Kommentar
08:23 Uhr, 24.11.2021

Der Preis von 33% Rendite pro Jahr

Der Aktienmarkt ist in den vergangenen 18 Monaten sehr gut gelaufen. In einem Land läuft es jedoch noch besser. Das hat einen Preis.

Erwähnte Instrumente

  • EUR/TRY
    ISIN: EU0006169963Kopiert
    Kursstand: 14,62087 TL (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • EUR/TRY - WKN: A0C3T8 - ISIN: EU0006169963 - Kurs: 14,62087 TL (FOREX)

Ein Index mischt auf Sicht von einem Monat, einem Jahr, über drei Jahre uns sogar über drei Jahrzehnte ganz vorne mit. Es handelt sich dabei um den türkischen Leitindex. Der Aufwärtstrend hält unter Schwankungen seit Jahrzehnten an. Im vergangenen Monat ging es gleich um 20 % nach oben. In den vergangenen fünf Handelstagen allein waren es 6 %.

Der Markt scheint sich über eine Zinssenkung der Notenbank zu freuen. Der Aktienmarkt steigt geradezu sprunghaft an (Grafik 1). Zunächst klingt das gut. Die Türkei wird in den Medien derzeit mit hoher Inflation und einer zugegebenermaßen unkonventionellen Zinspolitik in Verbindung gebracht.


Der Ton ist dabei nicht positiv. Niedrige Zinsen heizen die bereits hohe Inflation weiter an. Zumindest sollte es so sein, wenn es nach der Theorie gibt. Der Präsident hat eine andere Theorie. Ob diese stimmt, werden wir sehen. Wen aber sollte es kümmern, wenn die Inflation hoch ist, aber alles so gut performt?

Es ist nicht nur der Aktienmarkt, der eine hohe Rendite liefert. Die Wirtschaft wächst mit hohem Tempo. Die Arbeitslosigkeit und ist längst unter dem Niveau von Februar 2020, als die Coronakrise begann. Hohe Inflation begünstigt die, die verschuldet sind. Sowohl Privathaushalte als auch der Staat können sich bei einer Inflationsrate von 20 % derzeit schnell entschulden.

Unternehmen geht es zum Teil anders, weil sie ihre Schulden in Dollar oder Euro aufgenommen haben. Auch die Steuern wurden unlängst angehoben. Dem Aktienmarkt scheint es nicht zu schaden. Das gilt solange, bis man die inflations- oder währungsbereinigte Performance betrachtet. Real stehen türkische Aktien heute dort, wo sie 1990 standen (Grafik 2).


Der rasante Aufwärtstrend (durchschnittlich 33 % pro Jahr seit 1990) hat die Kaufkraft mit Mühe erhalten. Eigentlich investiert man, um die Kaufkraft zu erhöhen. Das gelingt mit türkischen Aktien nicht. Das könnte in Zukunft noch weniger gelingen. Der Sinn der tieferen Zinsen, die vom Staatsoberhaupt quasi verordnet werden, ist Schuldenaufnahme.

Erdogan sagt hohen Zinsen den Kampf an. Das versteht man bei uns nicht unbedingt. Bei hoher Inflation macht das keinen Sinn. Das lässt jedoch die Historie unberücksichtigt. Noch vor nicht einmal zwei Jahrzehnten lag der Leitzins bei 50 %. In den 90er Jahren waren auch zeitweise 100 % zu finden (Grafik 3).


Diese Periode ist in schlechter Erinnerung. Keiner will so hohe Zinsen und wer die Zeit durchlebt hat, findet vermutlich Gefallen am Kampf gehen Wucherzinsen. Die Rhetorik lässt sich erklären. Ökonomisch macht sie dennoch keinen Sinn. Die Zinsen waren in den 90er Jahren aus gutem Grund hoch. Bei steigender Inflation nun die Zinsen zu senken provoziert eine Wiederholung der Geschichte. Das kann man noch weniger wollen.

Der Bevölkerung niedrige Zinsen zu versprechen, klingt gut und der Reiz daran lässt sich historisch erklären. Jetzt niedrige Zinsen zu erzwingen bewirkt langfristig nur das Gegenteil oder einen Kollaps wie in südamerikanischen Ländern. Das ist ein hoher Preis für eine Realrendite des Aktienmarktes von 0 %.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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