Kommentar
08:34 Uhr, 04.09.2015

USA: Wirtschaftsinsel der Glückseligkeit

Die Tagung der Notenbanker in Jackson Hole vergangene Woche brachte interessante Erkenntnisse zutage. Eine davon: die USA sind ziemlich isoliert von den derzeitigen ökonomischen Problemen weltweit.

Die US Märkte reagierten zuletzt äußerst verschreckt auf die Nachrichten aus China. Fundamental lässt sich die Reaktion nicht begründen, denn die USA sind relativ isoliert von der wirtschaftlichen Entwicklung im Rest der Welt. Ein Grund für die Isolation ist der Überhang von Importen gegenüber Exporten.

Die USA exportieren jährlich Waren im Wert von ungefähr 1,6 Billionen Dollar. Das entspricht gut 9% der Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: in Deutschland sind es gut 40%. Die US Wirtschaft ist daher von externen Schocks relativ gut abgeschottet. Geht das Wachstum im Rest der Welt zurück und brechen aufgrund dieses Rückgangs die US Exporte um 10% ein, dann wird das Wirtschaftswachstum der USA um 0,92% gedrückt. Um die Wirtschaft allein aufgrund eines Exportrückgangs in eine Rezession zu stürzen, müssten die Exporte um mindestens ein Drittel nachgeben.

Ein Rückgang der Exporte um ein Drittel ist äußerst selten. In den letzten 100 Jahren kam es zu einem solchen Einbruch lediglich 2 Mal. Das erste Mal kam es während der weltweiten Depression der 30er Jahre dazu. Das zweite Mal während der Großen Rezession 2008/09. Sofern der Rest der Welt nicht in sich zusammenfällt, sind die USA mit ihrer Wirtschaft relativ isoliert.
Daran ändert auch die Zusammensetzung der Exporte nichts. Heute werden sehr viel mehr Dienstleistungen exportiert als noch vor einigen Jahren. Berücksichtigt man diese in der Rechnung, dann machen die Exporte von Waren und Dienstleistungen 13% der Wirtschaftsleistung aus. Ein Einbruch von 10% würde das Wachstum um 1,3 Prozentpunkte senken.

In Jackson Hole ging es weniger um die Anfälligkeit auf externe Schocks durch den Handel, sondern vielmehr um die Gefahr der Deflation durch die Aufwertung des Dollars. Die Inflation ist in den USA seit Jahren niedrig und liegt seit drei Jahren unter der Zielmarke von 2%, die von der Notenbank ausgegeben wurde. Für die anhaltend niedrige Inflation sind unter anderen der Dollar und fallende Rohstoffpreise verantwortlich, doch deren Effekt ist geringer als gedacht.

Das Thema wurde von der Harvard Professorin Gita Gopinath in dem wissenschaftlichen Beitrag „The International Price System“ untersucht. Das Paper ist 74 Seiten lang und ich muss gestehen, dass ich es nicht von vorne bis hinten gelesen habe. Ein genaues Studium der Lektüre ist auch gar nicht notwendig, um die Kernaussage zu begreifen. Die Kernaussage lässt sich kurz und bündig zusammenfassen: die Dollaraufwertung hat nur einen geringen Einfluss auf die Inflation in den USA.

Ganz überraschend kommt die Erkenntnis nicht. Die USA sind zwar Importweltmeister mit einem Importvolumen von 2,3 Billionen USD in Waren und 400 Mrd. in Dienstleistungen, doch selbst diese enorme Summe macht lediglich 15,8% der Wirtschaftsleistung aus. Der Anteil an Konsumgütern liegt höher und beläuft sich auf ungefähr ein Fünftel. Dennoch: selbst wenn ein Fünftel der konsumierten Waren billiger wird, ist der Einfluss überschaubar.

Es geht jedoch nicht nur um den Anteil der importierten Waren und Dienstleistungen an sich, sondern auch darum, wie sich die Preise tatsächlich ändern, wenn der Dollar aufwertet. In der Theorie geht man von einem sehr einfachen Zusammenhang aus. Steigt der Dollar um 10%, dann können Waren auch um 10% günstiger importiert werden. Der gleiche Dollarbetrag ist im Ausland 10% mehr wert und man kann um diesen Betrag entsprechend auch 10% mehr an Waren kaufen. So einfach ist es jedoch nicht.

Grafik 1 zeigt zwei Importpreisindizes und die jährliche Veränderungsrate dieser Indizes. Der erste Index zeigt die Preisentwicklung aller importierten Güter an. Dieser Index beinhaltet alles von Agrargütern über Maschinen bis hin zu fossilen Brennstoffen. Dieser Preisindex ist ziemlich volatil. Allein während der Großen Rezession 2008/09 sanken die Importpreise um 20%. Im aktuellen Umfeld sank der Index bisher 11%.

Der zweite Index zeigt die Preise aller Importgüter ohne Energierohstoffe. Importe wie etwa Öl sind hier ausgeschlossen. Das Bild ist nun ein anderes. Die Preise sinken, jedoch nur sehr moderat. Das ist überhaupt kein Vergleich zum Gesamtimportpreisindex, der auch die Energierohstoffimporte berücksichtigt.
Das ist schon eine unerwartete Erkenntnis. Der Dollar wertet derzeit in atemberaubendem Tempo auf, doch die Importpreise fallen kaum. Grafik 2 zeigt das Phänomen noch einmal im Detail. Es sind wieder die beiden Importpreisindizes dargestellt. Dazu passend zeigt die Grafik die Entwicklung des Ölpreises und die Entwicklung des Dollarindex.

Der Preisindex für alle Güter inkl. Öl wird maßgeblich vom Ölpreis bestimmt. Es lassen sich ungefähr zwei Drittel der Preisbewegungen durch den Ölpreisverlauf erklären. Das ist relativ viel, denn die Ölimporte machen weniger als ein Viertel der Gesamtimporte aus. Obwohl Öl weniger als ein Viertel ausmacht bestimmt der Ölpreis zwei Drittel der Preisbewegung. Das ist ein extrem überproportionaler Einfluss.

Grafik 2 zeigt auch den Importpreisindex für alle Güter exkl. Energierohstoffe. Dieser Index bewegt sich konträr zum Dollarindex. Das ist wie man es erwarten würde. Steigt der Dollar, dann fallen die Importpreise. Die Bewegung ist zwar parallel, aber das Ausmaß der Bewegung ist sehr unterschiedlich. Zwischen 1996 und 2001 gewann der Dollar 30% an Wert. Die Importpreise fielen im gleichen Zeitraum jedoch um lediglich 11%. Eigentlich würde man erwarten, dass die Importpreise so stark fallen wie der Dollar stärker wird. Das tun sie aber nicht.

Wie ausgeprägt diese Divergenz zwischen Dollaraufwertung oder Dollarabwertung und den Importpreisen ist zeigt Grafik 3. Die Linien setzen den Ölpreis mit den Importpreisen für alle Produkte in Zusammenhang. Die Balken zeigen die Entwicklung des Dollarindex und aller Importpreise für Produkte exkl. Energie. Während Öl und der entsprechende Index sich tendenziell in ähnlichen Größenordnungen bewegen, ist das bei Dollarindex und entsprechenden Preisen nicht der Fall. Besonders eindrücklich wirkt die Divergenz im Jahresvergleich. Der Dollarindex hat seit August letzten Jahres fast 20% an Wert gewonnen, doch die Importpreise gaben lediglich um 2,8% nach.

Wie kann das alles überhaupt sein? Die Antwort darauf ist enttäuschend einfach. Ein Großteil des weltweiten Handels wird in US Dollar abgewickelt. Importieren die USA Waren aus China oder Japan, dann zahlen sie dafür in Dollar und nicht in den jeweiligen Währungen der Handelspartner. Das ist mitunter auch der Grund, weshalb China enorme Dollarreserven hat.

Währungen wie der Yen, der stark an Wert verloren hat, machen japanische Güter grundsätzlich billiger. Japanische Unternehmen verkaufen ihre Waren allerdings in Dollar und nicht in Yen. Obwohl also die Landeswährung an Wert verloren hat bleiben die Dollarpreise relativ konstant. Sie müssten nicht konstant bleiben. Unternehmen könnten den Währungseffekt weitergeben, indem sie die Dollarpreise senken. Das tun jedoch die wenigsten und erst mit einer großen zeitlichen Verzögerung. Die Folge sind stabile Preise und höhere Margen für japanische Unternehmen.

US Verbraucher zahlen im Prinzip zu viel für Importwaren und helfen so die Unternehmensgewinne im Ausland zu steigern. Das ließe sich nur ändern, wenn die USA Importgüter nicht mehr in Dollar kaufen würden. Ein solcher Trend ist nicht abzusehen. Insofern sind die USA relativ isoliert von der Aufwertung der eigenen Währung. Sie macht zwar US Exporte teurer, aber zumindest wird kaum Deflation importiert.

Die Sache sieht übrigens für andere Ländern ganz anders aus. Japan zahlt seine Importe in Yen. Fällt der Yen, dann werden Importe teurer. Die Wirkung ist fast 1 zu 1. Fällt der Yen um 10%, dann steigen auch die Importpreise um 10%.

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5 Kommentare

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  • Chronos
    Chronos

    Ein älteres Thema. Hier als der Balken´sche Fehler bekannt.

    Die Gold-bugs tun dem ideologisch gleich.

    Bis Ihnen klar wurde das hier kein Yankee-Freund von USD-Dollar Macht schreibt und das System seit Jahrzehnten so läuft und damit die BRICS ausgenommen werden.

    Derzeit in der Presse auch nur wieder China, wobei es weniger dramatisch ist als beschrieben.

    Es ist mehr der Faktor einer muss ja Schuld sein, wir sind´s schon mal nicht.

    Wo ist India, RUS? Und was passiert, wenn diese Länder ihre Devisenreserven (die ständig durch den Verkauf von Rohstoffen aufgefüllt werden) loseisen?

    Solange das europäische Festland seine Dollarabhängigkeit nicht erkennt, wird sich daran so schnell nichts ändern.

    Das französische & deutsche Bauern gegen Brüssel ziehen und gefixte Preise und Subventionen bekommen ist Politik, das Problem geht es nicht an.

    Von den AMI´s verlange Sanktionen gegen RUS.

    Seit wann haben wir Apfel&Milchbutter-Berge? Seit 25 Jahren?

    Selbst gr. Ziegenmilch bzw. Feta kommt aus Dänemark.

    Inflation bekommen die ZB´s nur über das Oil über 2%, daher ist das derzeit der heißeste Markt.

    Für Physiker die mit Börse nichts zu tun haben wollen, ist Platin und Palladium der Stoff, nicht Gold.

    11:11 Uhr, 04.09.2015
  • whynot
    whynot

    tatsächlich dürfte die us wirtschaft stärker von den kursen an der wallstreet abhängig sein, als von ihren exporten - fatal, falls noch ein richtiger crash nachkommen sollte - dann wird aus dem wealth-effect, den die fed mit ihrem qe erreichen wollte, ganz schnell ein poor-effect.

    10:05 Uhr, 04.09.2015
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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