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14:02 Uhr, 15.05.2019

USA/China: Das Spiel mit dem Feuer

Chinas Konjunktur lahmt, die Risiken des Handelskrieges steigen. Das Wachstum der Einzelhandelsumsätze und der Industrieproduktion fiel im April überraschend schwächer aus, was nun den Druck auf Peking erhöht, der Wirtschaft neue Impulse einzuhauchen.

Peking (Godmode-Trader.de) - Der Handelsstreit mit den USA lähmt die chinesische Wirtschaft zunehmend. Im April ging das Wachstum beim Einzelhandelsumsatz, der Industrieproduktion und den Investitionen in Sachanlagen zurück: Zudem wurden bei allen drei Werten die Erwartungen von Volkswirten enttäuscht.

Die Einzelhandelsumsätze stiegen im April nur um 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, was das langsamste Tempo seit Mai 2003 bedeutet, wie Daten des National Bureau of Statistics (NBS) zeigen. Damit wurden der März-Wert von 8,7 Prozent und die Prognosen der von Bloomberg befragten Experten von 8,6 Prozent deutlich unterlaufen.

Die Daten deuten darauf hin, dass die Verbraucher ihre Ausgaben für Alltagsprodukte wie Körperpflege oder Kosmetik drastisch einstampfen und gleichzeitig teurere Anschaffungen wie Autos in die Zukunft verschieben. „Im Hinblick auf die zukünftige Politik, den Konsum als Stabilisator der Wirtschaft zu erhalten, könnte China gezielte Steuersenkungen oder Subventionen für die mittleren und unteren Einkommensgruppen durchführen“, sagte Nie Wen, Ökonom bei Hwabao Trust, zu Reuters. Insgesamt weisen die Daten der Einzelhändler für April weitgehend auf eine geringere Aktivität hin, nachdem überraschend positive März-Werte noch Hoffnungen geweckt hatten, dass die Wirtschaft langsam wieder auf einen festen Kurs zurückkehrt und weniger politische Unterstützung benötigt.

Das Wachstum der Industrieproduktion verlangsamte sich im April gegenüber dem Vorjahr ebenfalls stärker als erwartet auf 5,4 Prozent und kam von dem 4-1/2-Jahreshoch von 8,5 Prozent im März zurück. Analysten hatten ein Produktionsplus um 6,5 Prozent prognostiziert. Auch die chinesischen Exporte gingen im April angesichts der US-Zölle und der schwächeren globalen Nachfrage unerwartet stark zurück, während die neuen Fabrikaufträge aus dem In- und Ausland mau ausfielen. „Es gibt immer noch Unsicherheiten, die die Entwicklung der Wirtschaft bestimmen. Die Spannungen zwischen China und den USA sind zurückgekehrt, während die Sorge um eine unzureichende weltweite Nachfrage zunimmt", sagte Nie.

Die landesweite Arbeitslosenquote vom April verbesserte sich von 5,2 Prozent im März auf 5,0 Prozent, obwohl Analysten den chinesischen Beschäftigungsdaten generell skeptisch gegenüberstehen und bei Verschlechterung der Exportbedingungen einen Anstieg der Erwerbslosigkeit beobachten.
Neben den Sorgen um die Binnennachfrage zeigten die Daten vom Mittwoch auch einen unerwarteten Investitionsabfall. Das Wachstum der Investitionen auf Sachanlagen verlangsamte sich in den ersten vier Monaten dieses Jahres auf 6,1 Prozent, während die Erwartungen bei einem leichten Anstieg auf 6,4 Prozent lagen.

Das Wachstum der Infrastrukturausgaben blieb mit 4,4 Prozent stabil. Die Investitionen des privaten Sektors in Sachanlagen verlangsamten sich jedoch deutlich und erreichten ein Wachstum von 5,5 Prozent gegenüber dem Anstieg von 6,4 Prozent im März. Der Privatsektor stellt die Mehrheit der Arbeitsplätze in China und etwa 60 Prozent der Gesamtinvestitionen dar. Einer der wenigen Lichtblicke in den Daten war der Anstieg der Investitionen in Immobilienanlagen - ein wichtiger Wachstumstreiber.

Sollten sich die Daten im Mai und Juni nicht aufhellen, droht im zweiten Quartal ein empfindlicher Rückgang des Bruttoinlandprodukts in China. Washington hat im monatelangen Zollkrieg mit Peking vergangenen Freitag nochmals verschärft, indem es zusätzliche Abgaben auf 200 Milliarden Dollar chinesischer Waren ankündigte, und Trump zudem mit neuen Abgaben auf alle verbleibenden US-Importe aus China drohte.

Die Verhandlungen scheinen festgefahren zu sein. Trump ruderte im Ton am Dienstag gleichwohl zurück und betonte, dass die Gespräche zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt jetzt nicht abgebrochen werden. Analysten von Merrill Lynch sind der Ansicht, dass eine längere Periode des Brinkmanship, als des Spiels mit dem Feuer, das Wachstum Chinas in diesem Jahr auf 6,1 Prozent drücken könnte, nachdem es 2018 mit 6,6 Prozent bereits ein 30-Jahrestief erreicht hatte. Die US-Experten erwarten kurzfristig eine weitere Lockerung der Geldpolitik, weitere Kürzungen der Mindestreserve-Anforderungen für die Banken und einen weiteren Anstieg der Bankkredite sowie Verbrauchersubventionen zur Absatzsteigerung von Produkten wie Autos, Geräten und Smartphones in China. „US-Protektionisten und Mobbing-Aktionen werden einige Einflüsse auf die chinesische Wirtschaft haben, aber dieses Ungemach kann vollständig überwunden werden“, hieß es laut Reuters aus dem chinesischen Außenministerium. „Wenn einige Leute nicht bereit sind, Geschäfte mit China zu machen, werden andere diese Lücke natürlich schließen."

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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