Kommentar
09:06 Uhr, 31.03.2016

Was eine drohende STAGFLATION für Anleger bedeutet

Nach jahrelangen Deflationssorgen wird seit wenigen Wochen eine neue „Sau“ durchs Dorf getrieben. Das neue Gespenst heißt diesmal Stagflation.

Stagflation (hohe Inflation bei niedrigem Wirtschaftswachstum) ist ein seltenes Phänomen, welches die Welt zuletzt in den 70er Jahren im Griff hatte. Die Inflation stieg weltweit rasch an und erreichte zweistellige Raten. In den USA wurde eine Teuerungsrate von knapp 15 % erreicht. In Japan erreichte der Preisanstieg sogar 25 %, während er in weiten Teilen Europas zwischen 10 % und 15 % hin und her pendelte.

Für alle Beteiligten ist Stagflation problematisch. Notenbanken bekämpfen die steigende Inflation durch Zinsanhebungen. Das bremst das Wirtschafts- und Jobwachstum. Das Wachstum liegt nur noch knapp über 0 %. Die Arbeitslosigkeit steigt an. Auch für Anleger ist Stagflation keine gute Nachricht.

Lesen Sie auch: INFLATION - Wie hoch ist die Teuerung wirklich?

Denn grundsätzlich wird Aktien eine Art Inflationsschutz zugeschrieben. In der Theorie lässt sich das nachvollziehen. Steigende Preise werden von Unternehmen an Verbraucher weitergegeben. Die Gewinne sollten zumindest stabil bleiben. Praktisch ist das nicht der Fall. Die Preisanstiege können eben nicht sofort an Verbraucher weitergegeben werden. Die Margen der Unternehmen sinken und folglich auch die Gewinne.


Historisch gibt es nur wenige Vergleichsmöglichkeiten. In den USA stagnierten Aktienkurse in der Zeit der Stagflation innerhalb einer Range von ±20 %. Grafik 1 zeigt den Dow Jones in dieser Phase. Abgebildet ist auch der reale Dow Jones, dessen Kurs inflationsbereinigt wurde. Inflationsbereinigt verlor der Dow Jones innerhalb von 15 Jahren 70 %.

Wer 1966 Aktien kaufte, der musste bis 1995 auf einen realen Gewinn warten. Erst 1995 erreichte der inflationsbereinigte Dow Jones wieder die Kurse von 1966. Die meisten Anleger interessieren sich nicht so sehr für den realen Kursverlauf. Sie blicken auf die Kurstafel und wenn dort eine höhere Zahl als gestern steht sind sie zufrieden.

Das Ziel von jedem Anleger ist gleich: Vermögenserhalt und Vermögensaufbau. Nominal ist Vermögensaufbau schön, doch letztlich zu wenig. Erwirtschaftet man auf sein Vermögen jedes Jahr 2 % Rendite, steigt die Inflation jedoch um 5 %, dann wird man als Rentner nicht glücklich. Die Rendite sollte auch nach Inflation positiv sein.

So schlimm Stagflation ist, muss man sich als Anleger darüber ernsthaft Gedanken machen? Einige Banken, darunter auch die Bank of America, halten Stagflation für möglich, wenn auch nicht für sehr wahrscheinlich. Man sollte dabei jedoch beachten, dass heutzutage für Stagflation keine Teuerungsraten im zweistelligen Bereich mehr notwendig sind. Kerninflationsraten von mehr als 2,3 % werden als ausreichend erachtet. In den USA werden diese Werte in diesem Jahr erreicht. Das Wirtschaftswachstum ist derzeit noch robust. Pendelt es sich jedoch unterhalb von 1,5 % ein, dann dürften Anleger mit Stagflation konfrontiert sein.
Die Chancen für ein solches Szenario sind nicht null. Man darf also den einen oder anderen Gedanken daran verschwenden. Die Ausgangslage ist heute jedoch eine andere als damals. Grafik 2 zeigt den Vergleich von Dow Jones und realem Ölpreis. Dabei ergibt sich ein klares Bild: rapid ansteigende Ölpreise lasten auf dem Aktienmarkt.

Steigende Ölpreise heizen die Inflation an und die ist die Wurzel allen Übels für Anleger. Es ist daher wohl auch kein Zufall, dass die größte Rallye in der Geschichte der US-Börse von 1982 bis 2000 stattfand. Ölpreise waren vergleichsweise niedrig, die Inflation hielt sich in Grenzen. Als der Ölpreis zwischen 2001 und 2008 rapide anstieg, kamen Aktien unter hohen Schwankungen nicht vom Fleck. In Ansätzen erinnerte das an die Zeit der 70er Jahre.

Aktuell ist der Ölpreis niedrig und er wird es noch eine Zeit lang bleiben. Wie in den 80er und 90er Jahren dürfte sich der Ölpreis für mehrere Jahre in einer Range einpendeln, die vermutlich von 45 bis 60 Dollar reicht. Für Aktien ist das gut. Es hält die Inflation im Zaum, die Margen von Unternehmen können stabil bleiben.

Lesen Sie auch: Ölpreis - Noch einmal Kursziel 0 und böses Inflationserwachen

Wie wichtig moderate Inflation ist zeigt Grafik 3. Abgebildet ist der Dow Jones, die Inflation und das Wirtschaftswachstum. Rascher Inflationsanstieg ging mit fallendem Wirtschaftswachstum einher. Die Korrelation ist negativ. Das war nicht nur in den 70er Jahren der Fall, sondern auch Ende der 90er Jahre oder im Jahr 2011.

Damit Anleger einer Abschwächung des Wachstums entkommen können (Wirtschaftswachstum und Aktienmarkt laufen parallel) darf die Inflation nicht nachhaltig über 2,5 % steigen. Geschieht dies, ist spätestens ab diesem Zeitpunkt klar, dass die kommenden Jahre keine hohen Renditen mehr versprechen.

Eine immanente Gefahr sehe ich darin nicht. Global dürfte das Inflationstief erreicht worden sein. Die Teuerungsraten werden sich langsam normalisieren. Dass deswegen nun jedoch gleich Stagflation beschworen wird halte ich für eine Übertreibung.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • whynot
    whynot

    Es gilt natürlich auch mögliche Basiseffekte zu beachten - gerade weil es im Energiebereich in den letzten Monaten zu einem erheblichen Preisverfall gekommen ist, bedarf es nicht sehr viel, um durch ein Wiederansteigen der Energiepreise, die Inflationsrate sprunghaft über besagte 2,5% ansteigen zu lassen.

    15:30 Uhr, 31.03. 2016
  • tschak
    tschak

    Wieder einmal ein wichtiger und sehr guter Beitrag! Der kleine Privatanleger darf bei dieser nervenden lfr. Seitwärtsphase nicht vergessen/aus dem Auge verlieren, wie er sich besser als die Anderen durchschmugeln kann: Mit bekannten Werten, die eine gute Dividendenrendite haben und noch dazu lfr. regelmässig erhöhen!! Global diversifizieren und so immer wieder mind. 2% - 3% Dividende einstreifen, während man auf den "Ausbruch" wartet. Hat bis jetzt immer funktioniert - ausser VOR dem WKII. Aber soweit wollen wir doch nicht schon wieder denken: Stichwort "Bücher verkaufen mit dem Weltuntergangs-szenario"

    10:27 Uhr, 31.03. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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