Fundamentale Nachricht
09:11 Uhr, 27.10.2015

„VW benachteiligt Minderheitsaktionäre erheblich“

Minderheitsaktionäre werden nach Meinung von Matthias Beer, Experte für Responsible Investment bei BMO Global Asset Management (EMEA) in London, erheblich benachteiligt.

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London (GodmodeTrader.de) – Matthias Beer, Experte für Responsible Investment bei BMO Global Asset Management (EMEA) in London, kommentiert im folgenden Interview den Umgang von Volkswagen mit seinen Aktionären und mit Governance-Themen. Das Interview wurde GodmodeTrader freundlicherweise von BMO Global Asset Management zur Verfügung gestellt.

Als Nachhaltigkeitsinvestor setzen Sie sich schon seit längerem kritisch mit Volkswagen auseinander – in welchen Bereichen sehen Sie Diskussionsbedarf?

Matthias Beer: BMO Global Asset Management (EMEA) hatte schon seit einiger Zeit Zweifel an der internen Kontrollkultur von Volkswagen: Minderheitsaktionäre werden erheblich benachteiligt, es mangelt an ausreichenden unabhängigen Prüfungen und Revisionen.

Wie sieht die Benachteiligung der Investoren aus?

Beer: Institutionelle Anleger in Volkswagen halten überwiegend Vorzugsaktien ohne Stimmrechte und nur wenige Stammaktien. Die Ausübung von Stimmrechten über Stammaktien wird über einen vom Volkswagen diktierten, umständlichen manuellen Prozess absichtlich erschwert. Die Familien Porsche und Piëch halten mit etwa 50,7 Prozent die Kontrollmehrheit an den stimmberechtigten Stammaktien, das Land Niedersachsen kontrolliert weitere 20 Prozent und die Qatar Investment Authority etwa 17 Prozent. Neben dem weitgehenden Mangel an Stimmrechten haben Minderheitsaktionäre auch keine ausreichende unabhängige Vertretung im Aufsichtsrat, in dem aktuell nur einer der 20 Aufsichtsräte vom Unternehmen und seinen Großaktionären unabhängig ist.

Was wäre eine angemessene Quote?

Beer: In kontrollierten Unternehmen sollte der Aufsichtsrat in unseren Augen zu mindestens 33 Prozent mit unabhängigen Direktoren ohne Geschäftsbereich besetzt sein, damit ein ausreichend unabhängiger und objektiver Blick auf das Unternehmen gewährleistet ist.

Welche Maßnahmen haben Sie als Nachhaltigkeitsinvestor ergriffen, um VW auf diese Missstände aufmerksam zu machen?

Beer: Wegen dieser grundsätzlichen Kritikpunkte haben wir in der Vergangenheit gegen die Wiederwahl und die Entlastung vieler Aufsichtsratsmitglieder einschließlich und ganz besonders des früheren Vorsitzenden Ferdinand Piëch gestimmt. Außerdem haben wir in einem Schreiben an Volkswagen unsere Erwartungen an gute Unternehmensführung in Deutschland genannt sowie wichtige Bereiche hervorgehoben, in denen wir den Vorschlägen des Vorstands nicht folgen konnten.

Sie beanstanden vor allem auch die personelle Besetzung des Vorstands und den Wahlmodus.

Beer: Ja. Wir haben in unseren Schreiben auch die Notwendigkeit für mehr Unabhängigkeit und regelmäßige neue Besetzungen sowie einen sukzessiven Übergang zu jährlichen Vorstandsneuwahlen betont. Denn: Derzeit wird der Vorstand nur alle vier Jahre oder noch später wiedergewählt. Wir haben uns für mehr Diversität einschließlich mehr Frauen im Vorstand stark gemacht und die Bedeutung eines formalen und transparenten Nominierungsprozesses herausgestellt. Und wir haben das Unternehmen gedrängt, regelmäßige strukturierte Anlässe zu schaffen, während derer institutionelle Anleger Aufsichtsratsmitglieder treffen und mit ihnen in einen konstruktiven Dialog treten können.

Wie hat der Konzern auf Ihre Bemühungen reagiert?

Beer: Volkswagen hat uns weder geantwortet noch die Chance gegeben, uns mit Aufsichtsratsmitgliedern zu treffen.

Stichwort Aufsichtsrat: Warum kritisieren Sie die Wahl von Hans Dieter Pötsch zum neuen Aufsichtsratschef?

Beer: Dass ein Unternehmens-Insider den wichtigen Aufsichtsratsvorsitz erhält, halten wir für bedenklich. Denn gerade jetzt benötigt das Unternehmen über jeden Zweifel erhabene und unabhängige Kontrolleure, um angemessen auf das derzeitige Problem der Dieselemissionen zu reagieren. Doch was ist passiert? Die für den 9. November geplante außerordentliche Hauptversammlung wurde abgesagt. Anlegern wurde durch die unbestimmte Verschiebung der außerordentlichen Hauptversammlung bis auf Weiteres die Möglichkeit genommen, bei dieser Personalie mitzureden. Auf der Hauptversammlung hätten eigentlich die Aktionäre über die Berufung des derzeitigen Finanzvorstands Hans Dieter Pötsch zum Aufsichtsratsvorsitzenden abstimmen können. Stattdessen hat auf Bitten von Volkswagen das Amtsgericht Braunschweig der Bestellung von Hans Dieter Pötsch in den VW-Aufsichtsrat zugestimmt, sodass anschließend der Aufsichtsrat selbst Pötsch bis auf Weiteres zu seinem Vorsitzenden wählen konnte.

Wann haben Sie das Thema Emissionen bei Volkswagen angesprochen?

Beer: Bereits im vergangenen Jahr haben wir das Unternehmen auch auf dessen Anstrengungen angesprochen, die Emissionen aus seinen Fahrzeugen zu senken. Das Unternehmen hat Fortschritte in der Entwicklung von Technologien erzielt, die dem schnell wachsenden Trend in Richtung Elektromobilität Rechnung tragen. Jedoch wirft die aktuelle Krise auch Fragen zur Reduzierung des durchschnittlichen Flottenausstoßes auf.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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