Kommentar
11:59 Uhr, 04.09.2014

Schwellenländer als Nutznießer einer lockeren EZB-Geldpolitik

Finanzkrise kennzeichnete, üben die Notfallmaßnahmen der Zentralbanken weiterhin einen überwältigenden Einfluss auf die Märkte aus. Die US-Notenbank Fed lässt zwar gerade ihr unkonventionelles Liquiditätsprogramm auslaufen. Die Europäische Zentralbank denkt indes über eine weitere Lockerung der Geldpolitik nach. Zusätzliche Maßnahmen der EZB über neue Liquiditätsspritzen oder direkte Anleihenkäufe könnten Aktien im Allgemeinen und Anlagen in den Schwellenländern im Besonderen zugutekommen.

Die jüngsten Konjunkturdaten deuten auf erstaunliche Divergenzen der Volkswirtschaften der USA und der Eurozone hin. Das Wachstum in der europäischen Währungsunion stagnierte im zweiten Quartal, da die Abschwächung in Deutschland den Abwärtssog verstärkte, der durch die strukturellen Probleme Italiens und Frankreichs ausgelöst wurde. Die US-Wirtschaft, die einen soliden Beschäftigungszuwachs verzeichnete und deren Frühindikatoren sich verbesserten, gewinnt hingegen an Fahrt. Hinzu kommt, dass der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland ein viel größeres Risiko für die Eurozone, insbesondere für Deutschland, darstellt als für die USA. In der Eurozone stiegen die Verbraucherpreise um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, was aber weit unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent liegt. Demgegenüber hat in den USA der Konsumentenpreisindex das Fed-Ziel von zwei Prozent erreicht.

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Die EZB im Lockerungsmodus

Es ist daher nicht überraschend, dass die europäischen und die amerikanischen Währungshüter unterschiedliche Wege einschlagen. Während das Fed höchstwahrscheinlich im Oktober den Liquiditätshahn zudreht und damit seine Anleihenkäufe (das sogenannte Quantitative Easing) beendet, wird die EZB die erste Tranche ihrer zielgerichteten langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (als «TLTROs» bezeichnet) auflegen. Gemäß unserem Basisszenario erwarten wir, dass das Fed in der ersten Hälfte des Jahres 2015 mit Zinserhöhungen beginnt. Die EZB wird diesem Beispiel in absehbarer Zukunft kaum folgen. Ganz im Gegenteil: EZB-Präsident Mario Draghi könnte unorthodoxe geldpolitische Maßnahmen in Erwägung ziehen, wenn die Inflation nicht bald ansteigt.

Starke Unterschiede in der Geldpolitik bieten Chancen

Unseres Erachtens sollten die Anleger ihr Augenmerk auf die potenziellen Folgen einer divergierenden Geldpolitik in den USA und in Europa richten:

1. Der US-Dollar dürfte sich gegenüber den meisten Währungen aufwerten und damit «endlich» die Wende gegenüber dem Euro schaffen. Der US-Wirtschaftszyklus ist nicht nur dynamischer, auch die strukturelle Position der USA verbessert sich dank des Rückgangs des Leistungsbilanzdefizits, der den sinkenden Energieimporten zu verdanken ist. Dies wird wahrscheinlich die Nachfrage nach dem US-Dollar beflügeln (siehe Grafik 1). Daher halten wir an unserer starken «Übergewichtung» des USDollar in auf Schweizer Franken und Euro lautenden Portfolios fest.

2. Die laufenden und geplanten EZB-Maßnahmen setzen die Renditekurven der Eurozone unter Abwärtsdruck. Die Renditedifferenz zwischen US-amerikanischen und deutschen Staatsanleihen wird sich wahrscheinlich so stark wie noch nie ausweiten (siehe Grafik 2). Das sind indes gute Nachrichten für US-Staatsanleihen («Treasuries»), da sie sich nicht völlig von der Entwicklung der deutschen Staatsanleihen abkoppeln werden. Wir haben die relative Treasury-Schwäche genutzt, um unser Engagement in US-Papieren mit langer Duration zu verstärken. Sie bieten nämlich eine echte Portfoliodiversifikation, und ihre Umlaufrendite ist attraktiver als jene der verfügbaren Alternativen mit Top-Rating. Wir empfehlen, das zusätzliche Engagement im US-Dollar in europäischen Portfolios nicht abzusichern.

3. Unter sonst gleichen Bedingungen werden die Aktienmärkte wahrscheinlich von allen EZB-Maßnahmen profitieren, mit denen die Deflation bekämpft werden soll, vorausgesetzt die Unternehmen erzielen weiterhin robuste Gewinne. Das Fed fährt zwar seine expansive Geldpolitik zurück. In welchem Tempo die Geldpolitik gestrafft wird, ist indes offen. Die Fed-Chefin Janet Yellen handelt nicht im luftleeren Raum, das heißt, dass das schwächere globale Wachstum und der anhaltende disinflationäre Druck ihr reichlich Spielraum zur Feinjustierung ihrer Geldpolitik geben, obwohl sich die Konjunkturdynamik im Inland verbessert hat.

Vor dem Hintergrund des allmählich anlaufenden Straffungszyklus in den USA und der gleichzeitigen Beschleunigung der geldpolitischen Lockerung der EZB scheinen die Aussichten gut, dass Anlagen in den Schwellenländern – insbesondere Lokalwährungsanleihen – überdurchschnittliche Renditen erzielen können. Solche Wertpapiere, die auf die Währungen der Schwellenländer lauten, glänzen mit einer Umlaufrendite von 6,5 Prozent, die jedem Vergleich mit den meisten «Fixed Income»- Segmenten standhält (siehe Grafik 3). Nach einem durchwachsenen Jahr 2013 bieten die Schwellenländer weiterhin ein gemischtes Bild. Es gibt jedoch Anzeichen, dass sich die anfälligsten Volkswirtschaften stabilisiert haben, denn ihre Leistungsbilanzdefizite gehen zurück. Daher ist es unwahrscheinlich, dass sich die Währungen der Schwellenländer gegenüber den G10-Währungen abwerten werden, mit Ausnahme des US-Dollar, der den Anlegern attraktive Renditen bietet.

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Aktien bleiben im Brennpunkt

Angesichts der zunehmenden geopolitischen Risiken und der außerhalb der USA stockenden kurzfristigen Konjunkturdynamik bleiben die Geldpolitiken extrem expansiv und stützen damit die Finanzmärkte. Sogar der anstehende Straffungszyklus des Fed wird wahrscheinlich graduell verlaufen und außerdem durch zusätzliche Lockerungsmaßnahmen anderswo, in erster Linie in der Eurozone, abgeschwächt. Auf absoluter Basis sind die Bewertungen zwar weniger attraktiv als vor zwölf Monaten, exzessiv sind sie insgesamt aber auch nicht. Wir halten an der «Übergewichtung» von risikoreichen Anlagen, insbesondere der Aktienmärkte, fest und sind bereit zu reagieren, sobald unsere Kursziele erreicht sind.

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