Fundamentale Nachricht
14:07 Uhr, 15.08.2019

Von Handelskrieg und Notenpresse

Solange der Widerstreit zwischen Handelskrieg und immer billigerem Zentralbankgeld besteht, bleibt eine Positionierung an beiden Enden des Risikospektrums BlackRock-Kapitalmarktstratege Martin Lück zufolge die beste Strategie für Anleger.

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    Kursstand: 1.512,750 $/oz. (Commerzbank CFD) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

New York (GodmodeTrader.de) - Wer gehofft hatte, der Sommer könne Entspannung bei schon lange schwelenden Politikrisiken bringen, sieht sich nun, Richtung Ende der Feriensaison, enttäuscht. Der Brexit steht unverändert bedrohlich im Raum, und durch die Wahl von Boris Johnson zum Premierminister ist die Gefahr eines harten Ausscheidens Großbritanniens aus der EU vermutlich sogar gestiegen. Italiens Populistenregierung nahm erst eine harte Haltung in der Flüchtlingspolitik ein, nun lässt Oberpopulist und Innenminister Salvini sogar die Regierung platzen und versucht, seine guten Umfragewerte durch vorgezogene Neuwahlen in einen Machzuwachs umzumünzen. Ärger mit den EU-Partnern scheint programmiert, wie Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock, in seinem aktuellen „Blick auf die Märkte“ schreibt.

US-Präsident Trump bleibe unberechenbar wie eh und je. Zum Ausklang der vorvergangenen Woche habe er zehn Prozent Zölle auf weitere China-Importe im Umfang von 300 Milliarden US-Dollar zum 1. September angekündigt, was umgehend Chinas Reaktion in Form einer Währungsabwertung provoziert habe. Für die Finanzmärkte sei diese Gemengelage – altbekannte Risiken, nur schlimmer – prekär. Denn die Weltwirtschaft befinde sich in einer Phase der Abkühlung, bewirkt durch schwächere Nachfrage aus China, das Auslaufen der steuerreformbedingten Sonderkonjunktur in den USA und strukturell dürftige Dynamik in Europa, heißt es weiter.

„Zwar halten die Zentralbanken durch ihre expansive Wende das globale Wachstum am Laufen und zwingen Anleger damit in reale Assets hinein. Aber gleichzeitig nehmen die Risiken von Fehlallokation und -bewertung weiter zu, die Normalisierung der Geldpolitik rückt in weite Ferne. Die Konsequenz ist eine spürbare Verunsicherung, ablesbar im Anstieg der Aktienvolatilität und einem regelrechten Run auf vermeintlich sichere Anlagen“, so Lück.

Dabei werde deutlich, dass der Gegenpol der allerorts zündelnden Populisten, nämlich die Zentralbanken, durch ihr Heilsversprechen ungewollt die Volatilität verstärkten. So sei der Kurseinbruch in den ersten Augusttagen neben Trumps Handelspolitik und Chinas Reaktion auch der Enttäuschung darüber geschuldet, dass die Fed am 31. Juli die Zinsen nicht so stark gesenkt habe wie erhofft und sich Notenbankchef Jerome Powell auch nicht auf einen weiteren Zinsschritt im September festlegen wollte. Überzeugt habe dies die Märkte aber nicht, denn nach wie vor sei in den Fed Funds Futures eine Zinssenkung um 25 Basispunkte am 18. September zu über 80 Prozent eingepreist. Sollte die US-Zentralbank in fünf Wochen also nicht liefern, wäre eine weitere verschnupfte Marktreaktion zu erwarten, heißt es weiter.

„Die EZB hat sich Richtung Ende der Präsidentschaft von Mario Draghi stärker zu weiterer monetärer Lockerung bekannt als noch vor wenigen Monaten erwartet wurde. So gehen die meisten Marktteilnehmer inzwischen davon aus, dass noch vor Jahresende eine Senkung des ohnehin schon negativen Einlagenzinses ansteht, möglicherweise begleitet durch die Ankündigung, wieder verstärkt Anleihen und/oder andere Finanztitel zu kaufen. Selbst derartig drastische Kurswechsel sind allerdings inzwischen kaum noch in der Lage, die Inflationserwartungen der Markteilnehmer nachhaltig zu beeinflussen, obwohl genau das stets die offizielle Begründung für die Lockerungsmaßnahmen ist“, so Lück.

De facto dagegen versinke Europa immer mehr in einem Japan-ähnlichen Szenario, also schwachem Wachstum, kaum spürbarer Inflation und niedrigen, weitestgehend negativen Zinsen. Es sei bezeichnend, dass über den Verlauf der vergangenen Woche die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen noch einmal um einen Zehntelpunkt gesunken sei und nunmehr bei rund minus 0,6 Prozent stehe, also niedriger als der Einlagezins der EZB (minus 0,4 Prozent). Erstmals sei auch die gesamte Renditekurve gesunken, also die Verzinsung von Schuldtiteln über alle Fälligkeiten von drei Monaten bis 30 Jahre, in den negativen Bereich, heißt es weiter.

„Investoren werden in einem derartigen Umfeld geradezu in reale Anlageformen getrieben, also Aktien, Gold oder auch Immobilien. Aktienpreise stehen trotz der oben angesprochenen Risiken seit Jahresanfang im Plus, um etwa zehn Prozent beim DAX, sogar über 16 Prozent beim S&P 500. Gleichzeitig gibt es aber einen regelrechten Run auf vermeintlich sichere Anlagen wie etwa Gold, dessen Preis inzwischen wieder die Marke von 1.500 US-Dollar pro Feinunze überschritten hat. Und auch die Immobilienbewertungen dürften weiter zulegen, wenn auch mit starken lokalen und qualitativen Unterschieden. Solange also der Widerstreit zwischen der Drohkulisse Handelskrieg und seinen negativen Folgen für Wachstum und Gewinne dem Heilsversprechen der Zentralbanken mit immer mehr, immer billigerem Geld gegenübersteht, bleibt eine Positionierung an beiden Enden des Risikospektrums (also eine sogenannte Barbell-Positionierung) die unserer Ansicht beste Strategie für Anleger“, so Lück.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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