Kommentar
08:51 Uhr, 14.01.2021

Tourismus-Aktien: Wie systemrelevant ist die Reisebranche?

2021 soll das Jahr des Comebacks werden. Bevor es soweit ist, braucht es jedoch noch Milliardenhilfen. Man fragt sich, ob es verschwendetes Steuergeld ist.

Erwähnte Instrumente

  • TUI AG
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    Kursstand: 4,032 € (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • TUI AG - WKN: TUAG50 - ISIN: DE000TUAG505 - Kurs: 4,032 € (XETRA)

Dass sich der Tourismus in der Krise befindet, ist kein Geheimnis. Der Umsatz in der Gastronomie ist in Deutschland im Jahr 2020 um ein Viertel eingebrochen. Das ist angesichts der empfundenen Lage sogar überschaubar. Januar und Februar waren gute Monate. März und April ging es dafür mit den Einnahmen um mehr als 50 % nach unten. Im Sommer und Herbst erholte sich der Konsum wieder.

Die Zahlen für das Jahresende sind noch nicht veröffentlicht. Auch ohne Glaskugel weiß man, dass die Umsätze wieder rückläufig waren. Noch schlechter als der Gastronomie ging es dem Beherbergungsgewerbe. Von Januar bis Oktober sank der Umsatz um 40 % (Grafik 1).


Die Zahlen sind ernüchternd. Selbst die Finanzkrise war im Vergleich dazu ein Kinderspiel. Hauptgrund für die Umsatzeinbußen ist der eingeschränkte internationale Verkehr. Internationale Touristen blieben ab März praktisch aus. Gegenüber dem Vorjahr sank die Zahl internationaler Touristen im Frühjahr um mehr als 90 %. Selbst im Sommer, als viele Beschränkungen bereits wieder aufgehoben waren, blieb das Minus mit 60 % stattlich.

Seit dem Beginn der zweiten Welle in Europa im Oktober gehen die Zahlen wieder zurück. 2020 war ein katastrophales Jahr und ohne staatliche Unterstützung wäre die ganze Branche de facto bankrott. Zurecht beklagen sich Hotels und Gastronomen, dass die Fixkosten nun einmal auch im Lockdown bleiben. Bei generell dünnen Margen tut jeder Euro Umsatzeinbuße weh.

Der Staat springt teilweise ein. Wahrgenommen wurde dies zuletzt aufgrund eines Einzelfalls: Tui. Die Hilfen für Tui summieren sich inzwischen auf über 4 Mrd. Euro auf. 1,091 Milliarden kommen in Form einer Staatsbeteiligung. Die KfW hat 3,05 Mrd. an Kredit bereitgestellt und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds zeichnete eine Wandelanleihe in der Höhe von 150 Mio.

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Im abgelaufenen Geschäftsjahr per Ende September erwirtschaftete Tui 7,9 Mrd. Umsatz. Der Verlust lag bei 3,14 Mrd. Rechnet man das erste Quartal des Geschäftsjahres heraus, bleiben noch 4 Mrd. Umsatz für die 9 Monate bis September 2020 übrig. Die Hilfsgelder überschreiten damit den Umsatz, der während der Krise erwirtschaftet wurde. Das ist gigantisch.

Es wirft auch die Frage auf, ob das gerechtfertigt ist. Tui hat weltweit 70.000 Mitarbeiter. In Deutschland sind es weniger als 15 % davon. Im Vergleich zu der gesamten Branche ist das verschwindend gering. Im Gastgewerbe arbeiten mehr als 2,4 Mio. Menschen. Der Umsatz in Deutschland lag vor der Krise bei knapp 100 Mrd. Da der Sektor sehr heterogen und zersplittert ist, sind tausende Kleinunternehmen auf Hilfe angewiesen. Es reicht nicht, wenn man ein Großunternehmen rettet, welches nicht einmal einen hohen Wertschöpfungsanteil in Deutschland hat.

Der Sektor als Ganzes verdient Unterstützung. Man gewinnt wenig, wenn 40.000 Betriebe bankrottgehen. Die Hilfen für Tui erscheinen hingegen überzogen, Systemrelevanz der Branche hin oder her.

Clemens Schmale


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4 Kommentare

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  • LukiLuke
    LukiLuke

    4,164mrd / 70'000pers = €59'500.- pro mitarbeiter.

    4,164mrd / 12'500pers (DE) = €333'120.- pro mitarbeiter.

    Damit wär wohl vielen gastronomen geholfen...

    21:11 Uhr, 13.01. 2021
    1 Antwort anzeigen
  • Tom66
    Tom66

    Auch wenn mir die Angestellten in der Gastro echt leid tun: Die Gastronomen, die bei der Euro-Einführung die Preise 1:1 umgerechnet haben (und welche haben das nicht?) dürfen das gerne als gerechte Strafe auffassen.

    20:29 Uhr, 13.01. 2021
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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