Kommentar
11:49 Uhr, 24.05.2018

Türkei: Ökonomie nach Erdogan?

Der Präsident der Türkei höchstselbst rechnete vergangene Woche vor wie es in der Ökonomie sein muss. Anleger waren entsetzt. Doch sind Erdogans Ansätze wirklich so absurd?

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Zwischen der Notenbank und dem Staat kriselt es in der Türkei schon seit Jahren. Die Notenbank ist zwar offiziell unabhängig, doch inoffiziell ist sie es schon lange nicht mehr. Nach den Wahlen im Juni wird der Status der Notenbank wohl ohnehin geändert. Formal wird sie weiter als unabhängig gelten, doch am Ende des Tages sagt der Präsident, wo es langgeht.

Eine solche Verbindung aus Politik und Notenbank hat historisch noch nie zum Erfolg geführt. Politiker haben ihre ganz eigenen Interessen und diese müssen nicht unbedingt mit ökonomischen Gesetzmäßigkeiten übereinstimmen.

Die Inflation steigt in der Türkei seit Jahren. Jede unabhängige Notenbank würde die Zinsen anheben. Die türkische Notenbank hielt allerdings still - bis gestern, als sie eine ihrer Leitzinsen, den "Spätausleihungssatz", von 13,15 auf 16,5 % anhob. Die Politik dagegen würde gerne eine Zinssenkung sehen. Zukünftig wird es wohl genau dazu kommen, wenn die Notenbank den letzten Funken Unabhängigkeit abgegeben hat.

Eine Zinssenkung erscheint auf den ersten Blick nicht gerade dringend notwendig. Die Wirtschaft wächst mit über 5 % (siehe Grafik). Die Zinskurve ist zwar invertiert, was im Normalfall ein Zeichen für eine Rezession ist, doch der Zusammenhang ist in der Türkei schwach. Die Zinskurve ist seit anderthalb Jahren negativ. Das Wachstum hat sich in dieser Zeit eher beschleunigt als abgekühlt.

Nach der Ankündigung Erdogans, dass die Geldpolitik demnächst auf seinen Rat hören wird, brach der Einkaufsmanagerindex ein. Unternehmen sind über die Aussicht wenig begeistert, obwohl die Währung auf Basis dieser Ankündigung weiter an Wert verlor.

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Eine schwache Währung wäre für ein Exportland ein Segen. Die Türkei ist aber ein Importland. Mit einer immer schwächer werdenden Währung werden Importe teurer. Die Inflation steigt entsprechend. Früher oder später wirkt sich das auf den Konsum aus. Noch ist davon wenig zu sehen. Konsumenten sind weiterhin gut gelaunt.

Die Türkei hat jedenfalls ein Leistungsbilanzdefizit von über 5 % der Wirtschaftsleistung. Das muss finanziert werden. Die Türkei ist davon abhängig, dass Investoren dieses Defizit durch Kapitalströme finanzieren. Dies tun sie nur, wenn sie zuversichtlich sind, dass sie damit auch Geld verdienen werden.

Hebt die Notenbank die Zinsen bei boomender Wirtschaft und immer höherer Inflation sowie Währungsabwertung partout nicht an, geht dieses Vertrauen irgendwann verloren. Die Folge: Investoren ziehen sich zurück. Die Währung kollabiert noch schneller (daher wohl auch der gestrige Zinsschritt). Wie schnell so etwas gehen kann, zeigte zuletzt Argentinien. Es brauchte eine Zinsanhebung auf 40 % und Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds, um die Lage wieder zu beruhigen.

Dass sich die Türkei den Gesetzmäßigkeiten entziehen kann, erscheint unwahrscheinlich, auch wenn der Präsident argumentiert, dass die Ökonomie ganz anders funktioniert. Das politische Risiko ist enorm, wobei im Wahlkampf gerne gepoltert wird. Nach den Wahlen wäre ein kurzfristiger Rebound der Währung und eine Aktienrally denkbar.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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