldet werden, hat die Eurozone längerfristig keine Chance.
Der Grexit täte der Eurozone, ihren Finanzmärkten und auch den Griechen selbst gut.
Deutsche Aktien: Liquiditätshausse als Lebensversicherung
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