Kommentar
07:39 Uhr, 30.03.2021

Tourismus-Aktien: Rette sich, wer kann!

Der Tourismussektor bleibt angeschlagen. An den Aktien merkt man es nicht. Sektorindizes sind auf Allzeithoch.

Erwähnte Instrumente

  • Deutsche Lufthansa AG - WKN: 823212 - ISIN: DE0008232125 - Kurs: 10,955 € (XETRA)
  • TUI AG - WKN: TUAG50 - ISIN: DE000TUAG505 - Kurs: 4,232 € (XETRA)
  • Carnival Corp. - WKN: 120100 - ISIN: PA1436583006 - Kurs: 25,630 $ (NYSE)

Ob Stoxx Europe Reise & Freizeit Index oder der Dow Jones US Travel Index, sie beide haben eines gemeinsam: Sie haben neue Hochs erreicht. Da reibt man sich schon etwas die Augen. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Hotels, sofern sie überhaupt geöffnet sind, sind größtenteils leer.

Verwunderlich ist das nicht. Der Reiseverkehr ist zusammengebrochen. Insbesondere in Europa ist von einer Erholung wenig zu spüren. Die Zahl der Flugpassagiere ist in Deutschland 80 % unter dem Vorkrisenniveau (Grafik 1). Bei den monatlichen Daten erkennt man sehr schön wie wichtig die Feriensaison ist. Diese findet von Juni bis Oktober statt. In diesem Jahr ist es unwahrscheinlich, dass die ersten Reisemonate gut werden.

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In den USA ist man da etwas weiter (Grafik 2). Das Minus liegt „nur“ noch bei 40 %. Der Reiseverkehr ist vor allem auf das Inland konzentriert. Internationale Flüge, bei denen Airlines höhere Margen haben, bleiben Mangelware. Eine Rückkehr in die Nähe des Vorkrisenniveaus bedeutet nicht automatisch, dass die Margen wieder stimmen.

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Nun kann man sich als Anleger damit vertrösten, dass die Börse die Zukunft einpreist. Die Lage mag katastrophal sein, aber wenn die Welt in einem halben Jahr wieder in Ordnung ist, sind hohe Kurse durchaus gerechtfertigt. Das Problem ist nur, dass die Reisebranche so schnell nicht an das Vorkrisenniveau anknüpfen kann.

Die UN-Tourismusorganisation führte unlängst eine globale Befragung durch. Dabei stellt sich heraus, dass in den meisten Regionen niemand mit einer schnellen Rückkehr internationaler Touristen rechnet (Grafik 3). In Europa ruhen die Hoffnungen auf dem dritten Quartal. Hoffen darf man ja.

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Eine Rückkehr bedeutet nicht, dass das Vorkrisenniveau erreicht wird. Hier sieht weniger als ein Fünftel der Befragten eine Rückkehr auf dieses Niveau im kommenden Jahr. Wahrscheinlicher ist eine Rückkehr 2023 oder erst 2024 (Grafik 4).

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Da fragt man sich, wieso Branchenindizes schon jetzt Allzeithochs erreichen. Anleger preisen die Lage ein, wie sie erst 2024 zu erwarten ist. Das nennt man wohl Optimismus. An einen Strohhalm kann man sich noch klammern. Viele Unternehmen haben sich verschlankt. Die Profitabilität sollte höher sein als vor der Krise, wenn die Touristen zumindest größtenteils zurückkehren.

Auch hier liegt ein gewisser Fehlschluss vor. Es wurden zwar Reisebüros geschlossen und Kapazitäten bei Airlines angepasst. Das verbessert die Profitabilität. Gleichzeitig hat sich die Verschuldung deutlich erhöht. Selbst bei niedrigen Zinsen frisst diese Belastung zusätzliche Margen auf.

Das größte Kreuzfahrtunternehmen, Carnival, hatte vor der Krise weniger als 10 Mrd. USD an Schulden. Aktuell sind es 27 Mrd. USD. Die Zinslast hat sich von weniger als 100 Mio. pro Quartal auf über 300 Mio. vervielfacht. Die ersten 10 % an Effizienzgewinnen durch Sparmaßnahmen sind allein durch die Zinslast verplant.

Solange die Hoffnung regiert, müssen Anleger keine große Korrektur befürchten. Werden erst einmal Fakten geschaffen, wenn ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist, dürfte Vernunft einkehren. Allzeithochs lassen sich einfach nicht rechtfertigen. Als Anleger sollte man an Gewinnmitnahmen denken. Wer gar nicht investiert war, sollte damit jetzt nicht unbedingt beginnen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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