Und bist Du nicht konjunkturwillig, so braucht die EZB Gewalt
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Erwähnte Instrumente
Die Europawahl hat die harte Sparpolitik in den krisengebeutelten Euro-Ländern abgestraft. Nur in Italien erhält die Partei von Ministerpräsident Renzi eine klare Zustimmung. Seine Wähler honorierten die bereits im Vorfeld der Wahlen umgesetzten Steuersenkungen im Niedriglohnsektor und seine grundsätzlich Zusicherung, im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Italiens in der zweiten Jahreshälfte 2014 eine Aufweichung der euroländischen Spar- und Reformauflagen durchzusetzen.
So zeichnet sich in der Eurozone bereits eine strukturell veränderte Wirtschafts- und Finanzphilosophie ab. Denn auch Frankreich hat ein lebhaftes Interesse, den französischen Euro-Kritikern das Wasser abzugraben. So forderte der französische Premierminister Manuel Valls zuletzt bereits einen Kurswechsel der EU hin zu mehr Wachstum und Arbeit, kurz und bündig zu mehr Staatsverschuldung. Und wenn sich die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft Eurolands verbünden - die mindestens stillschweigende Unterstützung der Euro-Peripherie ist ihnen sicher - spricht viel für eine stärkere Hinwendung zur Euro-Staatswirtschaft.
Was ist eigentlich mit...Spanien?
Die spanische Wirtschaft setzt zwar ihre Konjunkturerholung fort, wenn auch verhalten. So konnte Spanien zuletzt mit 0,4 Prozent zum Vorquartal das dritte Quartal in Folge wachsen, was aber auch als Basiseffekt auf das schwache bisherige Wirtschaftsniveau zu verstehen ist. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe bleibt mit einem Wert von zuletzt 52,7 in Expansion anzeigendem Terrain. Besonders optimistisch zeigt sich der spanische Dienstleistungssektor mit einem Indexwert von 56,5.
Immobilienblase noch nicht ausreichend entbläht
Ein markanter Hemmschuh für eine nachhaltige spanische Konjunkturerholung ist die noch längst nicht abgeschlossene Entblähung der Immobilienpreisblase. Aktuell liegt der Anteil ausfallbedrohter Kredite an deren Gesamtkreditportfolio mit 13,4 Prozent weiter auf Allzeithoch. Angesichts dieser schlechten Kreditqualität halten sich spanische Banken mit der Vergabe neuer Kredite deutlich zurück. Sie wollen keine weiteren Kreditrisiken eingehen. Leidtragende sind spanische Unternehmen, die so nur einen kleinen Beitrag zur Wirtschaftsstimulierung Spaniens leisten können. Ohnehin hat die spanische Wirtschaft mit konjunkturhemmenden Strukturproblemen wie auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen.
Vor diesem Hintergrund bleibt neben Frankreich und Italien auch in Spanien Neuverschuldung zunächst die einzig verlässliche Stütze der Volkswirtschaft. Dabei hat sich die spanische Staatsverschuldung seit 2007 bereits fast verdreifacht, ohne wirkliche konjunkturelle Wirkung gezeigt zu haben: Seitdem stagniert die Wirtschaftsleistung.
GRAFIK DER WOCHE: Anteil ausfallbedrohter Kredite am Gesamtkreditportfolio spanischer Banken und spanische Staatsverschuldung in Mrd. Euro
Die EZB hat die spanische Staatsschuldenkrise beseitigt
Daher muss ein signifikanter Anstieg der Zinszahlungen am Staatshaushalt verhindert werden, um die spanische Schuldentragfähigkeit nicht zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. So ist die EZB weiter gezwungen, eine Rendite drückende Geldpolitik zu betreiben. Mit Blick auf die günstigen, nicht zur Bonität Spaniens passenden Staatsanleiherenditen gehen die Finanzmärkte zweifelsfrei von dieser noch nachhaltig stattfindenden, geldpolitischen Unterstützung aus. Die fünfjährigen spanischen Staatsanleihen liegen so tief wie zuletzt 2007.
Was heißt das für den spanischen Aktienmarkt. Da die Staatsschuldenkrise durch den geldpolitischen Einfluss eingedämmt ist, sehen die Finanzmarktteilnehmer die Risiken am Aktienmarkt entspannter. Mit den deutlich gesunkenen fünfjährigen spanischen Staatsanleiherenditen hat auch der spanische Aktienindex deutlich Auftrieb erhalten.
Spanische Aktien im europäischen Vergleich
Und im Vergleich zum euroländischen und auch deutschen Aktienindex ist der spanische Aktienmarkt ein klarer Outperformer. Die Anleger heben zurzeit sein Nachholpotenzial. Wenn die konjunkturelle Stärkung der spanischen Wirtschaft allerdings nicht beherzt angegangen wird, ist diese relative Stärke insbesondere gegenüber den fundamental stark aufgestellten deutschen Aktientiteln im weiteren Jahresverlauf ein Auslaufmodell.
In der spanischen Immobilienwirtschaft muss es erst schlechter werden, bevor es besser werden kann
Auf der kürzlichen Notenbank-Konferenz in Sintra - das euroländische Pendant zur US-Notenbankkonferenz in Jackson Hole, Wyoming - zeigte sich EZB-Chef Draghi noch einmal sehr entschlossen, gegen ein zu niedriges Preisumfeld vorzugehen. Auf der nächsten Sitzung der EZB am 4. Juni wird eine Senkung der Leitzinsen sowie ein negativer Einlagezins für von Banken bei der Notenbank geparktes Geld erwartet. Damit schwächt die EZB den vergleichsweise starken Euro - was der Euro-Exportwirtschaft neue Impulse verleiht - und erhöht über verteuerte Importe den gewünschten Preisdruck. Nicht zuletzt gibt man den euroländischen Geschäftsbanken jedoch noch mehr zinsgünstige Munition, um Staatsanleihen der Euro-Peripherie zu kaufen, was deren Renditen drückt und den nationalen Finanzministern aber auch anhaltend attraktive Schuldzinsen garantiert.
Die günstige Schuldenaufnahme ist aber eine Sackgasse, die z.B. den spanischen Staatsanteil an der Wirtschaftsleistung auf ein langfristig unhaltbares Niveau hebt und die privaten Aufwärtskräfte an den Rand drückt. Insofern wird die EZB weitere Instrumente in Betracht ziehen müssen. Da die EZB spätestens Ende des Jahres die euroländische Bankenaufsicht übernimmt, wird sie sich auch des Themas Stärkung der Bankenkreditvergabe in Euroland annehmen.
Hierzu muss sie den Banken zunächst die Kreditvergaberisiken und das Problem der Eigenkapitalunterlegung abnehmen. Das Beispiel USA zeigt, dass erst bei konstruktivem Verfall der Häuserpreise auf ein von Kaufinteressenten akzeptables Preisniveau der notwendige Bereinigungsprozess abgeschlossen ist und die Immobilienwirtschaft wieder in Schwung kommt. Während aber die US-Hauspreise nach ihrem Höchststand Mitte 2006 innerhalb von drei Jahren den Großteil ihrer Korrektur hinter sich gebracht haben, ist in Spanien fünf Jahre nach dem Platzen der Blase immer noch Korrekturpotenzial vorhanden.
Die EZB betreibt „spanische“ Geldpolitik
Nur bei konsequenter Immobilienpreisbereinigung kann auch die dringend notwendige Bereinigung der Immobilienkredite in den spanischen Bankenbilanzen vorgenommen werden. Diesen Gewinn und Eigenkapital vernichtenden Abschreibungsbedarf haben spanische Banken bislang zu Lasten eines wenig funktionsfähigen Immobilienmarktes hinausgezögert. Zur Abhilfe muss man spanische Banken von der Abschreibungsproblematik befreien. Es spricht einiges dafür, dass die EZB den spanischen Banken verbriefte Immobilienkredite umfänglich abkauft. Dieses unkonventionelle Instrument hat - auch wenn es mit geldpolitischer Stabilität nichts mehr zu tun hat - in den USA gute Erfolge gezeigt. Befreit von Kreditaltlasten sind die spanischen Banken dann wieder in der Lage, neue Kredite an die spanische Privatwirtschaft zu vergeben.
Bis sich der in Euroland bislang wenig entwickelte Markt für Kreditverbriefungen etabliert hat, könnte die EZB als Zwischenlösung den euroländischen Geschäftsbanken zunächst die Vergabe von Langfristkrediten zu subventionierten Zinsen - noch unter dem Niveau des Notenbankzins - mit deutlich höheren Laufzeiten als bislang anbieten, wenn sie sich im Gegenzug dazu verpflichten, ihre Kreditvergabe an den privaten Sektor zu erhöhen.
Der Weg für diese unkonventionellen Maßnahmen dürfte ab dem 4. Juni beschritten werden. Die EZB ist sich bewusst, dass sie die Finanzmärkte hier nicht enttäuschen darf. Sie fürchtet die Gefahren einer Korrektur an den Finanzmärkten und eines scharfen und ungeordneten Abbaus der zuletzt sehr positiven Kapitalzuflüsse in die Euro-Peripherie. Dieser schlechten Kapitalmarktstimmung wird sie entgegenwirken müssen. Damit ist sie nicht mehr unabhängig, sondern eine Gefangene der Finanzmärkte geworden.
Aktuelle Marktlage und Charttechnik
Die europäischen Aktienmärkte setzen ihre Stabilisierung nach der Europawahl mit Blick auf die geldpolitische Unterstützung fort. Auch die Konjunkturstabilisierung in China hat die hard landing-Ängste in den Köpfen der Finanzanleger dank stützender Eingriffe der Regierung in Peking in den Hintergrund gerückt. Vor diesem Hintergrund ist ein fünfstelliger DAX berechtigt.
Aus charttechnischer Sicht hat der DAX bereits die wichtige Hürde am Allzeithoch bei 9.810 Punkten überwunden, so dass der Weg zur psychologisch wichtigen Marke bei 10.000 Punkten nun frei ist. Im Falle einer Korrektur verlaufen die ersten Unterstützungen im DAX bei 9.810 und 9.794 Punkten. Darunter liegt eine weitere Haltelinie bei 9.733 und im Bereich zwischen 9.600 und 9.570 Punkten. Wird diese unterschritten, wartet in der Zone zwischen 9.400 und 9.350 Punkten der nächste Halt. Darunter sorgt der seit Juni 2013 bestehende Aufwärtstrend bei derzeit 9.269 Punkten für Unterstützung.
Und was passiert in der nächsten Woche?
In den USA zeugt ein aufwärtsgerichteter ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe von der optimistischen Konjunkturstimmung der US-Industrie. Die Erholung auf dem US-Arbeitsmarkt setzt sich fort, wenn auch nur langsam. Die Auftragseingänge in der Industrie dürften nach zwei soliden Vormonaten eine Verschnaufpause einlegen. Der Konjunkturbericht der US-Notenbank (Beige Book) sollte den Wachstumskurs der US-Wirtschaft insgesamt unterstreichen, sich mit der Lage am US-Arbeitsmarkt jedoch noch nicht zufrieden zeigen. Zinserhöhungsängsten erteilt die Fed weiterhin eine Absage.
In Euroland steht die Zinssitzung der EZB im Fokus der Anleger, auf der mindestens eine weitere Senkung der EZB-Leitzinsen inklusive negativem Einlagezinssatz erwartet wird. Grundsätzlich wird EZB-Chef Draghi die Phantasie für unkonventionelle Liquiditätsmaßnahmen aufrechterhalten, die in der zweiten Jahreshälfte mit Leben gefüllt werden.
In Deutschland weisen wieder gestiegene Auftragseingänge in der Industrie sowie eine solide Industrieproduktion auf die stabile deutsche Wirtschaft hin.
HALVERS WOCHE: Scheitert die EZB, scheitert die Euro-Finanzwelt
Seit der letzten Europawahl weiß so mancher Regierungschef was politischer Kummer ist: Populistische Parteien - die der Eurozone so viel abgewinnen können wie Vegetarier blutigen Steaks - haben deutlich zugelegt. In Frankreich ist der Front National sogar zur stärksten politischen Partei geworden. Das Wählermotto lautete in vielen EU-Ländern: Wer spart, wird abgewählt. Hier reden wir von Frankreich, dem Land, das wie Deutschland von existenzieller Bedeutung für die Europäische Union und die Eurozone ist.
Von Renzi lernen, heißt beim Wähler siegen lernen
Der französische Euro-Skeptizismus weckt jetzt jedoch Zweifel an der Euro-politischen Hauptrolle unseres westlichen Nachbarn. Um diesem drohenden Euro-politischen Machtvakuum zu entfliehen, hat Staatspräsident Hollande bereits reagiert. Mit mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und weniger Sparen will er bei den französischen Euro-Wut-Bürgern punkten. Was will er auch sonst machen, wenn Konsum, Export und Investitionen mit Blick auf sein Reform-Schneckentempo keine großen Stützen sind.
So wird Frankreich zukünftig zum großen Halali für mehr staatliche Konjunkturstützung auf Pump blasen. Weitere wirtschaftlich angeschlagene Euro-Länder werden - dankbar für die Fürsprache der klangvollen Nr. 2 der Eurozone - in das gleiche Horn pusten. Die lauteste Unterstützung wird wohl vom italienischen Ministerpräsidenten Renzi zu hören sein. Im Europawahlkampf hat er versprochen, zukünftig die europäischen Stabilitätskriterien weich zu klopfen wie Steaks. Immerhin übernimmt Italien in der zweiten Jahreshälfte 2014 die EU-Ratspräsidentschaft. Und siehe da: Er kann sich auf die Fahnen schreiben, der einzige Regierungschef mit Zugewinnen bei der Europawahl zu sein. Wer nicht spart, wird gewählt. Wenn das mal nicht politische Schule macht.
Und was sagen die Regierungschefs der stabilitätsorientierten EU-Länder dazu? Wie will man sich denn gegen das laute Duo der Nr. 2 und Nr. 3 der Eurozone Gehör verschaffen? Auch sie haben an Euro-kritische Parteien verloren. Politiker-Auge sei wachsam. Nicht zuletzt wollen sie keine Schuld am Ende des euroländischen Burgfriedens haben.
Wenn neue Schulden schon nicht zu verhindern sind, bleibt zu hoffen, dass sie auch für die Senkung der privaten und Unternehmenssteuern sowie der Lohnnebenkosten verwendet werden. Hier sind Frankreich und Italien euroländische Spitze. Das deutsche Beispiel der Agenda 2010-Politik plus Steuersenkungen hat deutlich gezeigt, dass die Qualität des Wirtschaftsstandortes von solchen Maßnahmen profitiert.
E iner Z ahlt B estimmt
Bleibt eigentlich nur noch eine Frage offen: Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld? Das übernimmt unsere EZB. Deren Verantwortliche haben schon längst durch mannigfaltige, für Geldpolitiker ungewöhnlich klare Worte hohe Erwartungen an Zinssenkungen und Liquiditätsanreicherungen geweckt. Tatsächlich geliefert wird ab der Notenbanksitzung im Juni. Ansonsten würde über die Schuldentragfähigkeit der Euro-Länder diskutiert und damit zu viel an guter Euro-Finanzmarktstimmung kaputt gemacht.
Die Renditen auf Staatsschulden werden geldpolitisch noch lange auf niedrigstem Niveau gehalten. So können sich Euro-Länder wie Frankreich und Italien mehr Schulden bei weniger Zinszahlungen leisten. Die Eurozone soll über die Schulden-Happy Hour wie der Phönix aus der Asche kommen, sozusagen mit der "Asche" der EZB.
Mit so viel geldpolitischer Konjunkturstützung …
Und was heißt das jetzt für die Anlageklassen? Bei Staatsanleihen ist man weiter nur auf Rendite-Diät. Nach Inflation ist der Renditeverlust besonders groß. Einer muss ja den Preis für die Ruhe im Euro-Karton bezahlen. Aber das müssen ja nicht Sie sein.
Immerhin tun Staatsanleihen Aktien einen großen Gefallen in punkto Bewertung. Deutsche Aktien mögen absolut mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von insgesamt ca. 13 nicht mehr billig, sondern sportlich bewertet sein. Aber im Vergleich liegt das KGV von z.B. fünfjährigen deutschen Staatsanleihen weit über 200. Noch Fragen bitte? Außerdem wachsen die Aktien über die geldpolitische Konjunkturstimulierung und damit bessere Gewinnausweise in die höhere Bewertung hinein.
…steigt der DAX auch über 10.000 und der MDAX über 18.000 Punkte
Schuldenfinanzierte Konjunkturstützungen mit nicht enden wollender geldpolitischer Unterfütterung wirken wie Doppelherz gegen nachhaltig fallende Aktienkurse, vorübergehende Konsolidierungen ausgenommen.
Überhaupt, wenn die Konjunktur geldpolitisch auf Kurs gebracht wird, führt an konjunktur- und exportsensitiven DAX- oder MDAX-Titel kein Weg vorbei. Die
Die EZB - nie war sie so wertvoll wie heute!
VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK
KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/
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