Kommentar
12:12 Uhr, 02.02.2022

Sind die Rezessionsängste unbegründet?

Wer drei Experten nach den Aussichten zum Wachstum in den USA befragt, bekommt mindestens vier Antworten. Der Zinsmarkt spricht hingegen eine klare Sprache.

Für 2022 sieht kaum jemand eine Rezession in den USA. Bis Ende 2023 können es sich hingegen viele vorstellen. Je nachdem, welche Investmentbank welche Investoren und Ökonomen befragt, sind es 30-40 %, die bis Ende des kommenden Jahres eine Rezession für möglich halten. Das ist viel.

Der aktuelle Aufschwung würde damit sehr früh enden. Die vergangenen Wachstumsphasen dauerten sechs bis zehn Jahre. Eine Rezession in 2023 oder 2024 bedeutet, dass der Zyklus sehr kurz ist. Wer sich das nicht vorstellen kann, wirft einfach einen Blick auf eine der Zinskurven. Grafik 1 zeigt alle erdenklichen Zinskurven. Dabei wird immer die Rendite kürzer laufender Anleihen von Anleihen mit längerer Laufzeit abgezogen.

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Eine der Kurven befindet sich kurz vor der Inversion (10-7: 10-jährige minus 7-jährige Anleihen). Einer invertierten Kurve folgt in der Regel mit 18-24 Monaten Abstand eine Rezession. Das passt zu den Prognosen, dass es 2023 oder 2024 soweit sein könnte.

Auch für den Aktienmarkt bedeutet dies nichts Gutes. Seit 30 Jahren sind Zinskurve und Aktienmarkt negativ korreliert. Fällt die Zinskurve, steigt der Markt und umgekehrt. Entsprechend sind die Tage des Bullenmarktes gezählt. Erste Kommentatoren weisen bereits daraufhin.

Blickt man weiter in die Vergangenheit zurück, ist die Sache weniger eindeutig. In den 70er und 80er Jahren stieg der Markt tendenziell dann, wenn auch die Zinsdifferenz stieg. Eine Garantie, dass der Markt fällt, wenn die Zinskurve erst invertiert, gibt es nicht. Das gilt insbesondere für das aktuelle Umfeld.

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Die deutsche Wirtschaft schrumpfte Ende 2021 und auch vor einem Jahr. Eine Rezession hatte vor einem Jahr und auch heute keine Bedeutung für den DAX. Die Zinskurve sollte für den Aktienmarkt nicht überbewertet werden.

Eine Rezession in den USA wäre jedoch für alle Aktienmärkte ein Problem und bedeutender als eine eher isolierte Rezession in Deutschland. Aktien reagieren auf Rezessionen in den USA empfindlich, meist mit einem Bärenmarkt. Das US-Wachstum ist also für alle relevant.

Viele fürchten, dass die US-Notenbank die Zinsen vor lauter Inflationsangst zu schnell anhebt und eine Rezession herbeiführt. Die Fed will keine Rezession, allerdings ist sie bekannt dafür, dass sie die Zinsen bisher jedes Mal zu weit angehoben hat. Einigkeit darüber, wie hoch der Zins sein darf, besteht nicht. Man kann sogar sagen, dass die Uneinigkeit selten so hoch war wie in diesen Zeiten.

Zumindest sollte 2022 eine Rezession ausbleiben. Eine Abkühlung dürfte es geben. Das ist nach mehr als 5 % Wachstum im vergangenen Jahr nicht verwunderlich. 2022 ist hingegen fast schon gerettet. Der Grund: Der Lagerbestand wird aufgebaut. Die Lager sind leer. Engpässe gibt es überall.

Ende 2021 wurden die Lager zum Teil aufgefüllt. Das hat das Wachstum im vieren Quartal fast eigenhändig gestemmt (Grafik 3).

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Mit dem Lagerbestandsaufbau wird es weitergehen. Die Lager sind immer noch verhältnismäßig leer (Grafik 4). Ein gewisses Minimumwachstum ist dadurch 2022 garantiert. Für 2023 kommt alles darauf an, ob die Fed einen Fehler macht. Noch ist es zu früh, eine Entscheidung darüber zu treffen. Zumindest kurzfristig sollten Wachstumsängste keine Anlageentscheidung beeinflussen. Dafür fehlt die Grundlage.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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