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13:55 Uhr, 19.02.2020

Virus: Ölmarkt in Aufruhr

Der Ölmarkt hat bewegte Woche hinter sich. Die Angst vor einer Nachfrageschwäche als Folge der ausgebrochenen Corona-Epidemie belastete die Preise. Die OPEC+ hat noch keine Maßnahmen ergriffen, und die jüngste Preiserholung lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass sie dies nachholen wird.

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  • Brent Crude Öl
    ISIN: XC0009677409Kopiert
    Kursstand: 58,21 $/bbl. (Citi) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Singapur (Godmode-Trader.de) - Der Ausbruch des Coronavirus hat die Rohstoffmärkte durcheinander gewirbelt. Vor allem der Energiebereich war betroffen. Hier sorgten sich die Marktteilnehmer um die Nachfrageaussichten.

China - ein großer Player am Markt

Scharfe Reisebeschränkungen und eine größtenteils stillgelegte Industrie als Folge des Coronavirus-Ausbruchs haben sich auf den Ölverbrauch innerhalb Chinas ausgewirkt. Dies hatte direkte Folgen für den globalen Ölmarkt. Denn das Land spielt am Weltmarkt eine deutlich wichtigere Rolle als noch im Jahr 2003 zu Zeiten des Sars-Ausbruchs. Damals betrug der chinesische Ölverbrauch im Durchschnitt 5,61 Mio. Barrel pro Tag (bpd), was 7 Prozent des weltweiten Verbrauchs ausmachte. Im Jahr 2019 betrug der Inlandsverbrauch durchschnittlich bereits 13,61 Mio. bpd, was den Anteil Chinas am weltweiten Verbrauch auf knapp 14 Prozent anschwellen ließ. Damit steht China hinter den USA an zweiter Stelle.

Der chinesische Luftfahrtsektor ist ebenfalls weitaus wichtiger geworden, da der Flugverkehr im Land erheblich zugenommen hat (jedes Jahr eröffnet China 14! neue Flughäfen). Die Nachfrage nach Kerosin hat sich seit 2003 verdreifacht, wobei China etwas mehr als 900.000 Barrel Flugzeugtreibstoff pro Tag verbraucht. Allerdings macht dies nur weniger als 7 Prozent des gesamten chinesischen Verbrauchs aus.

Die von der politischen Führung angeordnete Stilllegung großer Teil des öffentlichen Lebens in einigen Provinzen Chinas hat dazu geführt, dass die landesweite Benzin- und Dieselnachfrage quasi eingebrochen ist. In der Folge wurde ein signifikanter Anstieg der Lagerbestände verzeichnet, was u. a. dazu führte, dass die Raffinerien ihre Auslieferungen herabsetzen mussten.

Aktuelle Daten von Sublime China Information zeigen, dass die Auslastung der unabhängigen Raffinerien in Shandong von etwas mehr als 65 Prozent im Zeitraum vor den Neujahres-Feierlichkeiten auf aktuell 47,82 Prozent gesunken sind. Diese Raffinerien stehen für ein Fünftel der gesamten Rohöl-Importe in das Land. Inzwischen haben auch einige staatliche Raffinerien aufgrund der schwächeren Nachfrage ihre Ausführungsraten reduziert.

Trotz des geringeren Verbrauchs und der Senkung der Raffinerie-Ausfuhrmengen gab es Medienberichte über ungewöhnliche Käufe von einigen unabhängigen Raffinerien in China zu niedrigeren Preisen. Diese Spontannachfrage in großem Stil hat letztlich auch dazu beigetragen, dass sich die Ölpreise am Weltmarkt zuletzt wieder erholt haben.

China ist der weltweit größte Rohölimporteur, der 2019 10,16 Mio. bpd Rohöl ins Land einführte. Im Vergleich dazu betrug das Importvolumen im Jahr 2003 1,83 Mio. bpd. Bemerkenswert: Trotz Sars stiegen die chinesischen Ölimporte im Jahr 2003 im Vergleich zum Vorjahr um 31 Prozent.

Experten schätzen, dass das Nachfragewachstum im Laufe des Jahres 2020 um etwa 400.000 bpd zurückgehen könnte. Dies würde bedeuten, dass das weltweite Nachfragewachstum in diesem Jahr auf etwa 800.00 bpd sinkt. Wenn die Reisebeschränkungen länger bestehen bleiben oder infolge des Virus weitergehende Reiseunterbrechungen verordnet werden, würde diese Zahl natürlich noch weiter sinken.

Die OPEC revidierte bereits ihre globale Nachfrage-Wachstumsprognose für 2020 um 230.000 bpd und die US-Energiebehörde EIA senkte ihre Wachstumsprognose um 320.000 bpd. Am pessimistischsten hat sich die Internationale Energieagentur geäußert. Die IEA nahm ihre Prognose für das Verbrauchswachstum für dieses Jahr um 365.000 bpd zurück und erwartet nun nur noch eine Zunahme von 825.000 Barrel, was das niedrigste Wachstum seit 2011 wäre.

Was macht die OPEC?

Zunächst schien es, als ob die Allianz OPEC+ unmittelbar nach dem Corona-Ausbruch zügig Maßnahmen ergreift, um etwaige Nachteile aufgrund von Nachfrageverlusten auszugleichen. Saudi-Arabien drängte darauf, das derzeit für Anfang März auf Februar geplante kommende Treffen vorzuziehen, und der Gemeinsame Technische Ausschuss der OPEC+ empfahl vorvergangene Woche zusätzliche Kürzungen um 600.000 bpd bis Ende Juni, während das derzeitige Abkommen bis zum Jahresende verlängert werden sollte. Allerdings scheint sich Russland wieder einmal zu sperren. Moskau zögert stärkere Einschnitte vorzunehmen und will den Zeitrahmen für das Förderabkommen auch nicht unbedingt verlängern.

Da sich die Preise am Ölmarkt vorerst stabilisiert haben, erscheint eine unmittelbare Reaktion derzeit weniger dringlich. Unfreiwillige Unterstütung bekam die OPEC+ auch dadurch, dass die libyschen Lieferungen aufgrund des Bürgerkriegs im Land zum Stillstand gekommen sind und somit derzeit etwa 1 Mio. bpd aus dem Markt genommen wurden. Es besteht jedoch das Risiko, dass sich die libyschen Lieferungen bei einer Aufhebung der Exportblockaden recht schnell wieder normalisieren. In diesem Fall dürfte die OPEC+ keine andere Wahl haben, als schnell zu reagieren, oder aber, die Gruppe nimmt das Risiko deutlich niedrigerer Preise in Kauf.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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