Kommentar
16:32 Uhr, 06.09.2010

USA: Hängepartie am Arbeitsmarkt: Mühsamer Beschäftigungsaufbau mit moderater Lohndynamik

• Die Anzahl der Beschäftigten ist im August um 54.000 Personen gesunken. Die Arbeitslosenquote stieg auf 9,6 %. Die durchschnittlichen Stundenlöhne nahmen im Vergleich zum Vormonat unerwartet um 0,3 % zu.

• Wie in den Vormonaten ging der Beschäftigungsabbau in erster Linie auf den Rückgang der zeitlich befristeten Stellen im Zuge der Volkszählung zurück. Rechnet man diesen Effekt heraus, dann stieg die Anzahl der Beschäftigten um 60.000 Personen. Dank des Plus bei den durchschnittlichen Stundenlöhnen dürften die gesamtwirtschaftlichen Löhne und Gehälter moderat angestiegen sein. Dies ist ausreichend für eine leicht expandierende Konsumdynamik – mehr aber auch nicht.

• Die Befürchtungen über eine erneute Rezession in den USA haben sich in dieser Woche etwas verflüchtigt. Die Schwäche der US-Wirtschaft ist aber struktureller Natur. Hier zeigen sich zwar Verbesserungen. Dennoch bleiben wir bei unserer Einschätzung eines fragilen Konjunkturaufschwungs.

1. Heute Vormittag haben wir eine Studie zur Schwäche am Arbeitsmarkt veröffentlicht (siehe Volkswirtschaft Spezial: „Was ist mit dem Konjunkturzyklus der US-Wirtschaft los?“). Der Arbeitsmarktbericht für August passt sehr gut in das von uns skizzierte Bild: Aufgrund struktureller Anpassungen fehlt bislang eine hinreichende Dynamik, um eine für einen stabilen Aufschwung übliche Beschäftigungsentwicklung zu initiieren. Insgesamt wurden seit Anfang des Jahres gut 700.000 Stellen netto aufgebaut. Angesichts einer wachsenden Volkswirtschaft und einer Gesamtanzahl von gut 130 Millionen ist dies enttäuschend.

2. Im August gingen netto 54.000 Stellen verloren und damit weniger als befürchtet (Bloomberg- Umfrage: -105.000 Personen, DekaBank: -80.000 Personen). Wie in den Vormonaten ging der Beschäftigungsabbau in erster Linie auf das Auslaufen von kurzfristig geschaffenen Arbeitsplätzen im Zuge der Volkszählung „Census 2010“ zurück. Hierdurch wurden 114.000 Stellen gekürzt, was den allgemeinen Erwartungen entsprach. Sieht man von diesem Effekt ab, dann stieg die Anzahl der Beschäftigten um 60.000 Personen. Dies entspricht nahezu der durchschnittlichen und schwachen Entwicklung in den drei Monaten zuvor. Sicherlich ist die Nettoaufwärtsrevision der beiden Vormonate um insgesamt 123.000 Stellen erfreulich, allerdings ändert dies nichts daran, dass die Beschäftigungsentwicklung deutlich zu wünschen übrig lässt. Der Beschäftigungsaufbau in der Privatwirtschaft stellte mit 67.000 Personen ebenfalls eine positive Überraschung dar (Bloomberg-Umfrage und DekaBank: 40.000 Personen).

3. Die Arbeitslosenquote stieg im August wie erwartet auf 9,6 % (Bloomberg-Umfrage und DekaBank: 9,6 %). Grundlage dieser Berechnung ist die separat durchgeführte Haushaltsbefragung. In den Vormonaten war die Arbeitslosenquote leicht rückläufig gewesen, obwohl die nach Haushaltsbefragung ermittelte Beschäftigungshöhe rückläufig gewesen war – der Rückgang der Erwerbspersonen überwog nämlich. Diese Entwicklung aus „falschen“ Gründen setzte sich im August mit umgekehrten Vorzeichen fort: Die Arbeitslosenquote nahm zu, obwohl nach dieser Erhebungsmethode die Anzahl der Beschäftigten um 300.000 Personen angestiegen ist. Es haben sich also mehr Personen am Arbeitsmarkt zurückgemeldet, und nicht alle haben einen Arbeitsplatz gefunden. Diese ständigen statistischen Verzerrungen erschweren zunehmen, die Einschätzung, auf welchem Niveau die Arbeitslosenquote in der Realität eigentlich derzeit liegt. Sehr wahrscheinlich liegt aber derzeit kein deutlicher Abwärtstrend bei der Arbeitslosenquote vor.

4. Im Gegensatz zur Beschäftigungsdynamik ist die Lohnentwicklung zufrieden stellend: Die durchschnittlichen Stundenlöhne aller Arbeiter und Angestellten stieg um 0,3 % mom (Bloomberg-Umfrage und DekaBank: 0,1 %) bzw. 1,7 % yoy an. Ohne die Berücksichtigung der Arbeiter und Angestellten mit Weisungsbefugnis war der Zuwachs mit 0,2 % mom etwas geringer (2,1 % yoy). Die Wochenarbeitszeit stagnierte im Vergleich zum Vormonat (inkl. Weisungsbefugte) bzw. nahm leicht zu (exkl. Weisungsbefugte). Wir kommentieren weiterhin beide Statistiken, weil sich die neu eingeführten Gesamtstatistiken noch nicht bewährt haben und die Entwicklungen nach alter statistischer Abgrenzung bislang aussagekräftiger sind. Insgesamt deuten diese Zahlen eine moderate Lohn- und Gehaltsentwicklung an. Dies ist ausreichend für eine leicht expandierende Konsumdynamik – mehr aber auch nicht.


5. Hängt man die Erwartungen hinsichtlich der Beschäftigungsentwicklung nur tief genug, dann findet man in den einzelnen Sektoren durchaus positive Signale: Der Beschäftigungsabbau im Baugewerbe hat sich nicht fortgesetzt, der Rückgang im Finanzsektor hat sich verflacht, der Abbau im verarbeitenden Gewerbe geht in erster Linie auf einen Sondereffekt in der Automobilindustrie zurück und im Bereich der Zeitarbeiter, die eine gewisse Vorlaufeigenschaft gegenüber der Gesamtentwicklung besitzen, wurde netto Beschäftigung aufgebaut. Diese Entwicklungen sind zwar erfreulich. Sie lassen aber nicht auf eine unmittelbar kräftige Aufwärtsdynamik am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten schließen.

6. Die Befürchtungen über eine erneute Rezession in den USA haben sich in dieser Woche etwas verflüchtigt: Die Unternehmen sind gemessen am ISM-Index gut gelaunt, der Immobilienmarkt berappelt sich (die schwebenden Hausverkäufe sind im Juli deutlich angestiegen) und ein mancherorts befürchteter Beschäftigungsabbau fand auch nicht statt. Was bleibt, sind die strukturellen Probleme der Volkswirtschaft, die sich mal mehr, mal weniger in der wirtschaftlichen Aktivität niederschlagen, aber grundsätzlich ein Wachstumshemmnis bleiben. Diese Probleme liegen vor allem im Bankensystem. Auch hierzu gab es in dieser Woche Meldungen vom Einlagensicherungsfonds (FDIC), die durchaus auf eine Verbesserung hindeuten. Strukturelle Entwicklungen sind oftmals zäh. Dies bedeutet, dass es noch Zeit bedarf, bis die US-Wirtschaft auf einen stabilen Wachstumspfad einschwenkt. Es bleibt also vorerst bei unserer Einschätzung eines fragilen Konjunkturaufschwungs.

Rudolf Besch - Analyst bei der Deka Bank

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