Kommentar
14:20 Uhr, 11.01.2017

Übertriebene Ängste bei den Preisen

  • Die Zunahme der Inflation im Dezember hat die Anleger geschockt. Die schlechten Nachrichten werden im Januar und Februar noch schlimmer.
  • Das ist aber nicht der Beginn einer Phase generell wieder hoher Preissteigerung. Ab März geht die Geldentwertung zurück.
  • Die langfristigen Bondrenditen bleiben nicht so niedrig. Ich vermute, dass auch der Negativzins für Einlagen in Frage gestellt wird.

Der starke Anstieg der Inflation, der in der letzten Woche für den Euroraum veröffentlicht wurde, rief bei vielen blankes Entsetzen hervor. So schnell hatte man sich den Wechsel von Deflation zu Inflation nicht vorgestellt.

Bisher war man immer davon ausgegangen, dass die Geld­entwertung nur ganz allmählich zunehmen würde. Noch An­fang Dezember hatte die Europäische Zentralbank gesagt, dass die Inflation ganz langsam von 0,2 % im Jahr 2016 auf 1,3 % im Jahr 2017, 1,5 % im Jahr 2018 und 1,7 % im Jahr 2019 steigen würde. Und jetzt hat 2017 noch kaum begon­nen und wir sind schon bei 1,1 % (in Deutschland sogar bei 1,7 %). Wird das alles sehr viel schneller gehen und die Prognosen über den Haufen werfen?

Das wäre fatal. Die Sparer, so wird befürchtet, kämen in die Geldentwertungsfalle. Der Wert ihres Vermögens und ihrer Altersvorsorge würde sich durch die steigenden Preise ver­ringern. Gleichzeitig blieben die Zinsen und die Kapitalerträ­ge aber niedrig. Die Zentralbank mit all ihrer Expertise hätte sich massiv verschätzt. Wer soll ihren Prognosen in Zukunft da noch trauen? Zudem wäre die ultralockere Geldpolitik nicht mehr angebracht. Sie sollte, so eine verbreitete Mei­nung, so schnell wie möglich beendet werden.

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Ich glaube freilich, dass diese Ängste übertrieben sind. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens wird die Inflation nicht au­ßer Rand und Band geraten. Zweitens werden die Zinsen nicht so niedrig bleiben. Sie werden steigen.

Die Entwicklung der Inflationsrate im Dezember war keine fundamentale Trendwende. Sie war vielmehr ein kurzfristi­ger statistischer Ausreißer. Er hängt zusammen mit einem Basiseffekt. Vor einem Jahr war die Preissteigerung dank der fallenden Ölpreise besonders niedrig.

In der Grafik habe ich die voraussichtliche Entwicklung mo­delliert. Danach wird die Geldentwertung im Euroraum im Januar und Februar noch bis auf ca. 1,6 % zunehmen. Die Ängste, dass die Inflation außer Kontrolle geraten könnte, werden dann noch größer. In Deutschland kann die Preis­steigerung zeitweise sogar über die kritische Grenze von 2 % steigen.

Danach aber ist der Spuk vorbei. Die Geldentwertung wird sich wieder zurückbilden. Am Jahresende liegt sie im Euro­raum höchstwahrscheinlich wieder bei 1,1 %. Für den Jah­resdurchschnitt ergibt sich eine Rate von 1,4 %. Das ist hö­her als im letzten Jahr. Es ist aber immer noch niedriger als das, was die EZB – mit Unterstützung der Bundesbank – als Stabilität definiert ("nahe, aber unter 2 %"). Es ist nichts, wo wir nervös werden müssen.

Natürlich kann es schlimmer kommen, wenn etwa die Infla­tion in den USA aufgrund der zu erwartenden expansiven Maßnahmen der Regierung zu stark steigen sollte. Dass wir aber in absehbarer Zeit im Euroraum dauerhaft an die 2 % herankämen, wie das derzeit manche erwarten, ist unwahr­scheinlich. Dazu ist die Situation in den Krisenländern Süd­europas noch zu schlecht. Ich halte die Prognosen der EZB zur Inflationsentwicklung nach wie vor für vertretbar.

Auch für den Sparer wird es mit der Geldentwertung nicht so schlimm. Denn die Zinsen werden nicht so niedrig blei­ben. Die Zeit der Nullzinsen geht zu Ende. Eine Rendite von 0,3 % für 10-jährige Bundesanleihen, wie wir sie zurzeit haben, passt bei einer Preissteigerung von 1,5 % nicht in die Landschaft. Als die Geldentwertung zuletzt so hoch war – das war im Sommer 2013 – rentierten Bundesanleihen bei 1,8 %.

Diesmal wird der Zins nicht so stark steigen. Nach meinen Rechnungen würde eine Rendite von 1 % bis 1,5 % zu der voraussichtlichen Preisentwicklung passen. Das ist für den Anleger in Bonds zwar noch nicht viel. Es ist aber besser als das, was wir bisher haben. Pensionskassen, Lebens-versicherungen und Banken, die derzeit am Rentenmarkt zum Teil noch Negativzinsen hinnehmen müssen, tun sich bei solchen Renditen leichter. Sie müssen die Leistungen für die Sparer nicht mehr kürzen beziehungsweise neue Gebühren erheben.

Hinzu kommt, dass sich bei der erwarteten Entwicklung Spielraum bei der Geldpolitik eröffnet. Die EZB wird zwar nicht ihr großes Wertpapierankaufsprogramm revidieren. Das hat sie gerade erst angepasst, als sie die monatlichen Käufe von EUR 80 Mrd. auf EUR 60 Mrd. verringerte. Sie wird auch nicht die Leitzinsen erhöhen, die derzeit bei null Prozent liegen. Wo sie aber etwas tun kann, ist bei den negativen Einlagenzinsen (derzeit -0,4 %). Die sind bei den höheren Kapitalmarktzinsen nicht mehr nötig und lassen sich kaum noch rechtfertigen. Wenn sie im Laufe des Jah­res deutlich reduziert würden, würde sich die Situation für die Sparer auch bei Bankeinlagen verbessern.

Für den Anleger

ist freilich noch etwas anderes zu bedenken: Wenn die Zin­sen am Rentenmarkt so steigen, wie ich das erwarte, gäbe es für Investoren ein Blutbad. Die Kurse der festverzinsli­chen Wertpapiere, die sich immer invers zu den Zinsen ent­wickeln, fielen kräftig. Das würde auch andere Anlageklas­sen unter Druck setzen. Der letzte Crash am europäischen Bondmarkt im Frühjahr 2015 (der gemessen am Rendite­anstieg viel weniger schlimm war) schickte damals den Ak­tienmarkt kräftig auf Talfahrt. Heute wäre ein Absturz ver­mutlich nicht so groß, denn die Unternehmensgewinne stei­gen wieder. Gefahr besteht trotzdem.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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