Analyse
09:05 Uhr, 28.09.2022

VARTA - Die Alarmglocken schrillten hier seit Monaten

Das erneute Einkassieren der Jahresprognose kam bei Varta nicht etwa überraschend, sondern war die logische Konsequenz eines etappenweisen Abstiegs, der bereits im Jahr 2021 begonnen hatte.

Erwähnte Instrumente

  • VARTA AG
    ISIN: DE000A0TGJ55Kopiert
    Kursstand: 36,990 € (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • VARTA AG - WKN: A0TGJ5 - ISIN: DE000A0TGJ55 - Kurs: 36,990 € (XETRA)

Vor kaum einer Aktie warnte stock3 (damals GodmodeTrader) in den vergangenen Monaten so häufig wie vor Varta. Das hatte auch seinen guten Grund. Denn kaum eine Aktie wurde in den vergangenen Monaten derart in den Himmel gelobt, manch einer würde auch von dreister Pusherei sprechen. Diese Lobhudelei, oder sollte man sie vielleicht lieber Träumerei nennen, ging sogar so weit, dass langfristige Szenarien eines DAX-Aufstiegs der Aktie gezeichnet wurden.

Das Elektromobilitätsmärchen platzt

Die Story ist aber auch einfach zu schön (, um wahr sein zu sein?!). Ein Hersteller von Haushaltsbatterien, Knopfzellen und Lithium-Ionen-Akkus (Coinpower), vor allen Dingen für die Airpods von Apple, aber auch für Hörgeräte, soll als Batteriezulieferer für Automobilkonzerne zu einem großen Player aufsteigen.

Die Wunderwaffe: V4Drive, eine Lithium-Ionen-Rundzelle mit einer herausragenden Energiedichte und einer Ladezeit von nur sechs Minuten. Laut Angaben des CEOs Herbert Schein führte man bereits im April 2021 "intensive Gespräche mit Kunden". Vor allen Dingen im Premiumsegment der Autobauer könnte ein Einsatz erfolgen. Denn gerade hier sei es für Autohersteller wichtig, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Aber auch batteriebetriebene Werkzeuge wurden als Anwendungsgebiet angeführt.

Interessanterweise sprach das Unternehmen anfangs von einer Lösung, in der die Technologie als "Booster", beispielsweise bei Sportwagen, zum Einsatz kommen könnte. Daraus wurde am Kapitalmarkttag im Oktober 2021 eine Story gebastelt, in der Varta die Vision eines ganzheitlichen Batterieproduzenten für komplette Elektroautos à la BYD, CATL zeichnete. Inzwischen sind nach der untenstehenden Präsentation fast 1 1/2 Jahre vergangen. Außer Gerüchten, Porsche sei wohl ein möglicher Partner, herrscht diesbezüglich absolute Funkstille. Die gebaute Pilotanlage stellt bislang "nur" die Booster-Variante her, die vorrangig in Hybridfahrzeugen Einsatz finden könnte. Für eine angeblich bahnbrechende Technologie ist das ein Armutszeugnis. Zudem ist Varta finanziell nicht wirklich in der Lage, ein solches Big-Picture-Szenario auch nur ansatzweise umzusetzen. Dazu aber später mehr.

Nun könnte man argumentieren, die Börse lebe von Fantasie und das alles könnte ja immer noch klappen. Das Problem: Das Unternehmen selbst glaubt nicht mehr wirklich an ein solches Szenario. Dem Engagement und kritischen Fragen eines ehemaligen Kollegen auf einer Veranstaltung in Hamburg im August ist es zu verdanken, dass sich Varta quasi selbst "entlarvte". Denn auf die Frage, ob man denn überhaupt noch plane, komplette Batterien für Elektroautos zu produzieren, kam als Antwort: "Wir müssen die Erfahrungen aus der ersten Anwendung (Booster, Anm. d. Redaktion) verarbeiten. Für die große Zelle ist weitere Entwicklungsarbeit notwendig. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh, darüber zu urteilen."

Wie bitte? Es ist noch nicht einmal klar, ob sich das ganze Projekt "Batterien für Elektroautos" zu 100 % realisieren lässt? Da fehl(t)en einem die Worte...

Großer Kapazitätsaufbau <=> großzügige Dividende

Doch gehen wir noch einmal zurück in das Jahr 2021. Noch vor dem ersten großen Rückschlag, den Halbjahreszahlen 2021, startete ich im Mai 2021 mit warnenden Worten ein intensiveres Coverage der Varta-Aktie auf meinem Expertendesktop auf stock3 Terminal (vormals Guidants). Damals stand die Aktie noch um die 110 EUR, stieg sogar nochmals auf über 160 EUR, ehe sie immer weiter nach unten wegdriftete. Die damalige Headline: "Das sollten Varta-Fans bedenken!" Im Zentrum des Posts: Der Cashbestand, der aufgrund negativer Cashflows im ersten Quartal 2021 von 121,9 auf 72,8 Mio. EUR zusammengeschrumpft war. Eine viel zu geringe Basis, um überhaupt an einen großen Kapazitätsaufbau denken zu können. Auf der anderen Seite schüttete Varta 2021 eine Dividende von 2,48 EUR je Aktie aus, also rund 100 Mio. EUR.

Ein Wachstumsunternehmen, das eigentlich massiv investieren müsste, schüttet eine hohe Dividende aus? Der Hintergrund leuchtete mir relativ schnell ein. Denn Großaktionär Michael Tojner hält 55 % der Aktien, hat also einen großen Anreiz, für sein Investment reichlich belohnt zu werden. 55 Mio. EUR heimste er also brutto als Dividende ein und das Ganze in diesem Jahr gleich noch einmal. Und was machte Varta im Gegenzug in diesem Jahr? Nimmt über ein Schuldscheindarlehen 250 Mio. EUR Schulden auf, angeblich für weiteres Wachstum. Sicherlich auch für Wachstum, aber auch für die nächste Dividendenzahlung, sollte das Management den Fehler einer so hohen Ausschüttung auch 2023 und damit zum dritten Mal in Folge begehen.

Mit dem enttäuschenden Halbjahresbericht 2021, der bereits kaum Wachstum mehr aufzeigte, intensivierte ich noch einmal die Berichterstattung auf stock3 Terminal. Vartas Cashbestand war erneut erheblich zusammengeschrumpft. Fazit: "Etwas weniger Euphorie rund um diesen Wert scheint mir angebracht."

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Trotz dieses enttäuschenden Berichts gingen viele Marktteilnehmer damals immer noch davon aus, Varta könnte die Jahresprognose 2021 anheben. Was folgte, war aber keine Anhebung, sondern ein Senken der Umsatzprognose. Und mit dieser startete auch meine Berichterstattung auf stock3 (damals GodmodeTrader). Das Problem war aber damals weniger das Senken der Ziele für 2021. Vielmehr strich Varta zugleich auch die Ziele für 2022 und 2023 zusammen, wohlgemerkt unter anderem mit der Begründung "hoher Investitionen in die V4Drive-Zelle". Auch der stock3-Artikel, geschrieben im November 2011 bei Kursen rund um 130 EUR, hatte ein klares Fazit, ich zitiere: "Die teuer bewertete Varta-Aktie wird mit dieser Prognose für die kommenden Jahre Schwierigkeiten bekommen. Unter 105,10 EUR droht eine Verkaufswelle, die sich gewaschen hat." Dieses Verkaufssignal wurde schlussendlich im Januar dieses Jahres ausgelöst, womit auch Charttechniker auf ihre Kosten kamen. Die KGVs der Varta-Aktie nach Anpassung der Schätzungen seitens der Analysten lagen damals bei Kursen um 110 EUR im Übrigen bei 42 für das Jahr 2022 und 32 für das Jahr 2023. Die Aktie war also angesichts des inzwischen niedrigen Wachstums sehr teuer.

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Im März folgte das nächste Varta-Desaster. In diesem Fall kündigte das Management aufgrund "globaler Herausforderungen" einen Rückgang beim bereinigten EBITDA an. Varta war spätestens jetzt kein Wachstumsunternehmen mehr, wurde aber immer noch so bewertet. Im Mai lieferte das Management ganz schwache Q1-Zahlen, bestätigte aber zunächst die Jahresprognose. Die Bewertung der Aktie war auch bei Kursen um 80 EUR immer noch ambitioniert. Das sah wohl auch Großaktionär Tojner so und verkaufte im Juli zu Kursen um 78 EUR für über 15 Mio. EUR Varta-Aktien. Im August reagierten die Verantwortlichen dann doch und kassierten die Jahresprognose ein. Wohlgemerkt an einem Samstagmorgen. Um vor wenigen Tagen nicht nur die Jahresprognose erneut zu streichen, sondern gar nicht erst eine neue auszugeben. Daraufhin crashte die Aktie und verlor rund ein Drittel ihres Wertes. Inzwischen beläuft sich das Minus seit dem Allzeithoch auf rund 80 %, seit Jahresanfang hat der TecDAX-Titel über zwei Drittel an Wert eingebüßt.

Erste Analysten sehen den Gewinn bei Varta in diesem Jahr nicht einmal mehr bei 1 EUR je Aktie. 2021 waren es noch 3,12 EUR je Aktie. Und 2023 könnte es nicht besser, sondern sogar noch einmal schlechter werden. Varta hat aktuell ganz andere Probleme als V4Drive. Denn ein Teardown der neuen Airpods Pro 2 zeigte nicht etwa einen Akku von Varta, sondern von Samsung. Anscheinend möchte Apple in Zukunft zweigleisig fahren, was Akkus für die Airpods anbelangt. Warburg Research rechnet mit einem solchen Dual-Source-Ansatz auch bei den Airpods 4, die voraussichtlich Ende nächsten Jahres auf den Markt kommen werden. Traurig: Zuletzt lief das Geschäft mit Haushaltsbatterien noch am besten. Ein Geschäft, das für große Wachtumsträumereien eher nicht geeignet ist.

Wir bleiben gewohnt professionell!

Verstehen Sie mich nicht falsch. Der Wirtschaftsstandort Deutschland könnte einen großen Batterieplayer im Zukunftsmarkt Elektromobilität als Gegenpol zu den starken Chinesen gut gebrauchen. Bei Varta ist man davon aber aktuell weit entfernt. Was die bullischen Analysten anbelangt: Jeder liegt an der Börse mit Einschätzungen daneben, das gehört zum Geschäft. Negative Überraschungen können immer passieren. Doch wenn sich über Monate hinweg bei einer Aktie wie Varta die Ausrufezeichen und zusehends auch die Fragezeichen mehren, ist höchste Vorsicht angebracht, erst recht in einem Marktumfeld, wie wir es aktuell haben.

Auch wenn sich der Name unserer Plattform seit heute in stock3 geändert hat, werden wir für Sie, liebe Leserinnen und Leser, das kann ich Ihnen versichern, gewohnt qualitativ berichten. Dazu zählt zum einen, weiterhin interessante Aktien vorzustellen und deren Chancen zu beleuchten. Dazu zählt aber auch eine kritische Berichterstattung, gerade, wenn wie bei Varta Versprechungen auf der einen und gelieferte Fakten auf der anderen Seite so gar nicht zusammenpassen wollen.

Ich hoffe, Sie haben mit unserer neuen Website so viel Freude wie wir als Redaktionsteam. Sei es, um sich einfach nur zu informieren, sei es um zu analysieren und/oder sei es um zu traden, was nun auch direkt auf stock3 möglich ist.

Das ganze Team um stock3 wünscht Ihnen viel Spaß und wie immer viel Erfolg!

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Über den Experten

Bastian Galuschka
Bastian Galuschka
Chefredakteur

Bastian Galuschka ist seit über 20 Jahren an der Börse aktiv. Er entdeckte bereits zu Schulzeiten seine Leidenschaft für die Börse. Über fünf Jahre lang war der Diplom-Volkswirt als Redakteur bei einem bekannten Anlegermagazin tätig und verantwortete dort den Bereich Charttechnik. Seit März 2013 verstärkt er die Redaktion der stock3 AG. Bastian Galuschka kombiniert bei seinen Analysen gerne Fundamentaldaten mit charttechnischen Aspekten. Gerade im Smallcapbereich hat sich der Analyst über viele Jahre ein fundiertes Wissen aufgebaut. Seit Juni 2023 ist Galuschka Chefredakteur von stock3.

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