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11:35 Uhr, 23.02.2022

Stopp von Nord Stream 2: Ein zweischneidiges Schwert

Nach Einschätzung des Vorsitzenden der von Nord Stream finanzierten Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, hat die Pipeline weiterhin eine kleine Chance auf Weiterbetrieb.

Berlin (Godmode-Trader.de) - So ist das mit Sanktionen - auch sie haben immer zwei Seiten. Zwar strafen sie die eine Partei direkt ab, doch ökonomisch betrachtet hat das unter Umständen einen Rückfluss auf die sanktionierende Seite, etwa wenn Handelsbeziehungen gekappt oder beschnitten werden.

Ähnlich ist das auch mit Nord Stream 2. Angesichts der Zuspitzung im Ukrainekonflikt hat die Bundesregierung am Dienstag Fakten geschafften und den Zertifizierungsprozess für die Pipeline gestoppt. Die fertig gestellte Röhre wird als erst mal nicht in Betrieb gehen können. Das tritt den Aggressor und Gaslieferanten Russland hart, weil er sein Produkt nicht mehr verkaufen kann. Das trifft aber auch den europäischen und besonders den deutschen Rohstoffmarkt. Das fehlende Gas könnte nun zu Engpässen und zu weiter steigenden Preisen führen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat am Dienstag darauf hingewiesen, dass Deutschland 55 Prozent seines Erdgases aus Russland bezieht. Die Speicher sind Habeck zufolge derzeit geringer gefüllt als üblich zu dieser Jahreszeit, trotz des milden Winters. Dennoch müssten sich die Verbraucher und die Wirtschaft keine Sorgen über Versorgungsengpässe machen. Was aber passieren könnte, seien weiter steigende Preise.

Ähnlich die Einschätzung von Rohstoff-Fachleuten. Sollte Russland den Gashahn jetzt doch noch ganz zudrehen, könnte Westeuropa nach Einschätzung der Commerzbank „wohl noch bis zum Herbst durchhalten, weil noch 30 Milliarden Kubikmeter auf Lager sind, mehr Flüssiggas importiert würde und der Verbrauch im Sommerhalbjahr ohnehin vergleichsweise niedrig ist“.

Nach Einschätzung des Vorsitzenden der von Nord Stream finanzierten Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, hat die Pipeline weiterhin eine kleine Chance auf Weiterbetrieb. „Als ersten Schritt das Zertifizierungsverfahren zu stoppen, ist immer noch ein Gesprächsangebot an Putin", sagte der frühere Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern der "Schweriner Volkszeitung“. Er stellte jedoch zugleich klar: „Wenn Putin so weitermacht, wird es die Pipeline nicht geben." Olaf Scholz sei einen ersten Schritt für ein Aus für die Ostsee-Gasleitung gegangen. Diese Reaktion des Bundeskanzlers auf die Zuspitzung in der Ukraine sei klug und angemessen, so Sellering zu dem Schritt seines Parteikollegen am Dienstag.

Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel sieht für die deutsch-russische Gaspipeline hingegen keine Zukunft mehr. „Ich war immer ein Befürworter des Projekts, weil ich auch an die Friedensdividende in der Wirtschaftspolitik geglaubt habe. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Projekt noch Realität wird, es sei denn, es geschehen Wunder und es gibt eine Verständigung mit Russland, aber danach sieht es ja nicht aus", sagte Gabriel im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.

Die Pipeline wurde nach Angaben des russischen Gaskonzerns Gazprom im September 2021 fertiggestellt und soll Gas von Russland nach Deutschland bringen.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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