Kommentar
10:51 Uhr, 27.02.2015

Die Liquiditätshausse beflügelt die Konjunkturhausse

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Die griechische Schuldenfrage wird von einer Tragikkomödie immer mehr zum absurden Theater. Offensichtlich zeigen die Spielerqualitäten der griechischen Regierung bei den Gläubigern Wirkung. Athen erhält für weitere vier Monate finanzielle Unterstützung. Denn die Reformliste der Griechen ist akzeptiert worden. Ein Wunder ist das nicht, da die Gläubiger den Griechen die Feder geführt haben, damit die Stabilitätsanhänger in den nördlichen Euro-Ländern glaubwürdig neues Geld zusagen konnten. Ein Vergleich sei hier gestattet: Es ist ähnlich wie bei Steuerhinterziehern und Finanzbeamten, die sich zusammensetzen, um Steuergesetze für beide Seiten gesichtswahrend zu kreieren.

Was man dann in der Reformliste liest, ist zu schön, um wahr zu sein. Im Vergleich dazu kann man die deutsche Reformpolitik der „Agenda 2010“ getrost als Sozialromantik bezeichnen. Ad hoc könnte man denken, Griechenland solle zur Power-Marktwirtschaft umgebaut werden. Wenn doch alles so einfach ist, wie die Reformliste glauben macht, wieso hat man dann mit diesen Maßnahmen nicht schon 2010 angefangen, als Griechenland in finanzielle Schieflage geriet?

Hat sich Griechenland also dem Druck der Euro-Partner gebeugt? Auf den zweiten Blick sind hier erhebliche Zweifel angebracht. Das ist nur ein Pyrrhussieg für die Gläubigerländer. Eher haben wir es mit einer griechischen Reformshow zu tun. Denn die Reformliste ist eine Ansammlung von wohl klingenden Absichtsbekundungen, die allerdings nicht wirklich konkretisiert werden. Stattdessen liest man viel von „wollen, „sollen“ und „können“.

Und was passiert, wenn Griechenland seine Reformhausaufgaben nicht macht?

Worte sind eben billig, sie kosten nichts. Teuer werden sie erst dann, wenn man sie in die Tat umsetzen muss. Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür? Es ist zu bezweifeln, dass Griechenland seine Reformhausaufgaben machen wird. Die neue griechische Regierung steht bei ihren Wählern im Wort: Man kann nicht als Robin Hood auftreten und dann zum Sheriff von Nottingham mutieren. Griechenland wird nicht zur Radikalökonomie. Nicht zuletzt weiß der griechische Finanzminister als Wirtschaftsprofessor, dass Griechenland seine Schulden schon aus Gründen der Finanzmathematik niemals wird zurückzahlen können.

Die alles entscheidende Gretchenfrage wird sein, wie die Gläubiger im Frühsommer die griechischen Bemühungen bewerten? Muss Athen bei allen Reformvorhaben gepunktet haben, muss es überhaupt gepunktet haben oder reicht wie bislang die Formulierung „Griechenland war stets bemüht“?

Wenn man sich anschaut, wie die Eurozone in der Vergangenheit bei mangelnden Spar- und Reformmaßnahmen von Schuldnerländern reagiert hat, ist weiter mit antiautoritärer Brüsseler Erziehung zu rechnen. In der Vergangenheit hat immer der europäische Polit-Rationalismus vor einem sinnvollen Finanz-Rationalismus Priorität gehabt. Die Eurozone sollte zusammen bleiben, egal wie hoch der Preis dafür ist.

Ohnehin ist Frankreich ein Verbündeter Athens. Auch Paris ist der Stabilitätsidee nicht besonders zugetan. Paris erhält zum dritten Mal - jetzt bis 2017 - Zeit, um seinen Staatshaushalt Maastricht gerecht zu gestalten. Wie man dieses Ziel trotz der französischen Krankheit „Reformrenitenzia“ erreichen will, ist fraglich.

Und dabei erfährt Frankreich eine dramatische Entlastung seines Schuldendienstes über die rekordniedrigen Zinsen. Bei Unterstellung einer konstanten 5-jährigen Durchschnittsrendite auf aktuellem Niveau fällt zwar der Anteil der jährlichen Zinszahlungen an den gesamten Staatsausgaben auf nahezu null.

Und trotzdem erreicht Frankreich auch bis 2017 nicht seine Defizitziele.

Wird sich der europäische Stabilitätsgedanke immer mehr verflüchtigen? Wird es weiter so sein, dass sich Euro-Staaten überschulden und die Risiken auf die Steuerzahler anderer Euro-Länder überwälzen können? Bei der spanischen Nationalwahl im Herbst könnte die Partei „Podemos“ in Regierungsverantwortung kommen. Dann hätte Griechenland einen stabilitätsfeindlichen Verbündeten mehr, deren Anzahl sich bei folgenden Wahlen noch erhöhen könnte.

Griechenland muss sich entscheiden

Also ist es wichtig, bis Sommer die Stabilitätsunion zu retten. Und tatsächlich bietet die Interimslösung für Griechenland bis Juni eine große strategische Option. Die der Stabilität verpflichteten nördlichen Euro-Länder könnten sich auf den Standpunkt stellen, Athen bis Sommer eine Frist für Reformen gegeben zu haben, um dem Vorwurf zu begegnen, Griechenland und vor allem seiner neuen, noch unerfahrenen Regierung keine echte Reformchance gegeben zu haben.

Sollte Athen aber bis dahin nicht geliefert haben, hätte man eine stabilitätsmoralische Rechtfertigung, Griechenland den Austritt aus der Eurozone nahezulegen. Wenn auch sehr spät würde die Eurozone dann ihre stabilitätspolitische Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und diese Botschaft auch an die Wähler aussenden. In den Euro-Ländern würden mit dem Wink des Zaunpfahls für jeden Politiker verständlich Strukturreformen angemahnt, die nur dem einen, aber entscheidenden Zweck dienen, Wettbewerbsfähigkeit als den entscheidenden Lustgewinn einer jeden Volkswirtschaft wiederzuerlangen.

Ohnehin müssen wir uns die ehrliche Frage stellen, in wie weit ein Überleben Griechenlands in der Eurozone überhaupt möglich ist. Haben wir es hier nicht eher mit einer Lebenslüge der Eurozone zu tun? Aus finanz- und wirtschaftspolitischen Gründen würde es Sinn machen, Griechenland für einen Zeitraum von ca. 10 Jahren Gelegenheit zu geben, auch mit Währungsabwertung und Schuldenschnitten - an dieser Wahrheit kommen die Gläubigerländer früher oder später sowieso nicht vorbei - seinen strukturellen Defiziten entgegenzuwirken. Bei Erfolg kann das Land anschließend gerne wieder dem Euro-Währungsraum beitreten.

Folgen eines GREXIT

Im Übrigen hätten die europäischen Institutionen und insbesondere die EZB bis Sommer ausreichend Zeit, sich auf den GREXIT vorzubereiten und über technische Leitplankensysteme Kollateralschäden auf andere Euro-Länder zu verhindern.

Auf die deutschen Steuerzahler kämen bei einem GREXIT je nach Berechnung bis etwa 75 Mrd. Euro Verluste zu. Doch muss gegengerechnet werden, dass dem Bundeshaushalt seit Beginn der Euro-Krise 2010 über 140 Mrd. Euro an Zinszahlungen erspart geblieben sind. Netto betrachtet wäre Deutschland sogar ein Gewinner.

An den Aktienmärkten würde ein griechischer Euro-Austritt sicher nicht reibungslos verlaufen. Nach einem kurzen Schock würden sich die Märkte jedoch wieder zügig erholen. Grundsätzlich würden viele Investoren, die noch nicht im Aktienmarkt vertreten sind, „griechische“ Kursrückgänge zum Einstieg nutzen. Denn die an der Glaubwürdigkeit der Eurozone nagenden, fortgesetzten Provokationen der griechischen Regierung, die fast jeden Tag blendende Gelegenheiten auslässt, einfach einmal den Mund zu halten, fänden ein Ende.

Die deutsche Wirtschaft hat die Kraft von zwei Herzen

Die deutsche Konjunkturerholung steht auf breiter Basis. Die ifo Geschäftserwartungen für das Verarbeitende Gewerbe sind zum vierten Mal in Folge gestiegen. Daneben bleibt der Konsum ein stabilisierender Wachstumspfeiler. Laut Gesellschaft für Konsumforschung ist die Anschaffungsneigung dank geringer Energiekosten, einer stabilen Beschäftigungslage und unattraktiven Sparzinsen auf den höchsten Stand seit 2006 gestiegen.

Ein wesentlicher Katalysator für die Industrie sind die für deutsche Konjunkturverhältnisse eindeutig zu niedrigen Leitzinsen der EZB.

Den steigenden ifo Geschäftserwartungen folgen mittlerweile auch die „harten“ Konjunkturdaten. Die Aufträge im deutschen Anlagen- und Maschinenbau zeigen sich im Vorjahresvergleich klar aufwärtsgerichtet. Die deutsche Industrie profitiert von einer robusten US-Konjunktur, einer stabilen Wirtschaftsentwicklung in Asien und ab März seitens der EZB von beginnenden Anleiheaufkäufen, die die Zinsattraktivität der Eurozone gegenüber den USA weiter schmälern und über einen insofern weiter nachgebenden Euro die deutsche Exportindustrie stimuliert.

Diese fundamentalen Fakten stellen den Hintergrund dar, warum weltkonjunkturafine deutsche Aktien die zu Beginn der Euro-Staatsschuldenkrise entstandene Performance-Lücke zu US-Aktien geschlossen haben. Denn während die lockere Geldpolitik der EZB und der Zeitgewinn in der Causa Griechenland den DAX beflügeln, bekommen die im S&P 500 gelisteten US-Unternehmen fundamentalen Gegenwind durch die Aufwertung des US-Dollars und durch Umsatzeinbußen im Energiesektor im Zuge der Ölpreisschwäche zu spüren. Der DAX wandelt seine relative Schwäche gegenüber dem S&P 500 zunehmend in relative Stärke um. Auch der europäische Aktienindex Euro Stoxx 50 gewinnt allmählich an relativer Stärke.

Weltweiter Währungswettlauf kann die Fed nicht kalt lassen

Dieser US-amerikanische Konjunkturhintergrund ist auch der Grund, warum sich die US-Notenbank in punkto Zinswende zurückhaltender zeigt. Selbst die Streichung der Formulierung „geduldig“ aus ihrem Wortschatz deutet nicht auf eine unmittelbar bevorstehende Zinsstraffung hin. Die Fed müsse stattdessen zunächst „einigermaßen zuversichtlich“ sein, dass sich die Inflation in Richtung des Zielwertes von 2% bewegt. Angesichts der US-Deflation von -0,1 Prozent im Januar hält sich die Fed damit eine Hintertür für die Beibehaltung des aktuellen Leitzinses auch über 2015 hinaus offen.

Im Rahmen der Zinsdiskussion wird für die US-Notenbank der Währungsaspekt immer bedeutender. Fed-Chefin Yellen will nicht, dass der US-Dollar aufgrund seiner Aufwertung der „Leidtragende“ des weltweiten Währungsabwertungskrieges wird. Frau Yellen schätzt es, dass die USA wieder Industrie- und Exportnation werden. Dieses Ziel will sie nicht konterkarieren, indem sie eine deutliche Zinswende einleitet, während die anderen internationalen Notenbanken über Zinssenkungen ihre heimischen Währungen weiter schwächen. In diesem Jahr haben bereits 20 Notenbanken ihre Leitzinsen gesenkt. In Dänemark, Schweden und der Schweiz sind diese mittlerweile sogar negativ.

Mit wachem Auge betrachtet die US-Notenbank ebenso, dass nicht nur die EZB und die Bank of Japan die Liquiditätsausstattung ihrer Finanzmärkte über Anleiheankäufe stimulieren, um damit ihre Währungen zu schwächen. Dieses liquiditätspolitische Gedankengut gewinnt auch bei anderen Zentralbanken z.B. in China, Schweden und der Schweiz an Befürwortern.

GRAFIK DER WOCHE: Liquiditätsausstattung (Bilanzsumme) internationaler Notenbanken, indexiert

Investmentidee: Die Schwellenländer Asiens

Die Wertentwicklung von Aktienmärkten der Schwellenländer zeigt ein zweigeteiltes Bild. Es wird unterschieden zwischen den Ländern, die als Industrienationen von gesunkenen Rohstoffpreisen profitieren und denen, die als Förderländer darunter leiden. So haben Russland als Ölförderland und Brasilien als Produzent von Industriemetallen - wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß - im Vergleich zu Indien und China mit Gegenwind zu kämpfen.

China, das seine wirtschaftspolitische Ausrichtung von Dynamik auf Nachhaltigkeit umgestellt hat, bekommt daher rohstoffseitig Unterstützung. So hat sich der von der HSBC Bank veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe Chinas mit 50,1 in expansivem Terrain stabilisiert.

Indien ist zum neuen Star unter den Schwellenländern geworden. Der sich seit Mai 2014 im Amt befindliche, neue Ministerpräsident Modi hat der bislang reformunfreundlichen Volkswirtschaft den Kampf angesagt. Ein Schwerpunkt ist es, die marode Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Denn diese fällt gegenüber einer High Tech-Industrie, die mit an der Weltspitze steht, dramatisch ab. Entscheidend ist jedoch, dass die Effizienz der teilweise noch aus Kolonialzeiten stammenden, öffentlichen Verwaltung und der politischen Ebenen verbessert wird. Hier sollen die lebendigen Plattformen für den grundsätzlichen Wandel der indischen Volkswirtschaft entstehen. Es geht um die Bekämpfung von öffentlicher Korruption, Arbeitsmarktreformen, Deregulierung, Steuererleichterungen und Umweltschutz. Die begünstigten Branchen sind Finanzdienstleistungen, Konsum, Telekom, Zement, Immobilien, Elektronik, Verteidigung und Umwelttechnologie. Indien, das mit diesen Maßnahmen aus dem Schatten Chinas treten kann, bleibt ein attraktives Anlageland.

Aktuelle Marktlage

Aufgrund der stabilen Seitenlage im Ukraine-Konflikt und dem Zeitgewinn in der Griechenland-Frage hat die Anlegerpsychologie den Krisenmodus verlassen.

Der Investorenblick fällt zunehmend auf die besseren Konjunktur- und Unternehmensdaten aus Deutschland und der Eurozone, die sich neben der Liquiditätshausse als zweites Standbein der Aktienmärkte etablieren.

In punkto regelmäßiger Auszahlungen gewinnen Aktien als Alternative weiter an Bedeutung. Denn durch den weltweiten Währungsabwertungswettlauf verbessert sich die Liquidität an den Finanzmärkten noch mehr, so dass die Renditen noch weiter sinken. Während momentan die Renditen für deutsche Staatsanleihen nur bis zur Laufzeit sieben Jahre negativ sind, dürften auch die bis Laufzeit 10 Jahre im weiteren Jahresverlauf unter die Nulllinie fallen. Ein Vergleich der historischen Entwicklung der Dividendenrenditen von DAX bzw. einem reinen Euro-Dividendenindex (Euro Stoxx Select Dividende 30) mit der Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen zeigt deutlich die mangelnde Attraktivität von Zinsen gegenüber Dividenden.

Charttechnik

Aus charttechnischer Sicht liegt im DAX auf dem Weg nach oben die nächste Hürde an der oberen Begrenzung des seit Oktober bestehenden Aufwärtstrendkanals bei aktuell 11.463 Punkten. Auf längere Sicht bietet die Marke bei 12.460 Punkten Widerstand. Fällt der DAX hingegen unter die Marke von 11.000 Punkten, warten schwache Unterstützungen bei 10.810 und schließlich 10.600 Punkten. Darunter befinden sich weitere Auffanglinien im Bereich zwischen 10.502 und 10.454 Punkten.

Und was passiert in der KW 10?

Im Rahmen der Berichtsaison für das Schlussquartal 2014 dürften Merck, Henkel, adidas und Continental aufgrund der stabilen Weltwirtschaft sowie der Euro-Schwäche grundsätzlich positive Ausblicke für 2015 geben.

Auf Makroebene deutet in China auch der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe auf eine Konjunkturstabilisierung hin.

In den USA sollten leicht rückläufige Auftragseingänge in der Industrie nicht über den grundsätzlich robusten Zustand der US-Konjunktur hinwegtäuschen. Denn der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe stabilisiert sich und ein erneut starker Stellenaufbau verdeutlicht die solide Lage am US-Arbeitsmarkt. Dieses Bild dürfte auch der Konjunkturbericht der Fed - das sogenannte Beige Book - unterstreichen.

In der Eurozone halten sich die Deflationsrisiken laut vorläufiger Inflationsschätzung für Februar hartnäckig. Die EZB wird auf ihrer Sitzung am Donnerstag technische Details zu den Anleiheaufkäufen geben.

In Deutschland signalisieren die „harten“ Daten zur Industrieproduktion, Auftragseingängen sowie Einzelhandelsumsätzen, dass Deutschland der strahlende Konjunkturstern in der Eurozone ist.

Endlich fundamentales Fleisch am Knochen der reinen Liquiditätshausse

Vom Krisengeschrei um die Ukraine und um die Schuldenposse in Griechenland fast unbemerkt, geht es dem deutschen Aktienmarkt fundamental gesehen immer besser. Denn „Auferstanden aus Ruinen“ präsentieren sich die Konjunktur- und Unternehmensdaten, also das eigentliche Lebenselixier für Aktien, anhaltend stabiler.

Ifo Daten lügen nicht

Klar wie Kloßbrühe zeigt dies der ifo Geschäftsklimaindex, für mich einer der treffsichersten Konjunkturindikatoren der Welt. Der ifo Index spiegelt ein rundes Bild unserer industriellen Volkswirtschaft wider, auch weil er mehrheitlich mittelständische Unternehmen befragt. Deshalb muss man auch der ab November 2014 einsetzenden Trendwende - der Index ist also zum vierten Mal in Folge gestiegen - eine so hohe Bedeutung beimessen. Denn im Vergleich zu unseren Weltkonzernen, die global viel stärker diversifiziert sind und sich daher an der stabil mit gut drei Prozent wachsenden Weltkonjunktur laben können, hat der Mittelstand weniger Chancen, der im Vergleich schwächeren Eurozone den Rücken zu kehren. Ohnehin ist der deutsche Mittelstand durch sein Engagement in Russland gehandicapt. Es geht wieder aufwärts mit der deutschen Konjunktur.

Die ewigen Chefbedenkenträger mokieren sich darüber, dass die ifo Daten im Februar die noch höheren Erwartungen verfehlt haben. Sie sollten sich noch einmal den Zeitpunkt der Februar-Befragung zu Gemüte führen. Denn da musste man sich größte Sorgen um einen ausgewachsenen Krieg vor der europäischen Haustür machen. Jetzt haben wir hoffentlich so etwas wie eine stabile Seitenlage. Außerdem drohte der GREXIT - dem man als homo oeconomicus zwar durchaus offen gegenüberstehen kann - der zumindest vorübergehend für wirtschafts- und finanzpolitische Irritationen in der Eurozone gesorgt hätte. Jetzt gibt es einen Zeitgewinn bis Sommer.

Insgesamt hat für mich der ifo im Februar Luft geholt, um sich anschließend weiter nach oben zu bewegen.

Wenn Mario Draghi Konjunkturpolitik betreibt

Natürlich hat auch hier Mario Draghi seine heilenden Hände im Spiel. Bei ihm kann sich die deutsche Industrie mit einem dicken Frühlingsblumenstrauß herzlich bedanken. Denn würde die EZB nur Zinspolitik für das sich konjunkturell stabilisierende Deutschland betreiben, wären die Leitzinsen höher. Doch das geht nicht, weil die Eurozone ansonsten in die Bredouille käme. Für die deutsche Industrie kann man von zinspolitischer Überdüngung sprechen.

Außerdem hat er auch noch eine dicke Schachtel mit edelsten Pralinen als Dankeschön verdient: Mit seinen Aufkäufen drückt unser Mario auch die Renditen von Staatsanleihen der Eurozone im Vergleich zu denen der USA. Das macht den Euro unattraktiver, lässt ihn weiter an Wert verlieren und leitet der deutschen Exportindustrie immer mehr Wasser auf ihre sich bereits zügig drehenden Mühlen.

Die Weltsparnation übt sich gezwungenermaßen im Geldausgeben

Und selbst unsere deutschen Konsumenten kommen an Mario Draghis Geldausgabeanimierungspolitik so wenig vorbei wie Kleinkinder an den Süßigkeiten vor der Kasse im Supermarkt. Auch nur beim kleinsten Konflikt-chen irgendwo in der großen Welt nagelte der deutsche Michel sein Portemonnaie zu. Dann wurde gespart, gespart und noch einmal gespart. Aber heute wird das Geld trotz Krisen so schnell ausgegeben, dass man meinen könnte, es würde morgen wertlos. Ja, man gönnt sich was, auch gerne was Großes: Möbel, Autos, Häuser, Urlaubsreisen,... In unsere Körper scheint der Geist des amerikanischen Konsumenten gefahren zu sein.

Der Grund hierfür ist fast „strafrechtlich relevant“. Denn Mario Draghi hat den Deutschen eines ihrer Lieblingsspielzeuge genommen. Ähnlich wie im Kinderlied, wo der Fuchs die Gans, hat er uns die Zinsen gestohlen. Und dabei hatte er Helfershelfer. Die gesamte Notenbanker-Gang hat ganze Arbeit geleistet. Sie alle haben aus Leitzinsen für uns Sparer Leidzinsen gemacht. Und dieser Zins- und Renditeraub breitet sich aus wie derzeit die Grippeviren: Eine ganze Anlageklasse haben uns die Dame bei der Fed - sie ist kein wirklicher Zinswendehals - und die vielen Herren Zentralbanker entwendet: Egal, ob Staatsanleihen urbi bei uns oder orbi sonst wo auf der Welt, ob Industrieanleihen, ob Bankanleihen, alle Zinsen und Renditen werden erbeutet. Fortsetzung folgt! Denn liebe Sparerinnen und Sparer, wir lebten, leben und werden leben in einer entkapitalisierten, weil zinsraubenden Zentralbankwelt.

Es ist nicht überliefert, ob der Fuchs die Gans wieder hergegeben hat, aber ich bin überzeugt, dass die Notenbanker uns Sparern das Diebesgut - die früheren hohen Zinsen - nicht mehr zurückgeben werden. Die internationale Finanzwelt kann sich diesen Zins- und Renditeluxus einfach nicht mehr leisten, wenn sie überleben will. Damit können wir uns auch den Weltspartag sparen. Leisten können wir uns nur noch den Weltspartrauertag.

Immerhin, da es sich nicht mehr lohnt, bis Oberkante Unterlippe zu sparen, kommt das nicht mehr gesparte bzw. entsparte Geld jetzt der Wirtschaft zugute. Sicherlich kommt ein guter Arbeitsmarkt als Sahnehäubchen oben drauf. Insgesamt steht die deutsche Wirtschaft fest auf zwei Beinen: Industrie und Konsum.

Die Liquiditätshausse ist die Saat für die Konjunkturhausse

Was heißt das für die Aktienmärkte? Durch die Notenbanken ist also konjunkturelles Fleisch an den Knochen der reinen Liquiditätshausse gekommen. Was viele deutschen Aktien bislang abgesprochen haben, ist endlich wieder da: Fundamentaler Nährwert!

Liebe Anlegerinnen und Anleger, zeigen Sie dem Zinsvermögen die kalte Schulter, erwärmen Sie sich für Aktien, insbesondere für die mit viel Substanz. Und deutsche Industrieperlen haben Substanz. Sie haben begonnen, den Gesamtmarkt outzuperformen wie die relative Stärke des konjunktursensitiven MDAX gegenüber dem sicherlich auch nicht schlecht laufenden DAX zeigt.

Diese Titel sind aber nur eine Seite der Medaille der Substanz. Nährwert haben auch ausschüttungsstarke deutsche und europäische Titel. Ihre Dividendenrenditen haben die Renditen im Zinsvermögen abgehängt wie der Computer den Abakus.

Die Skepsis der Anleger angesichts hoher Aktienkurse kann ich verstehen. Ihnen kann man aber mit regelmäßigen Aktienansparplänen gut begegnen.

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK


Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

2 Kommentare

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  • mkgeld
    mkgeld

    warum warten wir eigentlich bis die Griechen oder die Südländer aus dem Euro aussteigen. Wir selbst sollten aussteigen und den schwachen Euro den anderen zum abwerten überlassen. Der Staat würde ein tolles Geschäft dabei machen. Alle Euroanleihen mit schlechtem Geld zurückzahlen und wir als Bürger hätten auch einen großen Vorteil durch den Exit. Die Alternative ist doch nur noch mit dem Euro arm werden auf Dauer.

    11:18 Uhr, 27.02.2015
  • Isabojack
    Isabojack

    ...vielen dank für diesen sehr schönen artikel...und wiedermal lesenswert, wie die deutsche politik ihr eigenes Volk sehenden auges durch niedrigzinsen ausbluten läßt...niemand hat den arsch in der hose, seinen wählern die wahrheit zu sagen...

    11:06 Uhr, 27.02.2015