Kommentar
13:52 Uhr, 13.02.2015

Ein bisschen Frieden...

Erwähnte Instrumente

  • DAX
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  • EUR/USD
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Zumindest die Hoffnung auf einen Waffenstillstand in der Ukraine ist gegeben. Ob der Frieden hält, kann per heute niemand wirklich sagen. Putin sitzt am längeren Hebel, in jeder Beziehung. Er ist näher am Konflikt als der Westen, er kann jederzeit behaupten, dass die Separatisten - die er ja offiziell nicht unterstützt - von ihm nicht kontrollierbar sind. Und sollten die USA auf die fatale Idee kommen, die Ukraine mit Waffen zu beliefern, hätte Putin endlich das Argument, das er immer gerne haben wollte: Den Westen und vor allem die USA als Aggressor brandmarken. Bis die ersten US-Waffen in der Ukraine angekommen sind, sind die Russen längst in Kiew. Und dann würde die Lage eskalieren und die Börsen einbrechen.

Können jedoch Frau Merkel und Herr Hollande durch ihren fabelhaften Kraftakt diesen Konflikt zumindest einfrieren und bleibt der Waffenstillstand in der Ukraine - also vor der europäischen Haustür - langfristig intakt, gebührt ihnen der nächste Friedensnobelpreis.

Friedlicher geht es auch bei der Diskussion über die griechische Schuldenfrage zu. Beide Seiten rüsten verbal ab und sprechen von Kompromissfähigkeit. Das Risiko eines Grexit hat per heute insofern an Wahrscheinlichkeit verloren. Ein Überbrückungskredit für Griechenland ist zu erwarten, der dem Land zumindest einen Zeitgewinn verschafft.

Die Weltwirtschaft stabilisiert sich, aber auch die Eurozone und Deutschland

Setzt man die vom ifo Institut ermittelte Einschätzung der Geschäftslage und der -erwartungen des weltweiten Verarbeitenden Gewerbes für das I. Quartal 2015 zueinander in Beziehung, befindet sich die Weltwirtschaft stimmungsseitig weiter knapp im Boom.

Die vom Finanz-Datenanbieter Sentix ermittelten Konjunkturerwartungen für die nächsten sechs Monate zeigen für Südamerika zwar eine Eintrübung. Dagegen präsentieren sich die Konjunkturperspektiven in Asien und den USA weitestgehend stabil. In Europa trägt auch die schuldenfinanzierte Konjunkturstabilisierung zur Klimaverbesserung bei. Davon verspricht man sich konjunkturelle Nachholpotenziale. Die Konjunkturerwartungen für die nächsten sechse Monate befinden sich für die Eurozone sogar auf einem 9-Jahres-Hoch. Am positivsten wird jedoch Deutschland gesehen. Ein schwacher Euro, günstige Energiepreise, eine weltweit wieder zunehmende Investitionsbereitschaft und auch ein robuster Konsum sind pro-Argumente für die deutsche Industrie und Exportwirtschaft.

Deutsche Aktien gewinnen wieder an relativer Stärke

(Geo-)Politisch und wirtschaftlich ist es somit nicht verwunderlich, dass die Aktienmärkte in Deutschland und der Eurozone ihre seit Beginn der Euro-Staatsschuldenkrise anhaltende relative Schwäche gegenüber den USA zunehmend in relative Stärke umwandeln. US-Unternehmen leiden fundamental unter der Aufwertung des US-Dollar und speziell auf dem Energiesektor unter Umsatzeinbußen aufgrund niedriger Ölpreise.

Innerhalb Europas sprechen die Aussichten auf eine stabile Weltwirtschaft und damit eine Belebung der deutschen Industrie und Exportwirtschaft für eine fortgesetzte Outperformance deutscher gegenüber italienischen und spanischen Aktien.

Eine ganze Anlageklasse verschwindet vom Investorenradar

Im Vergleich zu Aktien werden Zinsanlagen immer unattraktiver. Ob Staats-, Industrie- und Bankanleihen oder Jumbo Pfandbriefe, der Renditeverfall findet in allen Teilsegmenten kontinuierlich statt. Die geldpolitische Daueralimentierung der Finanzmärkte verursacht einen Anlagenotstand, der auch die letzten, noch verbliebenen Renditepotenziale abweidet. Damit wird die ohnehin schon größte Anlageblase aller Zeiten, die Anleiheblase, noch größer. Damit der Finanzwelt über ihr Platzen nicht der entscheidende Schlag versetzt wird, muss die internationale Geldpolitik ihre freizügige Zins- und Liquiditätspolitik fortsetzen. Die Renditen müssen weiter gedrückt werden. Eine wirkliche Umkehr der Notenbanken ist nicht möglich.

GRAFIK DER WOCHE: Renditeentwicklung 5-jähriger Zinspapiere weltweit

Mit Dividenden gegen den Zinsverfall

Aus Anlegersicht sollte daher die Dividende immer mehr an die Stelle von Zinsen und Renditen treten. Das gilt auch für den Wiederanlageeffekt. Denn bei Zinsanlagen kann dieser nur dann einen positiven Anlageerfolg erbringen, wenn der zugrunde gelegte Anlagezins eine entsprechende Höhe hat.

In diesem Jahr wird die höchste Dividendensumme der DAX-Konzerne aller Zeiten ausgeschüttet. Mit einer Dividendenrendite von aktuell knapp drei Prozent stellt er alternative Zinsanlagen weit in den Schatten. Über reinvestierte Ausschüttungen ersetzt nicht zuletzt der Dividendendividendeneffekt den Zinseszinseffekt. Erfreulicherweise werden dabei die Dividenden nicht aus der Unternehmenssubstanz, sondern aus erwirtschafteten Gewinnen gezahlt. Dividendenstarke Aktien sind auch ein ordentliches Risikopolster gegen Kursschwankungen.

Öl-Aktien starten Outperformance

Laut US-Energiebehörde EIA dürfte die US-Rohölproduktion weiter steigen. Allerdings fällt das Produktionswachstum angesichts fallender US-Ölbohrungen deutlich geringer aus als in den letzten Jahren. Die Basis für eine langsame, aber nachhaltige Preiserholung ist damit gelegt.

Die Preiserholungsphantasien bei Rohöl verleihen europäischen Öl- und Gas-Aktien zunehmend Rückenwind. Das macht sich im Trend in einer Outperformance europäischer Rohölaktien zum Gesamtmarkt - auf Basis des MSCI Europe Index - seit Mitte Januar 2015 bereits bemerkbar. Diese Branche ist für Anleger wieder von Interesse.

Aktuelle Marktlage

Aufgrund der letzten Entwicklungen haben die Konflikte Ukraine und Griechenland an Bedrohungspotenzial für die Aktienmärkte verloren. Gelöst sind sie noch nicht und Rückschlaggefahren nicht auszuschließen. Die Aktienschwankungen werden zunächst zunehmen, bis die „griechische Kuh“ vom Eis ist. Gegen massive Aktienkurseinbrüche spricht allerdings die üppige, internationale Geldpolitik.

In der Erwartung, dass die geopolitische Krise mit Russland nicht eskaliert, ist im Trend weiter mit einer stabilen Aktienverfassung zu rechnen. Viele, auch große institutionelle Anlegergruppen sind noch nicht im Aktienmarkt vertreten. Das ist auch der Grund, warum der bisherige Aktienaufschwung völlig emotionsfrei verläuft.

Neben dem Argument der Liquiditätshausse gewinnt aber auch die fundamentale Datenlage immer mehr an Bedeutung. Der schwache Euro, die niedrigen Energiepreise und eine sich stabilisierende Weltkonjunktur machen sich bereits in positiven Ausblicken der Unternehmen im Rahmen der Berichtsaison bemerkbar.

Absolut betrachtet ist die Bewertung des DAX mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 13 sicher sportlich. Diese Aussage ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn die größte Alternativanlageklasse - Staatsanleihen - warten mit einem Wert von 370 auf Basis der deutschen Umlaufrendite auf.

Charttechnik

Aus charttechnischer Sicht bleibt im DAX der mittelfristige Aufwärtstrend intakt. Auf der Oberseite bietet die obere Begrenzung des seit Oktober 2014 bestehenden Aufwärtstrendkanals bei aktuell 11.202 Punkten Widerstand. Im Falle einer Korrektur liegt eine erste Unterstützung an der Marke bei 10.810 Punkten. Darunter liegt die nächste, wenn auch schwache Unterstützung in der Kurslücke zwischen 10.502 und 10.454 Punkten, gefolgt von weiteren Auffanglinien bei rund 10.300 und im Bereich um 10.050 Punkte.

Und was passiert in der KW 8?

In Japan deuten auf Makroebene neben soliden BIP-Daten für das IV. Quartal 2014 eine verbesserte Industrieproduktion im Dezember und ein stabiler Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe im Februar eine konjunkturelle Stabilisierung an.

In den USA signalisiert ein aufwärtsgerichteter Index der Frühindikatoren sowie eine gesteigerte Industrieproduktion im Januar einen robusten Zustand der US-Konjunktur. Impulse kommen dabei auch vom US-Immobiliensektor, wie stabile Baubeginne und -genehmigungen verdeutlichen. Vor diesem Hintergrund dürften Anleger das Sitzungsprotokoll der Fed auf Hinweise zu dem genauen Zeitpunkt der - wenn auch homöopathischen - US-Zinswende untersuchen.

In der Eurozone deuten die vorläufigen Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe auf eine Fortsetzung der Konjunkturstabilisierung hin. Auch die ZEW Konjunkturerwartungen werden dieses positive Wirtschaftsbild unterstreichen.

Der Hauptfokus der Anleger richtet sich auf eine mögliche Kompromisslösung in der Griechenland-Frage auf dem Treffen der Eurogruppe am Montag.

HALVERS WOCHE:Wie das kleine Griechenland die große Eurozone verändert

Noch bevor die Frühlingsknospen sprießen, müssen sich die Kreditgläubiger und Griechenland geeinigt haben. Ansonsten ist das Land pleite, ist an den Finanzmärkten geächtet wie Robin Hood und den Griechen geht es wirklich schlecht.

Das allerdings scheint die neue griechische Führung nicht wirklich zu irritieren. Sie pokert hoch und verlässt sich offenbar auf drei vermeintliche Trümpfe. Sie vertraut erstens darauf, dass die verantwortlichen Politiker der Gläubigerländer ihren Wählern nicht zumuten wollen, auf richtig viel Steuergeld zu verzichten. Die werden uns schon helfen müssen, so der Tenor in Athen. Zweitens, sollte dies auf Widerstand stoßen, könnte man ja auch in China oder Russland um Geld nachfragen und damit auch die geschlossene Haltung der westlichen Partner gegen Russland hintertreiben.

Und ganz wichtig, drittens steht die Regierung Tsipras nicht allein gegen den Rest der Euro-Welt. Nein, Hellas hat Gesinnungsbrüder, die ein ganz wertvolles Pfund verlören, wenn Hellas den Euro-Familienverbund im Sinne eines GREXIT verließe. Nennen wir sie einfach mal Frankreich und Italien. Denn Athen, Paris und Rom bilden eine Achse der Ablehnung des Stabilitätskurses der Euro-Nordländer. Hier ist vor allem Deutschland gemeint.

Da geht sie hin, die Stabilitätsunion

Natürlich weiß der Club Med mit seinen Vorturnern Paris und Rom, dass jede Unterstützung für Griechenland ein Sargnagel für die Reste der eurozonalen Stabilitätskultur ist. Frankreich, Italien und die EU-Kommission werden daher darauf drängen, sich zügig mit Griechenland zu einigen. Und siehe da, das Tauwetter hat bereits begonnen. Die verbale Abrüstung hat eingesetzt. Mit der Troika will Athen dann doch ein bisschen sprechen und die Kanzlerin hat auch bereits Kompromissbereitschaft signalisiert. Die Bedingungen für neue Kredite an Griechenland werden liberalisiert. Es dürfte also einen Überbrückungskredit geben und anschließend werden die Laufzeiten bilateraler Hilfskredite bis zum Sanktnimmerleinstag verlängert und der Schuldendienst sehr großzügig ausgesetzt.

Natürlich gefällt der finanzpolitische Kuschelkurs den stabilitätsorientierten Euro-Nordländern nicht. Aber die werden den Rückzug antreten müssen, weil sie hoffen, damit den eurozonalen Wutbürger bei den nächsten Wahlen besänftigen zu können. Und wer will schon einen Bruch quer durch die Eurozone riskieren, deren Zusammenhalt eher dem einer Erbengemeinschaft entspricht. Am Ende steht nicht zuletzt deshalb ein stinkendfauler Kompromiss, weil ansonsten bei einer Pleite von Hellas das Geld der Steuerzahler z.B. aus Deutschland weg ist. Inoffiziell - das ist keine prophetische Aussage - ist es ohnehin futsch. Denn wie will man jemals unter konsequenter Vernachlässigung von Wettbewerbsfähigkeit die griechische Wirtschaft wieder flott, also schuldendienstfähig machen? Aber diese Frage stellt sich erst in späteren Jahren. Da sind die jetzt verantwortlichen Politiker längst in Ruhestand.

Die EZB haftet für ihre Kinder, auch noch wenn sie größer sind

Aus dieser Nummer, aus diesem Stabilitäts-Strukturbruch kommt Euroland nicht mehr heraus: Die Lex Hellas wird sich über die Eurozone ausbreiten. Bei der Parlamentswahl in Spanien im Herbst wird das Linksbündnis „Podemos“ mit den Erfolgen des griechischen Robin Hood gegen den Brüsseler bzw. Berliner Sheriff von Nottingham erfolgreich Wahlkampf machen. Nichts ist so gewaltig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist, oder? Sparen und Reformieren werden zunehmend abgewählt. Glaubt denn irgendjemand, dass 2017 bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Frankeich bzw. 2018 bei den Parlamentswahlen in Italien der Euro-Stabilitätsgeist wieder aus der Flasche darf? Nein, da bleibt der Stopfen drauf und wird versiegelt.

Und die EZB? Sie wird erfolgreich beweisen, dass sie auch bei großen Kindern - die Eurozone ist ja in der schwierigen Zeit der Pubertät angekommen - ihrer Aufsichtspflicht gerecht wird. Sie finanziert die neue Transferunion, auch wenn aus den Kindern längst Erwachsene geworden sind.

Die Europäische Stabilitätsunion hat schwach begonnen und dann stark nachgelassen. Und jetzt sorgt das kleine Griechenland endgültig dafür, dass das große Euroland wie eine Festung geschleift wird. Wie viele von Ihnen ärgere auch ich mich über diesen instabilen Euro-Makrokosmos. Aber ändern kann ich ihn nicht. Ich kann nur meinen Anleger-Mikrokosmos stabilisieren und auf Sachkapital setzen. Denn Aktien, Immobilien und Gold werden von der Schuldenunion mit geldpolitischem Segen weiter profitieren. Gerade der Aktienmarkt in Deutschland ist der große Krisengewinner. Denn das Geld ist billig, der Euro schwach und die künstliche Befruchtung der Eurozone mit Schuldenmacherei ist auch kein Konjunkturhindernis. Immerhin ein Trost.

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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