Schwere Krise in Venezuela: Ein Lagebericht
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Caracas/ London (Godmode-Trader.de) - Der Machtkampf Venezuelas verschärft sich und scheint an einem kritischen Punkt angelangt zu sein. Die Opposition hat nach einer starken Beteiligung an ihrem nationalen Protesttag am 23. Januar mehr Legitimität erlangt, während Präsident Nicolás Maduro immer schwächer aussieht und dennoch weiter institutionelle Kontrolle in den Händen hält.
Die Situation scheint nur zwei Lösungswege zu kennen: Entweder gibt es einen kurzfristigen Abgang von Maduro, oder wenn es ihm gelingt, diese Krise zu überstehen und die Macht zu behalten, dann könnte er für einen längeren Zeitraum im Amt bleiben. Allerdings scheint sein Spielraum eng zu sein. In Anbetracht der Eskalation der Spannungen mit den USA könnten sich die nächsten Tage als kritisch erweisen.
Die Massenproteste im Land unterstreichen die hohe Ablehnung Maduros und die starke öffentliche Unterstützung für die von der Opposition kontrollierten Nationalversammlung. Die große Beteiligung ist auf ein Zusammenkommen der Opposition und Teilen der Chavista-Bewegung zurückzuführen. Beide Gruppierungen fordern den Rücktritt von Maduro. Bei den gestrigen Demonstrationen gab es nicht nur große Protestmassen in der Hauptstadt Caracas, sondern auch in anderen Großstädten und Städten des Landes. Die Demonstrationen verliefen weitgehend friedlich ab. Der Abend war jedoch von heftigen Protesten in den armen Gebieten von Caracas gekennzeichnet, was zu mindestens 13 gemeldeten Todesopfern führte.
Mitten in dem Chaos hat sich der Präsident der Nationalversammlung, Juan Guaidó, zum Interimspräsidenten des Landes ernannt, was einen großen Einfluss auf die Situation haben könnte, aber auch sehr riskant ist. Staatschef Maduro sprach von einem Staatsstreich und warf den USA vor, eine Marionettenregierung einsetzen zu wollen. Washington rief Maduro am Mittwoch wiederum zu einer friedlichen Machtübergabe auf und drohte dem Sozialisten andernfalls mit schweren Konsequenzen. Guaidó erhielt auch Unterstützung aus Brüssel. Die Europäische Union unterstütze die von Guaidó geführte Nationalversammlung „als demokratisch gewählte Institution, deren Befugnisse wiederhergestellt und respektiert werden müssen", erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.
Der Schritt, den Guaidó wählte, basiert auf Bestimmungen der venezolanischen Verfassung, die es dem Leiter der Nationalversammlung ermöglicht, sich in Abwesenheit eines gewählten Präsidenten zum Interimspräsidenten zu ernennen. EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb auf Twitter: „Im Gegensatz zu Maduro verfügt das Parlament, Juan Guaidó eingeschlossen, über ein demokratisches Mandat der venezolanischen Bürger."
Guaidós Schritt scheint zwar auf einer Rechtsgrundlage zu basieren, aber sein Erfolg wird davon abhängen, dass er vom Militär unterstützt wird. Dennoch könnte seine gleichzeitige Anerkennung als Präsident durch eine große Anzahl von Ländern es der internationalen Gemeinschaft ermöglichen, Vermögenswerte und Einnahmen, einschließlich Einnahmen aus Ölexporten, von Maduros Regierung einzufrieren und in Richtung Guaido umzuleiten, was noch größere Auswirkungen haben könnte als ein Ölembargo. Experten geben aber zu bedenken, sollte die Opposition als Instrument ausländischer Interessen wahrgenommen werden, könnte eine Unterstützung durch das Militär fehlschlagen.
Das Kräfteverhältnis innerhalb des Militärs ist nach wie vor unbekannt, aber Maduro scheint keine vollständige Kontrolle über die Streitkräfte zu haben. Das Armeekommando hat seine Position nicht offiziell bekannt gegeben, was neben den jüngsten Aufständen darauf hindeutet, dass es innerhalb der Organisation keinen Konsens gibt, Maduro zu unterstützen.
Die Maduro-Regierung reagierte heftig auf die Proklamation von Guaidó, hat aber möglicherweise ihre Fähigkeit, die Situation zu bewältigen, überschätzt. Präsident Maduro kündigte einen Bruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA an und gab den US-Diplomaten 72 Stunden Zeit, das Land zu verlassen, und beschuldigte sie, an einem Staatsstreich teilgenommen zu haben. Guaidó hat jedoch alle diplomatischen Delegationen gebeten, im Land zu bleiben.
In einer veröffentlichten Erklärung widersetzte sich US-Außenminister Mike Pompeo denn auch dem Befehl von Maduro und erklärte, dass „die Vereinigten Staaten das Maduro-Regime nicht als Regierung Venezuelas anerkennen" oder dass sie „die rechtliche Befugnis haben, die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu unterbrechen oder unsere Diplomaten zur persona non grata zu erklären“.
Fazit: Die Situation ist nach wie vor sehr unsicher und das Risiko weiterer Gewalt ist nicht auszuschließen. Eine weitere Eskalation könnte jedoch beide Seiten an den Verhandlungstisch zwingen, mit dem Ziel, eine neue Präsidentschaftswahl durchzuführen, die die Strategie der Opposition zu sein scheint, anstatt ein Abgleiten in das Chaos eines bewaffneten Konflikts zu riskieren.
Ein Ende des Maduro-Regimes würde freilich den Weg ebnen für dringend notwendige Investitionen im Ölsektor des Landes. Aufgrund der tiefgreifenden Wirtschaftskrise und der US-Sanktionen ist die Ölproduktion auf den tiefsten Stand seit vielen Jahrzehnten von nur noch 1,2 Mio. Barrel pro Tag eingebrochen. Dabei verfügt das Land über die größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt.
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