Schwellenländeranleihen: Selektivität zahlt sich aus
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Für viele Anleiheinvestoren sind die Aussichten derzeit entmutigend: Während die globalen Aktienrenditen seit dem Tiefpunkt der Corona-Krise nicht weit von 100 Prozent entfernt liegen, sind die Credit Spreads bei festverzinslichen Wertpapieren vergleichsweise eng. Aber: Schwellenländeranleihen sind weniger überbewertet als viele andere Bereiche und bieten aufgrund der großen Bandbreite wirklich attraktive Möglichkeiten. Vorausgesetzt man weiß, wo man suchen muss – und was man meiden sollte.
Nach der bemerkenswerten Performance von Risikoanlagen seit dem Tiefpunkt der von Covid-19 ausgelösten Marktkrise im März 2020 sind wir an einem Punkt angelangt, an dem sich die Frage "Wo soll ich jetzt investieren?" besonders schwierig gestaltet. Aktien sind je nach Markt um rund 100 Prozent gestiegen. Im Vergleich dazu fallen die Renditen für festverzinsliche Wertpapiere in diesem Zeitraum schwächer aus: Hochverzinsliche Schwellenländeranleihen haben "nur" 36 Prozent und Investment-Grade-Schwellenländeranleihen "nur" 16 Prozent zugelegt. Die entsprechenden Zahlen für die entwickelten Märkte fallen ähnlich aus. Dennoch weisen viele Marktbeobachter darauf hin, dass die Spreads im Vergleich zur Vergangenheit eng sind – und das macht die Anleger nervös.
Schwellenländeranleihen zeigen sich widerstandsfähig
Wir teilen diese vorsichtige Sichtweise mit Blick auf Schwellenländeranleihen – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Kurzfristig sehen wir keinen Katalysator für einen signifikanten Abwärtstrend an den Schwellenmärkten. Denn das Wirtschaftswachstum ist robust. Viele Schwellenländer haben mehr Spielraum, sich von der Pandemie zu erholen, als die entwickelten Märkte. Die Besorgnis über die Covid-Delta-Variante lässt allmählich nach. Die Federal Reserve tut ihr Möglichstes, damit das Tapering nicht zu schnell erfolgt und keine sofortigen Zinserhöhungen mit sich zieht. Schwellenländeranleihen haben sich gegenüber höheren Zinsen und einem stärkeren Dollar jedenfalls widerstandsfähiger erwiesen als bisher erwartet. Betrachtet man darüber hinaus die relative Bewertung im Hinblick auf die Verengung der Credit Spreads, so sind Schwellenländeranleihen attraktiver als entsprechende Schuldtitel der Industrieländer.
Wir sehen noch nicht die Art von Spread-Verengung, die uns kurz vor der Covid-Krise dazu veranlasst hat, das Risiko erheblich zu reduzieren. Wir glauben, dass Schwellenländeranleihen relativ gesehen weiterhin gut performen können. Wichtig ist: In diesem Stadium des Zyklus erwarten wir eine viel größere Streuung zwischen einzelnen Anleihen und Ländern. Die frühe Phase des Zyklus, in dem sich ganze Anlageklassen gleichzeitig von einem niedrigen Niveau erholt haben, liegt hinter uns. Die höheren Bewertungen bedeuten, dass die Fundamentaldaten bei festverzinslichen Wertpapieren wirklich wichtig sind. Man muss wissen, was man besitzt – und noch wichtiger: was man nicht besitzen sollte.
Beispiel chinesische Immobilien
Im Jahr 2021 haben wir eine erhebliche Volatilität in der gesamten Anlageklasse chinesischer Immobilien beobachtet – vor allem bei den zwei wichtigen Unternehmen Huarong und Evergrande, die einen sehr hohen Verschuldungsgrad aufweisen. Gerüchte (wenngleich unbegründet) über ihre Zahlungsfähigkeit sowie die Verlässlichkeit der staatlichen Unterstützung führten zu heftigen Kursschwankungen bei Anleihen. Am Markt ist eine Streuung der Unternehmen zu beobachten, denn die schwarzen Schafe koppeln sich vom Rest ab. Das ist eine wirklich vorteilhafte Situation für aktive Manager. Aufgrund der hohen Verschuldung waren wir nie ein großer Freund von Evergrande, qualitativ hochwertigere Namen wie Kaisa haben wir bevorzugt. Im frühen Zyklus, wenn die Flut alle Boote hebt, spielt das keine Rolle. Doch jetzt liefert es Alpha. Das hat uns ermöglicht, wieder in chinesische Immobilien zu investieren, weil diese Entkopplung von "guten" und "schlechten" Unternehmen einen selektiven Ansatz belohnt.
Lateinamerika besonders attraktiv
Einer der Vorteile von Investitionen in Schwellenländeranleihen ist die schiere Bandbreite der Anlageklasse. Wir konnten die Volatilität des chinesischen Marktes meiden, indem wir dort untergewichtet waren und anderswo Chancen genutzt haben, bevor wir angesichts attraktiver Bewertungsmöglichkeiten wieder in die Region investiert haben. Wir setzen jedoch weiterhin auf eine sehr breite, weltweite Diversifikation. Lateinamerika gefällt uns besonders gut: Wir haben diese Region aufgrund ihres Exposures gegenüber den USA als Motor des globalen Wachstums schon seit einiger Zeit übergewichtet. In jüngster Zeit haben wir in Kolumbien wieder aufgestockt. Einige erwartete Herabstufungen haben uns hier die Möglichkeit gegeben, wieder in Titel zu investieren, die wir mögen, allerdings zu attraktiveren Bewertungen – insbesondere im Vergleich zu Anleihen anderer Länder wie Brasilien. In Peru war der jüngst vorgestellte Haushaltsentwurf der neuen linken Regierung nicht so radikal wie erwartet. Künftige Maßnahmen werden wahrscheinlich durch eine konservativere Legislative eingeschränkt, so dass wir hier ebenfalls wieder aufgestockt haben.
Diversifizierung und Selektivität sind das A und O
Zu den anderen Gebieten, die wir mögen, gehört Afrika. Hier findet man eine Reihe von Ländern, in denen die sich verbessernden Fundamentaldaten in Verbindung mit relativ hohen Renditen eine wirklich attraktive Chance darstellen. Auch hier bleiben wir wählerisch und fokussieren uns u.a. auf Nigeria, Marokko und Sambia. In Europa führte die Volatilität zu Beginn des Jahres – ausgelöst durch die Angst vor einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie die Entlassung des türkischen Zentralbankchefs – zu attraktiven Bewertungen, die wir uns zunutze gemacht haben. Im Nahen Osten stützen die höheren Energiepreise und die regionale Stabilität weiterhin unsere Beteiligungen in Oman, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Es ist verständlich, dass sich Anleger den Kopf zerbrechen und sich fragen, wo sie ihr Geld nach einem so starken Lauf – insbesondere bei Aktien – anlegen sollen. Unser Fazit: Schwellenländeranleihen und vor allem Unternehmensanleihen werden aus zwei Gründen leicht übersehen. Sie weisen sehr attraktive Renditen und Bewertungen auf, die nicht so übertrieben sind wie anderswo. Und sie stellen eine breite Anlageklasse dar, die weniger gut verstanden wird als die Märkte der Industrieländer, aktiven Anlegern jedoch mehr Möglichkeiten bietet.
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