Tradingpsychologie: Perfektion verzweifelt gesucht
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Als Tradercoach und bei meiner therapeutischen Arbeit erlebe ich immer wieder ein typisches Phänomen; den Versuch perfekt sein zu wollen. Manchmal wir dieser Anspruch bis zur mentalen und körperliche Erschöpfung verfolgt. Irgendwann hat dann nicht mehr der Betroffene den Perfektionismus, sondern der Perfektionismus hat den Betroffenen! Alles Erreichte scheint dann nur noch zweitklassig zu sein, oder gar minderwertig. Auf jeden Fall aber werden die eigenen Erwartungen nicht ausreichen erfüllt!
Die Hoffnung, es perfekt machen zu können, verwandelt sich oft ins genaue Gegenteil.
Doch sind es überhaupt die eigenen Ansprüche, die hier erreicht werden sollen, oder folgt man bei dem erreichen seiner Ziele den Wünschen und Vorstellungen anderer? Vielleicht geht das Problem auch noch tiefer. Nicht selten nämlich möchte man auf der unbewussten Ebene mit seinem Perfektionsanspruch etwas ausgleichen; ein Mangelgefühl zum Beispiel. Wer sich in seiner Haut nicht wohlfühlt, weil er glaubt nicht gut genug zu sein, oder sich unentwegt mit anderen vergleicht und dabei natürlich schlechter abschneidet, der kann nur ein Verlierer sein. Das möchte man nicht fühlen, spaltet das Unwohlgefühl ab und sucht die Lösung im Außen: Perfekt im Beruf, perfekte Leistung, perfektes Aussehen, perfektes Auto, perfekte Freunde, perfekte Liebesbeziehung. Perfektionismus scheint also erst einmal eine gute Lösung zu sein, stellt sich später meist aber als eine fiese Täuschung heraus, die das Übel nur an einer anderen Stelle offenbart. Die Hoffnung es perfekt machen zu können verwandelt sich dann oft ins genaue Gegenteil.
Wer kennt das nicht: nach dem Trade erkennt man schnell wie man ganz einfach noch mehr Geld aus den Markt geholt hätte. Klar – hinterher ist man immer schlauer. Doch sollte man dabei aufpassen, dass man sich mit dieser Taktik nicht selbst in die Tasche lügt!
In der Realität sieht die Wirklichkeit ganz anders aus!
Gerade Anfänger machen den Fehler, dass sie sich ein paar Charts anschauen, dabei klare Muster erkennen und meinen, dass der Verlauf der Kurse ja nun auch in Zukunft immer so verlaufen muss. Eine putzige Idee, die aber leider nichts mit der Realität zutun hat. Da werden dann vom Trader klare Einstiegssignale erkannt, die aber im Livehandel plötzlich ganz andere Rahmenbedingungen schaffen. „Und was mache ich nun?“ Das verunsichert den Händler und führt zu unterschiedlichsten Reaktion: Er tradet das Signal einfach nicht, er tradet es, aber mit weniger Geldrisiko, weil er es für zu unsicher hält, er erfindet sich gute Gründe weshalb er das Handelssignal dennoch traden sollte und hofft darauf, dass es schon gut gehen wird, oder er sucht sich ein komplett neues Setup, weil er glaubt, dass er sich bei seinen Forschungsarbeiten nach einem präzisen Handelssystem wohl doch geirrt haben muss „Das funktioniert ja doch nicht!“.
Man macht alles richtig und wird trotzdem bestraft!
Wer sich ein paar tausend Charts ansieht, der wird erkennen, dass die Realität im Börsenhandel meist anders aussieht als in der geplanten Wirklichkeit. Und nun? Nun geht es erst einmal darum zu verstehen, dass man es beim Traden eben mit ganz vielen Eventualitäten zutun hat. Und das diese schwammigen Rahmenbedingungen nichts Gewohntes für den Menschen in der westlichen Welt sind. In unserem Alltagsleben geschehen die Dinge meist nach Plan. Okay, Handwerker kommen oft später als verabredet, und haben zudem das benötigte Ersatzteil gerade leider nicht am Wagen, aber das kennt man ja schon. Schlussendlich weiß jeder, dass die Reparatur schon ein Ende finden wird. Außerdem beruhigt der Gedanke, dass man ja erst nach vollbrachter Leistung bezahlt. Beim Traden möchte man auch gerne, dass die Dinge so geschehen, wie die eigenen Ängste es brauchen, um sich sicher zu fühlen. Nur gibt einem hier leider keiner das erwünschte Resultat. An den Märkten kann es sein, dass der Akteur alles richtig gemacht hat und am Schluss doch Geld verloren hat. Nicht schön, aber normal.
Sicher ist sicher – aber nicht immer das Beste!
In meinen Tradercoachings erlebe ich immer wieder, dass versucht wird, dass möglichst Beste aus dem Trade heraus holen zu wollen. Das ist erstmal eine gute Idee. Doch muss man unbedingt verinnerlichen, dass das Beste bei einem Trade nicht der größte Gewinn ist, sondern der größtmögliche Gewinn!
Im Gegensatz zum herkömmlichen Leben können wir beim Trading ein annährend gutes Ergebnis erreichen. Natürlich kann der Händler mit Zielstopps arbeiten und weiß dann schon im voraus, was er bei seinem vorab berechneten Gewinn verdienen wird. Was er nicht weiß ist, ob der Trade überhaupt sein Ziel erreichen wird. Ungeduldige und Anfänger lösen das Problem ganz schlicht – sie stellen den Trade einfach vor Zielerreichung glatt. Sicher ist sicher, aber nicht immer das Beste!
Im Gegensatz zu unserem alltäglichen Leben bekommt man es beim Traden mit der geballten Kraft der Unsicherheit zu tun. Ich denke, die wenigsten könnten auf Dauer ihren herkömmlichen Beruf ausüben, wenn sie täglich so wenig Perfektionismus erreichen und soviel Unsicherheit erleben würden, wie beim Traden. Menschen unserer Kultur sind solche Rahmenbedingungen nicht gewohnt. Und dann sitzt der Händler vor seiner Handelsplattform und erlebt genau das – eine Eventualität nach der anderen! Und dabei will einem einfach nicht in den Kopf gehen weshalb Trading so schwer ist, wo es doch alles so einfach aussieht. Eben genau deswegen! Andere bekommen das Wildpferd des Tradings scheinbar mühelos gezähmt. Ja, andere haben auch Fähigkeiten in ihrem Gehirn, die Sie vielleicht noch nicht haben. Diese Könner verfügen über ein „Tradinggehirn“, das sich diese unperfekte Realität gestellt hat. Und mit großem Aufwand mental an sich gearbeitet hat. Von nichts kommt nicht! Sie jedoch versuchen immer noch mit Hilfe ihrer Gedanken die perfekte Lösung zu finden: „Doch einen kleineren Stopp?“, „Die Gewinne besser schneller mitnehmen!“, „Jetzt sieht es zwar nicht richtig aus, aber ich versuche es mal!“, „Beim nächsten Trade riskiere ich das Dreifache, ich will mein Geld zurück!“, „Ich steige hier mal aus, höher läuft der Kurs nicht“, „Ich steige aus, sonst verliere ich meinen ganzen Gewinn wieder!“.
Haben Sie das Trading im Griff, oder das Trading Sie?
Perfektion ist nicht im Chart zu finden.
In der Wissenschaft weiß man, dass Perfektion nicht erreichbar ist. Im Alltagsleben gelingt es einem scheinbar schon häufiger, aber auch hier sollte man sicher besser von der Idee verabschieden, dass alles perfekt geht. Tut es nicht. Auch eine Challenger Rakete der NASA fiel vom Himmel, weil man nicht ahnte, das ein paar Minusgrade eine Gummidichtung undicht werden lassen kann. Das Unmögliche wurde möglich. Das Unmögliche ist beim Trading erreichbar – dauerhaft erfolgreich zu sein. Einen kühlen Kopf dabei zu behalten ist eine gute Entscheidung. Über emotionales Fachwissen und Können zu verfügen unerlässlich!
Wer tradet, sollte den Perfektionismus nicht im Chart suchen, sondern bei sich. Und auch dann wird es nicht immer gelingen. Doch wer bemerkt, dass es ihm zu oft nicht gelingt, der sollte an sich arbeiten!
Perfekt?
Norman Welz
Experte für angewandte Tradingpsychologie
Hier geht es zu meinen CDs:
http://beta.godmode-trader.de/premium/produkte
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.