Fundamentale Nachricht
13:43 Uhr, 14.12.2020

Versetzen uns die 2020er zurück in die 1970er?

Die Experten von Jupiter Asset Management ziehen Resümee aus dem Corona-Krisen-Jahr und geben einen Ausblick auf 2021. Talib Sheikh und Mark Richards beschäftigen sich mit dem Thema Multi-Asset und den Auswirkungen der Geld- und Fiskalpolitik.

Covid-19 hat die Weltwirtschaft zutiefst erschüttert und der Boden unter unseren Füßen bebt noch immer. Wann wir zu einer gewissen Normalität zurückkehren werden, ist schwer zu sagen. Ein Impfschutz gegen Covid-19 mag das Ende der Gesundheitskrise bedeuten, für die weltweiten wirtschaftlichen Schäden der Pandemie aber gibt es kein schnelles Heilmittel.

Angesichts der Krise haben Regierungen und Notenbanken weltweit gigantische Hilfspakete mobilisiert. Eine einfache Rückkehr zu der Welt, wie wir sie vor der Krise kannten, wird es daher nicht geben: Die fiskal- und geldpolitische Landschaft hat sich verändert. In der Geschichte der Weltwirtschaft hat es immer wieder einschneidende Wendepunkte gegeben und die aktuellen Entwicklungen könnten genauso tiefgreifende Auswirkungen haben wie die Aufhebung des Goldstandards im Jahr 1971 oder der Wechsel von Paul Volcker an die Spitze der US-Notenbank Fed Ende der 70er Jahre und die anschließende Anhebung der Zinsen auf 20 Prozent.

Grundlegende Veränderungen haben bereits stattgefunden

Zwei grundlegende Veränderungen gibt es bereits. Zum einen haben die meisten Notenbanken der Industrieländer erkannt, dass ihr Modell der Inflationssteuerung nicht mehr funktioniert, und ihre geldpolitischen Strategien entsprechend angepasst. In der Vergangenheit orientierten sich die Zentralbanken bei der Festlegung der Zinsen an ihren künftigen Inflationserwartungen. Inzwischen haben sich Wachstum, Beschäftigung und Inflation aber stärker voneinander abgekoppelt. An der Prognostizierbarkeit der Inflation bestehen so große Zweifel, dass die Notenbanken bei der Festlegung der Zinssätze künftig eher reaktiv und weniger präventiv vorgehen werden. Gleichzeitig werden sie voraussichtlich immer innovativere Instrumente nutzen, um ihre Inflationsziele zu erreichen.

Die zweite Veränderung betrifft das Ausmaß der staatlichen Interventionen. Seit Ausbruch der Pandemie hat der Staat den Großteil der Bankkredite garantiert. Gleichzeitig ist ein Großteil der Löhne durch Programme zur Erhaltung von Arbeitsplätzen effektiv verstaatlicht worden. Nachdem die Notenbanken ihre geldpolitische Munition weitgehend verschossen haben, liegt es jetzt an den Regierungen, das Wachstum zu generieren, das nötig sein wird, damit sich die Volkswirtschaften von der Pandemie erholen. Investoren können davon ausgehen, dass Geld- und Fiskalpolitik noch auf Jahre hinaus sehr expansiv bleiben werden.

Strukturelle Verschiebungen in der Weltwirtschaft

Niedrige Steuern, Deregulierung und Deindustrialisierung haben dazu geführt, dass Kapitaleigentümer deutlich mehr vom Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte profitiert haben als Arbeitnehmer. Die Unternehmensgewinne sind gestiegen, während die Löhne stagnierten. Wir erwarten, dass sich die Regierungen weltweit nach der Krise darauf konzentrieren werden, dieses System zu „reparieren“. Am deutlichsten dürfte sich das – abgesehen von anhaltenden Defizitausgaben – in höheren Steuern und Androhungen einer strengeren Regulierung, vor allem der Tech-Oligopole, zeigen. Das dürfte die Profitabilität der Unternehmen belasten.

Hoffnung auf bessere weltwirtschaftliche Perspektiven sehen wir durch den Regierungswechsel in den USA. Nach den jüngsten Handelskonflikten und Deglobalisierungstendenzen wird die Biden-Regierung vermutlich auf eine bessere weltweite Zusammenarbeit setzen. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass eine gewisse regionale Zersplitterung bereits erkennbar ist und wir es inzwischen mit drei großen Handelsblöcken – Amerika, Europa und Asien – zu tun haben. Das Tempo der Deglobalisierung wird zwar nachlassen – umkehren wird sich dieser Trend aber wohl nicht.

Neue Ära mit Nachwirkungen der alten

Die Pandemie dürfte 2021 überwunden sein, aber sie wird eine andere Welt hinterlassen. Viele der Probleme, mit denen die Weltwirtschaft seit zehn Jahren kämpft – vor allem eine extrem hohe Verschuldung – sind durch die Krise verschärft worden. Notenbanken und Regierungen haben mit immer innovativeren Ansätzen versucht, Inflation und Wachstum anzukurbeln.

Wir leben in einer neuen Welt, in der niemand genau sagen kann, wie sich diese Veränderungen letztlich auswirken werden. Deshalb sind wir der Ansicht, dass Investoren mit einem flexiblen Investmentansatz am besten aufgestellt sind, um aus unterschiedlichen Anlageklassen und globalen Märkten regelmäßige Erträge oder eine angemessene Gesamtrendite zu generieren. Wir sind zuversichtlich, dass wir 2021 wieder in einer angenehmeren Welt leben werden. Auf eine Rückkehr zu einer Welt, wie wir sie vor der Pandemie kannten, sollte aber niemand hoffen.

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